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Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod

„Einmal Waffenschieber – immer Waffenschieber“. Zu einem Jahrhundertbuch über Waffenhandel. Von Rupert Neudeck

Auf dem Höhepunkt des Buches über Waffenhandel, bei dem alle Seiten ihr Fett abbekommen, heißt es indem Stokes Bericht, der von dem Industriellen Donald Stokes schon 1965 verfasst wurde: Es seien sehr viel Waffenkäufe getätigt worden, „nicht weil irgendjemand diese Waffen gebraucht hätte, sondern wegen der Provisionen, die es dafür gab“.

Was manche Staaten, die wir ganz selbstverständlich zu den Verteidigern der hehren Werte der westlichen Staatengemeinschaft zählen, in dem dumpfen Sumpf von Waffenkäufen, Schmiergeldern, Drogen- und Diamanten-verscherbeln alles angerichtet haben, dazu braucht der südafrikanische Autor Andrew Feinstein über 700 Seiten plus noch mal hundert Seiten detaillierte Anmerkungen.

Aber es geht nichts über die unglaubliche Bigotterie des Saudischen Staatsunternehmens, das auf Grund der weiter sprudelnden Ölquellen die ganze unheilige Welt an der Nase herumführt: Die spielen die Vereinigten Staaten gegen Israel aus, Israel gegen Frankreich, Frankreich gegen Großbritannien. Sie machen einen Deal mit der Firma British Aerospace. Eine eigene Firma namens Robert Lee International wird damit beauftragt, Piloten und Betreuer der Saudis im Rahmen des Al Yamamah-Vertrages zu betreuen.

Auch in puncto Frauen konnten die Saudis aus dem Vollen schöpfen. Es wurden für die saudischen Piloten Frauen beschafft. „Sie hatten pro Nacht zwei oder drei Frauen“. Ein Zeuge der später auspackte, berichtet: „Dann verlangten sie, früh um drei, dass wir irgendwo hinfuhren, um etwas zu essen, kamen zurück und finden von vorne an“. Der Gewährsmann erfuhr, dass die Lustbarkeiten mit Saudi Geld bezahlt würden und im Rahmen des Al-Yamamah Vertrages vorgesehen seien.

Heraus kam die Geschichte dann in einer guten Recherche von David Leigh vom britischen Guardian. Besondere Figuren der saudischen Welt, die uns immer als die Sachwalter und Türsteher der Werte der westlichen Welt gegen die Sowjets vorgestellt, später gegen den internationalen Terrorismus dargestellt wurden, sind die fragwürdigen Helden dieses internationalen Schurkenstücks namens Waffenhandel.

Es ist wichtig bei der Lektüre des Buches zu wissen, wer Andrew Feinstein ist. Er ist/war Südafrikaner und als Jude begünstigt durch das Ende der Apartheid und das Heraufkommen von Nelson Mandela. Er wurde zum begeisterten Mitglied des ANC. Feinstein hat sich mit einem Buch mit dem sprechenden Titel „After the Party“ in der Südafrikanischen politischen ANC Welt unbeliebt gemacht. Er war einer der Lichtgestalten und wollte unter Nelson Mandela wirklich an einem neuen Staat und an einer neuen Politik mitarbeiten. Er gehörte zur markanten jüdischen Kommunität in Süd-Afrika, zu der ja auch der von Israel jüngst geächtete Chef der Gaza UNO-Untersuchungskommission, Richard Goldstone, gehört oder auch Ina Perlham, die seinerzeit in der Apartheid Zeit so großartige Arbeit für die diskriminierten Schwarzen gemacht hatte.

„After the Party“ war gerade erschienen, da musste Andrew Feinstein 2001 das Land verlassen, denn es war unter der grassierenden Korruption des ANC und der Staatsapparate nicht mehr sein Land. Er war Jude, seine Frau war Moslem. Sie nannten ihre Kinder „Juslims“, die schöne Joint Venture von Juden  und Muslims.

Er beschreibt die Zeit, da Nelson Mandela nicht mehr das Sagen hatte, sondern der enttäuschende Thabo Mbeki. Feinstein kämpfte gegen die Waffenverträge, zumal Südafrika gar keinen Feind hatte, gegen den es sich verteidigen musste. Aber die Europäer mit John Major an der Spitze kamen 1994 zu Besuch und versuchten diese Waffenverträge durchzusetzen.

Auch Deutschland bekommt sein Fett ab. Die schlimmsten Waffendealer gaben sich damals in Südafrika ihr Stelldichein, auch der Zimbabwer Jan Bredenkamp und Victor But. Auch der spätere Präsident Jacopb Zuma wurde wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Deal entlassen, ebenfalls sein Finanzberater, Schabir Shaik, Bruder von Chippy Shaik, wegen Betrugs und Bestechung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war, weil er Zuma dafür bezahlte, seine geschäftlichen Interessen zu fördern.

