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© Sonnenseite

Cool genug bei 38 Grad

Wenn Mark Zuckerbergs ganzer Stolz, das neue Rechenzentrum im schwedischen Lulea, im Jahr 2014 erstmals den Betrieb aufnimmt, dann werden die Stromnetze ringsum aufstöhnen. Sie müssen rund um die Uhr die energiemenge für ein großes Stahlwerk liefern. Große „Produktionsanlagen“ der Informationsindustrie sind in ihrem Energiehunger längst mit den Werken alter Rohstoffindustrien vergleichbar – die Server-Racks in den drei großen Hallen mit ihren 28.000 Quadratmetern wären gewissermaßen zu „Hochöfen des internet-Zeitalters“ geworden.

Stünde Zuckerbergs Anlage anderswo, wäre ihr Energiebedarf allerdings noch sehr viel höher. Denn es ist vor allem die problematische Kühlung althergebrachter Server-Farmen, welche große Internetfirmen an den Polarkreis lockt. Die kalte Nordpolarluft erspart ihnen Millionen von Dollar an Kühlungskosten. Weshalb zum Beispiel auch ein Großverbraucher wie Google gleich nebenan im finnischen Hamina zu finden ist.

Beide Firmen werben natürlich mit der sauberen Wasserkraft, aus der sie ihren Strom beziehen. Nachhaltig sind ihre Rechenzentren trotzdem keinesfalls. Der Stromverbrauch in solchen Rechenzentren wurde nie optimiert, die Klimaanlagen sind noch immer auf mythenumwobene „Hotspots“ in den Platinen ausgelegt, die Serverarchitektur wurde nirgends modifiziert. Im Grunde haben solche Internet-Riesen ihre Steinzeit-Anlagen mit dem gigantischen Stromverbrauch nur in kältere Regionen verlagert, dorthin, wo zugleich viel Elektrizität aus regenerativen und viele Fördergelder aus staatlichen Quellen fließen.

Wüstenwind hält kühl

Ganz anders verfährt die Intel Corporation. Der amerikanische Chip-Riese hat modellhaft ein gleichfalls gewaltiges Rechenzentrum in die Wüste von New Mexico gepflanzt. Von Nordpolarluft ist dort nichts zu spüren, dort weht nur der heiße Wüstenwind – damit gibt es auch keine klimatisierungstechnischen Windfallgewinne. Trotzdem gelingt es Intel, 67 Prozent zuvor benötigter Energiekosten zu sparen, vor allem durch den Verzicht auf jede zusätzliche Kühlung.

In 95 Prozent der Weltregionen, sagt Intel, könnten Rechenzentren einfach durch die Außenluft gekühlt werden. Allerdings nur, wenn sich die Technik von dem Dogma verabschiedet, dass Prozessoren in jenen Temperaturbereichen besonders rund laufen, die auch der Mensch als angenehm empfindet. Nahezu das Gegenteil sei der Fall – je größer die Temperaturgegensätze, desto störanfälliger sei auch das System. Intel fährt seine Server in New Mexico heute bei knapp 100° Fahrenheit, was im europäischen Maßstab einer Temperatur etwas unter 38° Celsius entspricht. Die Botschaft Intels an die Welt fasste der ‚San Francisco Chronicle‘ am 13. Dezember 2011 so zusammen: „Intel to computer industry – 100 degrees isn’t hot“.

Zwei große Unternehmen – zwei völlig unterschiedliche Konzepte, aber ein gemeinsames Problem: Die rasant steigenden Energiekosten! Facebook führt seine energiehungrigen Server auf die fetten Weiden, dorthin, wo Energie noch reichlich und kühle Luft im Überfluss vorhanden ist. Intel versucht dagegen den energiehunger der Server durch „artgerechte Haltung“ zu stillen – was sicherlich der nachhaltigere Weg ist.

Rechenzentren so energiehungrig wie Staaten

1,5 Prozent des Weltenergieverbrauchs fließen zurzeit in Rechenzentren, schon im Jahr 2014 sollen es drei Prozent sein. Das entspricht einer Verdoppelung alle zwei Jahre. 26 Milliarden US-Dollar an Energiekosten weltweit verbraucht allein die Kühlung dieser Rechner jährlich. Davon lassen sich ganze Staaten betreiben. Was dies bei einer solchen Verdoppelungsrate und bei galoppierenden energiepreisen für die Betreiber von kostenintensiven Server-Farmen bedeutet, mag sich jeder selbst ausrechnen.

