Wenn der Klimawandel Angst macht
Der Klimawandel macht die Menschen krank. Betroffen ist aber nicht nur der Körper, sondern auch die Seele. Insbesondere häufige Extremwetterereignisse wie Fluten und Dürren belasten die Psyche vieler Menschen.
Allein schon das Bewusstsein für den Klimawandel kann negative Folgen für das seelische Wohlbefinden haben. Das belegt nun eine Umfrage der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) mit Unterstützung der mkk – meine krankenkasse unter rund 4.500 Studierenden in Deutschland.
Die Einstellungen der Menschen zum Klimawandel sind ein Politikum. Auf der einen Seite wird von „Klima-Hysterie“ gesprochen, auf der anderen Seite werden Unwissenheit und Desinteresse beklagt. Die HAW Hamburg hat in diesem Spannungsfeld die Auswirkungen des Klimawandels auf das seelische Wohlbefinden von Studierenden untersucht. „Es ist bundesweit die erste Studie dieser Art“, so Prof. Dr. Walter Leal, Leiter des Forschungs- und Transferzentrums Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement (FTZ-NK) der HAW Hamburg, der die Studie verantwortet. Ziel war es, das Ausmaß der psychischen Belastung von Studierenden im Zusammenhang mit dem Klimawandel sowie deren Unterstützungsbedarf zu erfassen.
54,4 Prozent der Befragten schätzten ihre psychische Gesundheit als „gut“ oder „sehr gut“ ein, 45,4 Prozent als mäßig bis sehr schlecht. Dieser Anteil war besonders hoch bei diversen Personen (86,4 Prozent) und anderen Geschlechtsidentitäten (76,5 Prozent). „Gemessen mit einem validierten Screening-Instrument für Depressivität und Angststörungen zeigte sich bei 28,6 Prozent der Teilnehmenden tatsächlich eine psychische Belastung, wobei Frauen (30,5 Prozent) und diverse Menschen (63,5 Prozent) stärker betroffen waren als Männer (22,1 Prozent)“, erklärt Studienautorin und Gesundheitswissenschaftlerin Juliane Stolz von der HAW Hamburg.
Gut die Hälfte der Teilnehmenden litt unter Klimawandelangst, wiesen auf der CCA-Skala (Climate Change Anxiety Scale) also einen Wert von 21 oder höher auf. Frauen (57,6 Prozent) und diverse Personen (80,5 Prozent) waren überdurchschnittlich davon betroffen. Bei 42,2 Prozent aller Teilnehmenden war die Angst „stark bis extrem stark“. Mehr als die Hälfte der Studierenden gab an, Hitzeperioden als psychisch belastend zu empfinden.
Einige Faktoren erhöhten dabei die Klimawandelangst deutlich. Größer waren die Sorgen bei jenen, die unter einer psychischen Erkrankung litten. Von stärkeren Belastungen berichteten zudem eher Personen, die davon überzeugt waren, dass der Klimawandel real und menschengemacht ist, deren Verhalten massiver vom Klimaschutz-Motiv geprägt ist oder die ein Extremwetterereignis selbst erlebt hatten.
„Und es gab noch weitere Einflussfaktoren“, sagt Studienautorin Stolz: Je häufiger die Befragten Informationen zum Klimawandel konsumierten, umso höher war ihre psychische Belastung. „Dieser Zusammenhang kann aber auch so interpretiert werden: Je besorgter die Studierenden waren, umso häufiger konsumierten sie solche Themen.“ Das Gleiche gilt für die Informationswege: Je mehr genutzt wurden, desto besorgter waren die Befragten. Und umgekehrt: Je größer die Klimawandelangst, umso mehr Informationswege wurden zurate gezogen.
„Die Umfrage zeigt: Die Angst vor dem Klimawandel unter Studierenden ist real, ihr Ausmaß ist abhängig von individuellen Faktoren“, fasst Gesundheitswissenschaftlerin Stolz zusammen. Allerdings sei die Aussagekraft der Umfrage eingeschränkt. „Unsere Stichprobe ist zwar groß und vielfältig, aber nicht repräsentativ“, erklärt sie. Darüber hinaus beeinflusse der große Anteil der weiblichen Teilnehmenden die Durchschnittswerte der Gesamtstichprobe.
„Mehr als 60 Prozent Frauen haben an der Befragung teilgenommen. Sie verzerren das Gesamtbild, da bei ihnen höhere psychische Belastungen und Klimawandelangst gemessen wurden als bei den männlichen Studierenden. Auch die freiwillige Online-Befragung könnte die Ergebnisse verfälscht haben, da möglicherweise besonders Interessierte teilnahmen. Und schließlich werden nur Korrelationen aufgezeigt, keine Kausalitäten. Weitere Forschung und Unterstützungsangebote sind daher notwendig, um die psychische Gesundheit von Studierenden im Kontext des Klimawandels zu untersuchen und zu stärken“, so Juliane Stolz.
Auf Basis der Umfragedaten entwickeln Krankenkasse und Hochschule neue Präventionsprogramme für die Verbesserung der psychischen Gesundheit, um Studierende zu unterstützen. „Denn der Klimawandel braucht handlungsfähige Menschen“, sagt Andrea Galle, Vorständin der mkk – meine krankenkasse. „Angesichts der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels benötigen auch Studierende eine widerstandsfähige Psyche, damit sie die Herausforderungen des Alltags auf lange Sicht meistern können.“
Source
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) 2025