Insgesamt konnte Feinstein nichts verhindern, bis Ende 2011 zahlte Südafrika für den Waffenvertrag, der wegen der Provisionen nicht zu umgehen war, 71 Milliarden Rand. Diese Zahl „übersteigt bei weitem die Summen“, schreibt Feinstein, die für weit dringendere Anliegen ausgegeben wurden. Bis 2008 hatte Südafrika dürftige 8,7 Milliarden Rand für die Bekämpfung der HIV-Aids Seuche ausgegeben. Anders gesagt: Für jeden Rand, der für einen HIV-infizierten Südafrikaner ausgegeben wurden, wurden 7,63 Rand für das Waffengeschäft ausgegeben.

In dem großen Kapitel, das Autor Feinstein auf Grund von eigenem resignierten Beteiligtsein geschrieben hat, erklärt er, dass er nach all den vergeblichen Versuchen, der Bestechlichkeit auf die Spur zu kommen, feststellte: Der ANC – also die Partei Mandelas – hat seinen moralischen Kompass verloren. „Ein Großteil dessen, was in Südafrika schiefläuft, hat seinen Ursprung in dem Waffenvertrag“. Südafrika hätte mit dem Geld für das Waffengeschäft zwei Millionen Häuser oder 1,1 Mio. Wartungsarbeiter und Raumpfleger ein Jahre lang beschäftigen können, das wären 100.000 Arbeitsplätze über zehn Jahre gewesen.

Wir erfahren zu wenig davon, weil alle Europäischen Staaten mit ihrer Rüstungsindustrie hier gesündigt haben. Ein Dauerbrenner in den Medien waren die drei U-Boote aus deutscher Produktion, die von einer Pannenserie heimgesucht wurden, was dazu führte, dass die in einem Trockendock lagen und auf die nächste Reparatur warteten. Der Gegner von A. Feinstein, Chippy Sahik musste das Land verlassen, nachdem Beweise auftauchten, dass er drei Mio US-Dollar von Thyssen Krupp als Bestechung kassiert hatte. Thyssen-Krupp sicherte sich damit den Vertrag über den Kauf der Fregatten.

Eine der Gestalten, die die fundamentalistischen Milizen in Afghanistan mit Waffen ausstattete, und dabei die Miliz des Hekmatyar besonders unterstützte, war der Generalmajor Prinz Turki bin Nasser bin Abdul Aziz Al-Saud. Das System der Saudis war nicht endenwollend. Es gab häufig oder zu großen Teilen Tauschverträge: Öl-gegen-Waffen. Deshalb so heißt es in einer Expertise: „Wenn Saudi Arabien Waffen von den Amerikanern haben will, aber der saudische Verteidigungshaushalt diese Ausgabe gerade nicht erlaubt, dann können die Saudis trotzdem kaufen“. Zu den Al-Yamamah Leuten sagen sie: ‚Hier habt ihr Öl, teilt das unter euch auf!“

Dass solche Deals natürlich die Kontrollmöglichkeiten des amerikanischen Kongresses in Bezug auf Waffenexporte total untergraben, war klar. Aber selbst der Anwalt von Prinz Bandar, dem zweiten großen Kaufmagnaten der Saudis, Louis Freeh, der selbst 1993 bis 2001 Direktor des FBI war, fand bei einem Hearing nichts dabei.

Der Autor zitiert ihn: „Wenn seine Majestät, der König von Saudi Arabien und der Minister für Verteidigung, der sein Vater ist, sowie der Ölminister und der Finanzminister, wenn die sich alle einig sind, was von wem ausgegeben wird, wie sie es ausgeben. Was geht dann das die Vereinigten Staaten an? Also wirklich nichts“. Dass ein ex-Direktor des FBI eine solche Handlung und Praxis verteidigt, ist schon befremdlich. Das zeige die Besonderheit der Beziehungen zwischen der US-Politik und der saudischen Königsfamilie.

Diese Einstellung ist in dem Buch am Ende einer der reichen inhaltsschweren Kapitel von Prinz Bandar so zusammengefasst: „Wie kommen Sie dazu, mir Vorhaltungen zu machen? Ich sehe hier in den USA ständig Skandale. Wen kratzt es? Wir haben die Korruption nicht erfunden. Die gibt es seit Adam und Eva. Adam und Eva waren erst im Himmel und hatten dort ihr Techtelmechtel und mussten deshalb auf die Erde herabsteigen. Also wirklich, so ist nun einmal die menschliche Natur. Und so schlecht, wie Sie denken, sind wir nicht“.

