Alternative Reaktorkonzepte lösen das Endlagerproblem nicht
Eine neue wissenschaftliche Studie im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zeigt: Die Markteinführung von alternativen Reaktorkonzepten (auch als „Generation IV“ bezeichnet) ist aktuell nicht absehbar.
„Trotz teils intensiver Werbung von Herstellern sehen wir derzeit keine Entwicklung, die den Bau von alternativen Reaktortypen in den kommenden Jahren in großem Maßstab wahrscheinlich macht. Im Gegenteil: Wir müssen erwarten, dass aus sicherheitstechnischer Sicht die möglichen Vorteile dieser Reaktorkonzepte von Nachteilen und den nach wie vor ungeklärten Fragen überwogen werden“, sagt BASE-Präsident Christian Kühn und betont: „Die Konzepte lösen weder die Notwendigkeit, ein Endlager für die radioaktiven Abfälle zu finden, noch die drängenden Fragen des Klimaschutzes.“
Die alternativen Reaktorkonzepte, darunter auch SMR, werden zudem häufig mit der Hoffnung verknüpft, dass damit Sicherheitsrisiken und Entsorgungsprobleme der Kernkraft vermindert oder gar gelöst werden könnten. Um dies zu überprüfen, hat das BASE die Studie „Analyse und Bewertung des Entwicklungsstands, der Sicherheit und des regulatorischen Rahmens für sogenannte neuartige Reaktorkonzepte“ in Auftrag gegeben. Die wissenschaftliche Arbeit wurde vom Öko-Institut, der Technischen Universität Berlin sowie dem Physikerbüro Bremen (PhB) durchgeführt.
„Kein alternativer Reaktortyp würde ein Endlager überflüssig machen“
Dazu wurden sieben international seit vielen Jahren diskutierte Technologielinien für alternative Reaktorkonzepte untersucht, die zuweilen auch als „Reaktoren der vierten Generation“ bezeichnet werden. Mit darunter sind beispielsweise die sogenannten blei- und gasgekühlten Reaktoren, Salzschmelzereaktoren oder beschleunigergetriebene Systeme. „Wer heute Euphorien in Verbindung mit alternativen Reaktorkonzepten weckt, blendet offene Fragen und Sicherheitsrisiken aus. Im Hinblick auf die Sicherheit der nuklearen Entsorgung bleibt festzuhalten, dass kein alternativer Reaktortyp den Bau eines Endlagers überflüssig macht“, betont BASE-Präsident Kühn.
Nach Ansicht ihrer Entwickler sollen die Reaktoren der IV. Generation gegenüber heutigen Kernkraftwerken Vorteile bei der Brennstoffausnutzung, Sicherheit und Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit sowie nuklearer Nichtverbreitung (Non-Proliferation) bieten. Ein weiterer Vorteil soll darin liegen, dass weniger hochradioaktive Abfälle entstehen oder gar bestehende Abfälle mit diesen Reaktoren entsorgt werden können.
Die in der Studie untersuchten Reaktorkonzepte wurden bzgl. ihrer Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Proliferationsresistenz oder des Brennstoffverbrauchs verglichen. Eine Betrachtung von sechs Ländern ergab: „Auch im internationalen Kontext stellen die alternativen Reaktorkonzepte weder den bisherigen Trend zu Leichtwasserreaktoren in Frage, noch stellen sie eine machbare, wirtschaftliche Option für zukünftige Energieversorgung dar“, sagt Christian von Hirschhausen von der TU Berlin. „Dies wird in der Studie anhand von sechs ausführlichen Länderstudien (USA, Russland, China, Südkorea, Polen, Belgien) ausgeführt. Insbesondere die USA, von denen in der öffentlichen Diskussion häufig die Rede ist, hat bei der Entwicklung von nicht-Leichtwasserreaktoren keine Durchbrüche erzielt bzw. sogar angekündigte Inventionen wieder zurückgenommen („Traveling Wave Reactor“).“
- Das vom BASE geförderte Forschungsvorhaben kommt zu folgenden Schlüssen – Resultate der Studie finden Sie hier
Fazit: Die in der öffentlichen Diskussion und von Entwicklern formulierte Erwartung, dass die alternativen Reaktorkonzepte einen signifikanten Beitrag zur Lösung der heutigen Probleme der Kerntechnik betragen können, kann angesichts des gegenwärtigen Entwicklungsstandes dieser Systeme und der tatsächlich nachgewiesenen und erwartbaren Vor- aber auch Nachteile der einzelnen Technologielinien damit insgesamt nicht als realistisch eingeschätzt werden.