Internationaler Klimaschutz: „Das Fenster schließt sich“
UN-Organisationen warnen vor der Klimaschutz-Lücke, die das 1,5-Grad-Ziel unerreichbar macht.
Die Zeit für schrittweise Änderungen sei inzwischen vorbei. Deutschlands Außenministerin Baerbock setzt unterdessen die Erwartungen an den kommenden Klimagipfel denkbar niedrig an.
Die Weltgemeinschaft hat 2015 bei der Verabschiedung des Pariser Klimavertrages beschlossen, das Aufheizen des Planeten bei maximal zwei Grad zu stoppen, besser aber bei 1,5 Grad. Aktuelle Bilanzen der UN und der Internationalen Energieagentur IEA zu den nationalen CO2-Plänen – Fachkürzel: NDCs – und zur Energiepolitik der Regierungen weltweit zeigen: Dieses Ziel wird weit verfehlt, wenn die Länder nicht radikal nachsteuern.
Klar ist: Die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits ist schon fast außer Reichweite. Allerdings könnte Putins Energiekrieg dem klimafreundlichen Umbau des Energiesystems einen Push geben.
Das UN-Umweltprogramm Unep in Nairobi warnte Donnerstag mit drastischen Worten vor einer Fortsetzung des unzureichenden Klimaschutzes: „Das Fenster schließt sich“ – so der Titel des „Emissions Gap Report 2022“.
Unep-Chefin Inger Andersen sagte: „Wir hatten unsere Chance, schrittweise Änderungen vorzunehmen, aber diese Zeit ist vorbei. Nur eine tiefgreifende Umgestaltung unserer Wirtschaft und Gesellschaft kann uns vor einer sich beschleunigenden Klimakatastrophe bewahren.“
Der Report zeigt, dass die bisherigen Klimaschutzpläne der knapp 200 Unterzeichnerstaaten des Paris-Vertrags darauf hinauslaufen, dass sich die Erde bis 2100 um 2,4 bis 2,6 Grad erwärmt. Zum prinzipiell gleichen Ergebnis – 2,5 Grad – war der am Mittwoch vorgelegte Bericht des UN-Klimasekretariats in Bonn gekommen. Würden nur die bereits zu aktueller Politik gewordenen Pläne fortgesetzt, wären es sogar 2,8 Grad.
Zwar könnten laut Unep theoretisch auch 1,8 Grad erreicht werden, dann nämlich, wenn auch die (zumeist noch unverbindlichen) Ankündigungen von Staaten wie den USA, China und der EU umgesetzt werden, bis 2050 oder 2060 Klimaneutralität zu erreichen. Es gebe also „noch Hoffnung“, so die Organisation.
Sie schränkt aber ein: „Allerdings ist dieses Szenario aufgrund der Diskrepanz zwischen den derzeitigen Emissionen, den kurzfristigen NDC-Zielen und den langfristigen Netto-Null-Zielen derzeit nicht glaubwürdig.“
Nur wenige Länder wollen mehr tun
Das 1,5-Grad-Limit gilt als Sicherheitslinie, um wichtige Kipppunkte des Weltklimasystems zu vermeiden. Um diese Grenze zu halten, müssten die globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 gegenüber dem Stand von 2010 halbiert werden, so der Weltklimarat IPCC. Bisher hat sich die Erde bereits um rund 1,2 Grad erwärmt, mit schon jetzt katastrophalen Folgen in vielen Weltregionen.
Das Unep betont denn auch nun: Um auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen, müssten die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Wert gesenkt werden, der bei Fortsetzung der derzeitigen Politik zu erwarten ist. Um das Zwei-Grad-Limit halten zu können, ist laut dem Report eine Senkung um 30 Prozent nötig.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!