Das große „Saudi Connections“-Kapitel beginnt mit der Beschreibung der britischen Eisernen Lady bei ihrem Besuch in Riad. Sie habe einen so tiefen Knicks gemacht, „als wollte sie auf die Knie fallen“. Die Eiserne Lady, von der der saudische Prinz Bandar sagte, sie sei „ein ganzer Kerl. Sie ließ sich, so ist sie uns ja bekannt, selten zu unterwürfigen Gestern hinreißen. Bei ihrer Ankunft 1985 in Saudi Arabien, also dem Land, in dem Frauen keine Autos fahren und nicht neben Männern auf einer Bank sitzen dürfen und die auch keinerlei politische Betätigung haben dürfen, war sie, die Iron Lady nur zu gern bereit, sich vor der königlichen Familie in Bescheidenheit zu üben.

Warum? Die Saudis standen vor dem Abschluss des berüchtigten Al-Yamamah Vertrage, der den gerade erst privatisierten Britisch AErospace Konzern vor dem Kollaps bewahren sollte und zwar mit dem größten Rüstungsgeschäft aller Zeiten. Der Vertrag brachte dem Konzern 43 Milliarden Pfund ein, für die Lieferung von 96 Panavia-Tornado Jagdbomber, 24 Panavia-Tornado-Abfangjäger, 50 BAE-Hawks, 50 Pilatus-PC-9-Flugzeuge sowie speziellen Marineschiffen, Raketen, Granaten sowie der dazugehörigen Infrastruktur. Als Gegenleistung lieferten die Saudis 400.000 Barrel Öl am Tag.

Das Geschäft war auch eine Art Rache gegenüber den USA. Denn die Saudis hatten vergeblich versucht, die F-15-Kampfflugzeuge von den USA zu bekommen. Die jüdische Lobby Organisation AIPC hatte das Geschäft zu verhindern gewusst. Deshalb ging es nur noch um Frankreich, das 1984 kurz vor dem Abschluss stand, aber Thatcher bekam en Zuschlag. Die Eiserne Lady unterbrach ihren Urlaub in Salzburg für den Deal. Der junge Saudi Prinz Bandar kam eigens zu ihr mit einem Schreiben von König Fahd, in der dieser sich für den Kauf der Tornados aussprach. Thatchers Reaktion war nur: „Abgemacht!“ Die Korruption, die daraus sich in verschiedenen Formen und Ebenen ungeniert ausbreitete, musste man tragen. Das werden die Deutschen auch noch als Folge des Panzers Deals über 170 Leopard Panzer erleben.

Man kann dieses Buch natürlich nicht ansatzweise resümieren, im Gegenteil. Es ist ein Kompendium. Aber man wird das Buch nicht mehr wegkriegen können. Es zeigt uns wie in einem Spiegel die Realität unserer westlichen Politik. Es ist von einer Dichte der zuverlässigen Information, dass einem zu Ende die Haare zu Berge stehen, wenn man sie noch hat. Es sind wuchtige, glänzend recherchierte Kapitel. Man spürt, wie viel an Kenntnis der südafrikanischen und afrikanischen Waffenschmugglerwelt der Autor aus Kapstadt mitbringt.

Das erste Kapitel beschreibt das zweitälteste Gewerbe der Welt: „Wer zahlt hat recht“, gilt als die durchschlagene Prämisse. Das zweite Kapitel beschreibt die Nachfolgen schöner Aufträge, wie eben das Al Yamamah Vertrages. Die Saudi Connection ist wahrscheinlich das eindrucksvollste Kapitel, denen aber das Kapitel Diamanten und Waffen über den vor dem Internationalen Gerichtshof in den Haag angeklagten Liberia Staatschef Charles Taylor in nichts nachsteht. Das dritte Kapitel ist überschrieben: Business as usual“.

Im Osten nichts Neues – Feinstein beschreibt den Zusammenbruch der größten Waffenproduzierenden Nationen und Staaten in Osteuropa. Das längste Kapitel vier ist der Waffensupermacht USA gewidmet  Im Fünften beschreibt Feinstein die aktuellen Schlachtfelder auch und gerade in Afrika. Das sechste Kapitel sucht einen Ausweg: „Der Welt Frieden bringen, aber wie?“

Im Motto des Buches wird ein wahrer Satz des US-Autokönigs Henry Ford zitiert: „Sage mir, wer vom Krieg profitiert, und ich sage Euch, wie man den Krieg beendet“.

