Verpacken oder nicht
Wie hängen Lebensmittelverschwendung und Verpackungen zusammen? Ein Interview mit Philipp Sommer, Stellv. Leiter für Kreislaufwirtschaft bei der DUH.
Lebensmittelverschwendung ist in den letzten Jahren zu einem immer dringlicheren Problem geworden. Aber anders als die Plastikhersteller manchmal behaupten, sind immer mehr Verpackungen nicht die Lösung dafür, dass viel zu viele Lebensmittel in die Tonne wandern.
Plastikschalen, Klarsichtfolie, Obstnetze – sind wir Deutschen im Verpackungswahn?
Steht man am Supermarktregal könnte man durchaus diesen Eindruck bekommen. Mittlerweile werden teilweise selbst einzelne Bananen in Plastik verpackt – da muss man sagen: das ist absurd. Plastikhersteller tragen also auch eine Mit-Verantwortung für den enormen Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Produktion von Plastik. Das geht dann weiter mit der Problematik bei der Entsorgung bis hin zum Plastikmüll in den Ozeanen. Hier in Deutschland verursachen wir so viel Verpackungsabfall wie sonst nirgendwo in Europa. Ganze 220 Kilogramm pro Kopf und Jahr – davon sind etwa 37 Kilogramm Plastik.
Ist Verpackung nicht auch sinnvoll, damit Lebensmittel länger haltbar bleiben?
Das ist ein typisches Argument der Plastikhersteller, dass man die Verpackung bräuchte, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Natürlich kann sich die Haltbarkeit von einem Steak durch die Verpackung verlängern. Geändert hat dies aber wenig. Denn während sich der Verbrauch von Plastikverpackungen in den letzten 10 Jahren etwa um ein Drittel erhöht hat, hat sich die Lebensmittelverschwendung ebenfalls verschlimmert. Es ist immer noch so, dass von den aufwändig hergestellten Lebensmitteln am Ende nur etwa zwei Drittel auf unserem Teller landet und ein Drittel in der Tonne. Dabei müssten Obst und Gemüse teilweise überhaupt nicht verpackt werden und auf Seiten der Getränke gibt es längst umweltschonende Mehrweg-Alternativen.
Das heißt, wir haben mehr Verpackungen und gleichzeitig mehr Lebensmittel, die weggeschmissen werden?
So ist es. Tatsächlich gibt es auch Fälle, wo die Verpackung am Ende zu mehr Lebensmittelverschwendung führen kann. Zum Beispiel werden Orangen häufig in Netzen mit einem breiten Plastiketikett verpackt. Wenn jetzt eine Orange schimmelt, wird vom Supermarkt gleich das ganze Netz aussortiert und weggeschmissen. Im besten Fall spendet es der Markt noch an soziale Organisationen. Wären die Orangen lose, könnten die mit Schimmel ganz einfach einzeln aussortiert und die guten weiterhin verkauft werden. Außerdem führen durch die Verpackung festgelegte Produktmengen wiederum dazu, dass ich mehr kaufe, als ich eigentlich gebraucht hätte – etwa bei einem 2 kg Plastikbeutel mit Kartoffeln. Das führt dann auch schnell dazu, dass der Rest weggeschmissen wird.
Am Ende kann einem durch die Verpackung auch das „Gefühl“ für das Lebensmittel abhandenkommen. Das kann dazu führen, dass man es weniger wertschätzt und weniger auf seine Sinne vertraut. Anstatt mit Augen, Nase und Mund zu prüfen, ob etwas noch gut ist, wird es einfach weggeschmissen, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Verpackung erreicht ist.
Quelle
Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2018 | © Heidi Scherm – ein Interview mit Philipp Sommer, Stellv. Leiter für Kreislaufwirtschaft bei der DUH.