Mariam geht fort
Zwei-Sein führt ins Paradies – Franz Alt rezensiert den Roman von Lena Naumann über Jesus und Maria aus Magdala.
Manchmal können fiktive Erzählungen der Wirklichkeit sehr nahe kommen. Wenn man Israel und die Wirkungsstätte Jesu in Galiläa ein wenig kennt, dann trifft dies für den Roman „Mariam geht fort“ von Lena Naumann zu.
Die Autorin schildert die Feindschaft zwischen Maria Magdalena und dem Fischer Simon Petrus sowie die Liebe zwischen dieser liebenswert-störrischen Mariam und dem sanften Jesus von Nazareth (Jeschua). Das apokryphe Thomas-Evangelium hat die Autorin inspiriert.
Miriam, eine Frau aus Magdala am See Genezareth, reich und gebildet, verlässt vor 2.000 Jahren das Haus ihres jüdischen Vaters und ihrer griechischen Mutter, multikulti gab es schon damals, und wird die Gefährtin des Zimmermann-Sohns aus Nazareth. Sie erfährt dabei, dass die Liebe stärker ist als der Tod.
Das jüdisch-christliche Patriarchat wird in dieser emanzipatorischen Geschichte spielend und treffend in seiner ganzen Heuchelei und Schriftgelehrtheit entlarvt. Jesus nennt die Pharisäer im Neuen Testament „Natterngezücht und Schlangenbrut“. Doch Lene Naumann lässt ihre Mariam auch vor Petrus Angst haben: „Eines Tages, wenn er Macht hat, wird er so mit uns umgehen, wie Rom es tut“. Die emanzipierte Frau aus Magdala hasst fremde Besatzer.
Das spannende Buch kann für die Leser ein Modell für die Mündigkeit des Individuums sein und für die Befreiung von jeder dogmatisierten Religion. Jesus predigt, dass man nicht „für den Mammon und für Gott zugleich“ sein könne. Doch Miriam widerspricht dem Meister, den sie als solchen gar nicht anerkennt. „Ich sehe die Sache anders. Man kann Gott erst richtig dienen, wenn man auch dem Mammon dient! Ich will ´s nicht länger Mammon nennen. Ich nenn es: Fülle, Wohlergehen, Freude und Gesättigtsein. Ein Mensch, der reich ist, schenkt auch gern. Es macht ihn froh, mit anderen zu teilen. Dein Armut predigen ist mir zuwider. Es macht die Menschen klein!“
Das ist starker Towak und manch einer der heutigen US-Superreichen, die 99% ihres Vermögens für soziale Zwecke spenden, mögen ihr recht geben. Sie widerspricht dem Wanderprediger auch, weil sie ihn liebt. Einem Freund erzählt sie später über ihren Jesus: „Dass ich einem Menschen begegnet war, der auf eine schwer zu beschreibende Art eine andere Klasse besaß als die vielen selbsternannten Erlöser, die zu jener Zeit in Judäa und Galiläa herumliefen“.
Dieser Klasse-Mann Jesus vertrat eine neue Zeit mit einer Frohbotschaft von Gott während der „Dumpf-Schwätzer“ Johannes am Jordan mit der klassischen Drohbotschaft den Menschen in alter Manier Angst machte. Alte Zeit – neue Zeit! Zeitenwende.
Lena Naumann, Chefredakteurin der Münchner Kunstzeitschrift „Mundus“ legt ein wunderbares Essay für Menschen vor, die Vertrauen und eigenständiges Denken koordinieren wollen. Sie verrät als kritische Jesus-Freundin in ihrem Roman erfreulich viel über sich selbst.
Jesus und die Frauen – ein immer wieder neues und aufregendes Thema: Sie waren verrückt nach diesem ersten wirklich neuen Mann in der Weltgeschichte. Miriam aus Magdala (oder auch Lena Naumann aus München): „Was immer Jeschua tut, er war und blieb ein Zimmermann und Baumeister. Mit einem zarten Gefühl für Zerbrochenes, das behutsam wieder aufgerichtet werden musste. Das konnte er. Er gab Vertrauen, wo Vertrauen fehlte und nahm die Last, die zu viel wog. Seine Heilungen geschahen nach dem Gesetz des Ausgleichs. Eines Tages beugte sich Jeschua zu Susanna hinab, griff ihr unter die Arme, die längst verheilt waren, und stellte sie auf ihre Füße. Sie ließ es geschehen. Von diesem Tag an war ihre Seele gesund. Wenn auch die Narben blieben. Narben bleiben immer.“
Aber nur vier Seiten davor über den anderen Mann, Petrus: „Petrus und ich – das konnte nicht gut gehen“. Doppelmoral und Missbrauchsstrukturen werden entlarvt. Papst Franziskus hätte seine Freude an diesem Buch.
Die Autorin hat viel von diesem wundersamen Heiler aus Nazareth verstanden. Er lehrt ein Gottvertrauen jenseits der Gesetze und Gebote der Väter. Jesus lehrt überhaupt keine Gebote. Er macht Angebote. Sein Zauberwort heißt: Vertrauen. Habt doch mehr Vertrauen!
Das bis heute geheimnisvolle Ostergeschehen liest sich so: „Nein, Jeschua hat nicht die Welt erlöst, er hat sich selbst erlöst. Und das ist mehr als eine Welt“.
Jesus war nicht am Kreuz gestorben, er hat es überlebt und besiegt. Eine wunderbar erzählte, uralte und ewig neue Liebesgeschichte. Wer Wunder braucht, ist nicht zu retten, meint Maria aus Magdala.
Fazit: „Zweisein führt ins Paradies“ (Lena Naumann) oder „WeQ is more than IQ“ (Peter Spiegel)
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