Der globalisierte Handel mit dem Auslagern von Firmen und Produktionen gebiert Skandale, die hier in einer Fülle nebeneinander Platz haben, dass einem der Atem stockt. Was sich Rendite gierige US-Firmen alles einfallen lassen, ist unbeschreiblich, aber bei Feinstein beschrieben.

Bei den Kriegen in Afghanistan und im Irak ist der Verbleib ungezählter Waffen und riesiger Geldbeträge einfach nicht belegt. Feinstein hält fest: Das Pentagon kennt seit mehr als 20 Jahren keine Buchprüfung und habe kürzlich erklärt, es werde bis 2017 für eine Buchprüfung gerüstet sein. Das wieder sei eine Ankündigung, die eine parteiübergreifende Gruppe von Senatoren für nicht möglich hält. Feinstein: „Würden in einem Entwicklungsland solche Zustände herrschen, so erhielte es keine US-Entwicklungshilfe“.

Der Höhepunkt im Chaos des Beschaffungswesens gab es als man den Kauf von Munition für die afghanischen Sicherheitskräfte arrangierte. Man heuerte die Firma AEY in Miami Beach unter einem mehrfach vorbestraften Mann namens Efraim Diveroli an. Diveroli wollte die Munition so billig wie möglich einkaufen. Er fand heraus, dass die Preise in Albanien am günstigsten waren. Es wimmelte in dem Land von Waffen und ein großer Teil war aus chinesischer und vorher sowjetischer Produktion.

Nach Ende des Kommunismus verlegte sich der albanische Geheimdienst auf den Schmuggel zur Versorgung der italienischen Mafia, auch palästinensischer und irischer Terroristen. In Gerdec wurde unter abenteuerlichen Bedingungen eine Fabrik aufgebaut, in der diese Munition umgewidmet wurde. Diveroli konnte also für 100 Projektile einen Preis von 22 US-Dollar festmachen. Man musste für Afghanistan allerdings die Munition neu verpacken.

Die Händler wussten, dass sie Projektile nach Afghanistan schicken würde, die teilweise 40 Jahre alt, schadhaft und unbrauchbar waren und aus chinesischer Produktion. In Gerdec wurden 60 Mio Projektile aus Jahrzehnte-alten Kisten geholt, gereinigt, neu verpackt, um 36 Lieferungen falsch bezeichneter Geschosse für Afghanistan zusammenzustellen. Es kam zu einem Besuch des Journalisten Nick Wood von der New York Times in Albanien, aber sein Bericht verhinderte diesen katastrophalen, allen Standards und Menschenrechten Hohn sprechenden Vorgang.

Am 15. März 2008 am es zu einer wahnsinnigen Explosion in Gerdec, wo sich dutzende unqualifizierter Arbeiter tummelten, die gern gutes Geld verdienen wollten. „Die Arbeit war gefährlich. Ein Arbeiter erzählte, dass die Projektile manchmal explodierten und die Maschinen in Brand gerieten. Die Geschosshülsen und das Schießpulver waren leicht zu entfernen“. Aber dann trafen 55 Tonnen großkalibriger Granaten ein. Dann wurden noch weitere 460 Tonnen Granaten in Gerdec abgeladen.

„Sämtliche verfügbaren Behälter und ein Großteil der größten Werkshalle waren mit Sprengstoff gefüllt, der in nicht versiegelten Plastiksäcken auf einer Freifläche herumlag, auf der die Arbeiter mit dem Zerlegen der Granaten beschäftigt waren“. Es gab eine Riesenexplosion. Mehr als 300 Menschen verletzt, 318 Häuser wurden vollkommen zerstört, fast 400 weitere beschädigt. Es wären noch viel mehr verletzt oder getötet worden, wären nicht viele Menschen außerhalb von Gerdec gewesen.

Ein wichtiges Buch, – ich muss einige meiner politischen Erkenntnisse und Meinungen nach der Lektüre revidieren. Wenn man erfährt, dass das Ende des Kalten Krieges nichts mit der Friedensdividende, sondern mit völlig unsinnigen und Korruptionsbeladenen Aufträgen für die westliche Rüstungsindustrie verbunden war für die Beitrittsländer von Polen bis Rumänien, dann wird einem dieses Datum noch einmal mehr fragwürdiger. Denn ganz eindeutig war das Begehren, dass die Gewehre und Munition des NATO Paktes einheitlich werden müssen, eine von der Rüstungsindustrie befeuerte total unsinnige und Kostenträchtige Forderung.

Das Buch sollte in einzelnen Kapiteln dem Waffenexportauschuss der Bundesregierung und dem Bundestagsausschuss vorgelesen werden – aus Sorge, das MdBs keine Bücher oder wenn überhaupt, dann nicht so dicke lesen werden.

Quelle

Rupert Neudeck 2012Grünhelme 2012

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