Die Klimatisierung lässt sich bei den derzeitigen Gegebenheiten nie ganz einsparen. Aber die dann genutzte „intelligente Außenluftklimatisierung“ – bisher die kostengünstigste und intelligenteste Variante – kann weitere Probleme lösen, die nicht mehr direkt im Rechenzentrum zu suchen sind. So betreibt beispielsweise die Bremer erecon AG im Überseehafen ein energieintelligentes Rechenzentrum, das – wie im Falle von Intel – zwei Drittel zuvor benötigter Energie schlicht einspart. Hinzu kommt dort aber noch der Wegfall jeder Heizung für angrenzende Räume. Denn die kühle Außenluft  erwärmt sich bei der Klimatisierung, sobald sie die modernen Blade-Server passiert. Mit ihrer Hilfe erzeugt die erecon AG dann über das Entlüftungs-system mit Wärmetauschern in ihren offenen Büroräumen eine durchgängig angenehme Temperatur, selbst an kalten Wintertagen. Die jährliche Heizkosten-rechnung entfällt komplett.

Immer ist es eine Kombination intelligenter Maßnahmen, die bei der Umsetzung moderner Green IT das Maximum an klimatechnischer Wirksamkeit entfaltet. Zusätzliche Kühlungen, über eine Außenluft kühlung hinaus, sind nur in den seltensten Fällen noch nötig, der Bedarf dafür nimmt kontinuierlich ab, solange man nicht wie bei Facebook auf Brute-Force-Technologien setzt, fern von jeder Green IT.

Die Virtualisierung von Rechenzentren ersetzt heute zunehmend die energiehungrige „Silo-Architektur“ alten Stils, die Parallelverarbeitung sorgt dafür, dass weniger Halbleiterschaltkreise periodisch „aufglühen“ müssen, auch die Dämmung und generell die Baukonstruktion sollte schon bei der Planung der Klimatisierung eines Rechenzentrums bedacht werden. Die Zweitnutzung der Kühlung, die Überwachung, ein flexibles Energiemanagement, das „just in time“ verfährt… all dies sind weitere Maßnahmen, die den Erfolg der Green IT bei der Konzepti on eines energieeffizienten Rechenzentrums erst sicherstellen.

Nachhaltigkeit erhöht Betriebssicherheit

Paradoxerweise ist ein nachhaltig konstruiertes Green IT- Rechenzentrum dann immer auch das betriebssichere Rechenzentrum. Gleichmäßig kalorisch belastete Bauteile sind allemal diejenigen, die auch besonders langlebig sind, weil gleichmäßig hohe Temperaturen – so die Intel Corp. – eine digitale Technik störungsfreier und wartungsärmer funktionieren lassen. Zwischen Green IT und Energieeffizienz einerseits, dem Kostengesichtspunkt und der Rentabilität andererseits und letztlich eben auch der Betriebssicherheit und Störungsfreiheit bestehen keinerlei Widersprüche, das eine ist vielmehr die Voraussetzung des anderen.

In Zukunft  werden wir zu weiter miniaturisierten Chips gelangen, die je Rechenaufgabe wesentlich weniger Energie benötigen, was zugleich die Temperaturen im Core-Bereich weiter sinken lässt. Andere hitzeproduzierende Baukörper – wie bspw. die Netzteile – können bei sinkendem Strombedarf ebenfalls energiesparender ausgelegt werden. Auch der zunehmende Einsatz masseloser Speichermedien trägt positiv zur Energiebilanz bei. Das große Dogma aber, dass es in Rechenzentren kühl zu sein hat, das wird weiter erodieren. Der neue Standard werden Rechenzentren, die auch in wärmeren Regionen dieser Welt nur auf der Basis einer Außenluftkühlung arbeiten. Die Kosten der Klimatisierung beschränken sich dann auf die Luftzufuhr und auf eine intelligente Nutzung der gewonnenen Abwärme.

Was hingegen Facebook in Nordschweden betreibt, ist klimatisierungstechnisch gesehen – pure IT-Steinzeit und informationstechnisches Dinosauriertum. Kühle Köpfe rechnen heute schon mit den wärmeren Rechenzentren der Zukunft.

Quelle

forum – Nachhaltig Wirtschaften 2012Harald Rossol 2012

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