Fortschritt ohne Wachstum?
Neues Jahrbuch „Global Compact Deutschland 2011“
Der anhaltende Klimawandel, die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise und auch die aktuellen Energiewende hierzulande, lassen Verteilungsfragen, das subjektive Wohlbefinden und ökologische sowie soziale Nebeneffekte wirtschaftlichen Wachstums zunehmend in das Blickfeld rücken. Bislang gilt noch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und sein Wachstum als gängiger Wohlstandsmaßstab. Doch der Tunnelblick auf das BIP ignoriert, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen das Wachstum entsteht. Und er ignoriert, dass Wachstum für Zufriedenheit nicht reicht.
Was trägt wirklich zum gesellschaftlichen Fortschritt bei? Welche Indikatoren brauchen wir? Das sind einige der Fragen, die im Mittelpunkt der neuen Ausgabe des deutschen UN Global Compact Jahrbuches 2011 stehen. Der Band umfasst 132 Seiten und ist zum Preis von 30 Euro ab sofort im Buchhandel erhältlich. Herausgegeben wird die Buchreihe seit 2004 von der Mediengruppe macondo.
Macht Wirtschaftswachstum die Menschen zufriedener oder gar glücklicher? Sowohl empirische Studien als auch Lebenserfahrung lehren uns, dass dem nicht so ist. Dennoch messen und bewerten wir traditionell die Entwicklung von Wohlstand und Wohlfahrt mit Hilfe des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Doch diese Verknüpfung birgt zwei fundamentale Probleme: Das Wirtschaftssystem kann aus sich heraus a priori nicht alle relevanten Indikatoren zur Wohlstandsmessung bereitstellen. Der Bundestag hat daher eine Enquete-Kommission einberufen, die ergänzende Kriterien benennen soll.
Das zweite Problem ist der Wachstumsglaube. Wir leben auf einem endlichen Planeten. Ein grenzenloses, dauerhaftes Wachstum ist daher schon rein physikalisch nicht möglich. Dennoch verbraucht die Weltbevölkerung inzwischen eineinhalb Mal so viele Ressourcen, wie die Erde bieten kann. Die Folgen werden jeden Tag spürbarer – ob Klimawandel, Ressourcenkonflikte oder Armutsbekämpfung. Die Probleme spitzen sich zu. Aber es gib auch Lösungsansätze: Neue Methoden versprechen, die ökologisch und soziale Abwärtsspirale aus Wirtschaft = Wachstum = Wohlstand zu durchbrechen.Christoph Pfluger beleuchtet in seinem Essay das Rätsel des ewigen Wachstums. Während die Menschheit jahrtausendelang mehr oder weniger nachhaltig lebte, setzte ab etwa 1750 eine verheerende Dynamik ein – mit exponentiellem Wachstum der Bevölkerung, des Verbrauchs und der Zerstörung. Was ist eigentlich mit uns geschehen? Daniela Kolbe, MdB, ist Leiterin der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ und stellt ein Plädoyer für Wohlstand jenseits des Wachstumsdrucks vor. Solche Modelle entwickeln sich derzeit. So stellt Hans Diefenbacher den Nationalen Wohlfahrtsindex vor und Stefanie Wahl von der Denkwerkstatt Zukunft das Wohlstandsquintett. Die KfW schließlich gibt eine Einordnung und Bewertung der wichtigsten nationalen wie internationalen Methoden der Wohlfahrtsmessung.
Weitere Themen der Ausgabe sind:
Corporate Responsibility Reporting. Immer mehr Unternehmen legen ihre CSR-Aktivitäten offen. Während im Jahr 1992 noch kaum Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht wurden, gehen aktuelle Studien davon aus, dass mittlerweile jährlich rund 4.000 Nachhaltigkeitsberichte weltweit erscheinen. Nach den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) wurden im Jahr 2010 über 1.800 Berichte verfasst. Im selben Jahr reichten 2.800 Betriebe ihren Fortschrittsbericht (Communication on Progress, COP) beim UN Global Compact ein, das sind 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Weltweit gibt es bereits rund 12.000 COP-Berichte. Diese Zahlen zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nichtsdestotrotz berichtet bislang nur ein kleiner Teil an Unternehmen über seine soziale und ökologische Performance. Unser Thema beleuchtet europaweite Trends, den deutschen Nachhaltigkeitskodex, Integrated Reporting sowie das Differentiation Programm der UN.
Mit Nachhaltigkeitsinnovationen zur Green Economy? Gegenwärtig entwickelt sich auf europäischer und internationaler Ebene ein neues Wirtschaftsleitbild: die Green Economy. Durch die UNEP wurde die Green Economy „als Wirtschaftsform definiert, die zu mehr Wohlfahrt und sozialer Gleichheit führt und dabei Umweltrisiken und ökologische Knappheiten deutlich reduziert“. Unser Special beleuchtet diese Transformationsprozesse, stellt Roadmapping-Modelle vor und geht auf den politischen Aspekt der Transgovernance ein.
Der Abschnitt Global Compact Inside beginnt mit einem Rückblick auf das Jahr 2011 aus Sicht des deutschen Global Compact Netzwerkes. Darüber hinaus stellt das Jahrbuch wichtige neue internationale CSR-Initiativen und Trends vor wie etwa LEAD, WindMade eine vergleichende Übersicht zwischen ISO 26000, UNGC und OECD.
In der Sektion Best Practice schließlich geben in diesem Jahr 28 teilnehmende Unternehmen des Global Compact Einblick, wie sie die zehn Prinzipien und Corporate Social Responsibility tagtäglich in der Praxis umsetzen.
Traditionsgemäß ist die Publikation nicht nur auf FSC-zertifiziertem Papier hergestellt, sondern die gesamte Herstellung wurde durch hochwertige Klimaschutzmaßnahmen klimaneutral gestellt.
Quelle
Umweltdialog 2012