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Emissionen von Europas Fleischwirtschaft steigen

Alle wollen weniger Klima-Emissionen. Getan wird in Europas Fleisch- und Milchwirtschaft aber wenig. Dazu wird noch geschummelt.

Ein guter Teil des weltweiten Klimagasausstosses entfällt auf die Produktion von Lebensmitteln. Vor allem die Herstellung und Verarbeitung von Fleisch und Molkereiprodukten fällt schwer ins Gewicht. Der Treibhausgasausstoss der grössten Fleisch- und Molkereikonzerne Europas wie Tönnies und Danish Crown ist grösser als derjenige von ganz Dänemark oder den Niederlanden.

Der Konsum von Fleisch und von anderen Tierprodukten muss markant sinken, wenn Europa seine Klimaziele erreichen will. Dazu müssen die Hersteller ihren Fussabdruck drastisch verkleinern. Von 2015 bis 2018 hat er aber sogar noch zugenommen.

Der Konsum von Fleisch und Milch muss sinken

Eine im Dezember 2021 veröffentlichte Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des «Institute for Agriculture and Trade Policy» (IATP) in Minneapolis hat untersucht, wie die Lebensmittelkonzerne dazu stehen und welche Ambitionen sie in Bezug auf das Klima haben. Für seine detaillierte Analyse «Emissions Impossible Europe» berechnete das IATP die Klimaemissionen der 35 grössten Fleisch- und Molkereikonzerne mit Hauptsitz in der EU und der Schweiz. Eine umfangreiche Aufgabe, denn die meisten dieser Unternehmen veröffentlichen keine oder keine vollständigen Klimabilanzen.

Zusammen verursachten diese Unternehmen 2018 sieben Prozent der gesamten EU-Klimaemissionen. Fleisch und Milch werden in Europa grösstenteils in den Flächenländern Deutschland, Frankreich und Spanien produziert.

86 Prozent der Fleisch- und Milchprodukte in der EU werden in zehn Ländern produziert. (Daten: Eurostat November 2020) © IATP
Nur wenige Konzerne haben klare Klimaziele

Sehr eilig scheinen es die Lebensmittelkonzerne mit der Klimafreundlichkeit demnach nicht zu haben. Von den 35 Unternehmen, deren Emissionen das IATP berechnet hat, hat es 20 genauer untersucht. Zehn davon haben Klimaziele bekanntgegeben, einige wenige haben Null-Emissions-Pläne. Zusammen sind die Emissionen dieser 20 Konzerne so gross wie die des italienischen Energieversorgers ENI.

Die Emissionen der 20 grössten Milch- und Fleischverarbeiter Europas sind so gross wie die des italienischen Energiekonzerns ENI (CO2-Äquivalente in Tonnen) © IATP

Nur drei Konzerne (Nestlé, FrieslandCampina, ABP) haben sich bisher dazu verpflichtet, den Treibhausgasausstoss aus der Tierhaltung zu verringern, wo laut dem IATP 90 Prozent der Emissionen anfallen. Darunter ist nur das irische Unternehmen ABP ein Fleischverarbeiter.

Kein einziges Unternehmen veröffentlicht das gesamte Ausmass seiner Emissionen oder strebt ein klares Klimaziel an. Besonders die deutschen Konzerne wie der Fleischverarbeiter Tönnies haben Nachholbedarf. Ihre Emissionen gehören zu den höchsten der EU. Was nicht bedeutet, dass es keine Zielsetzungen gibt, nur sind diese oft schwammig und mal mehr, mal weniger transparent.

Die meisten Treibhausgase fallen in der Lieferkette an

Das IATP unterscheidet grundsätzlich drei Arten von Emissionen:

  • direkte Emissionen aus Gebäuden, Büros, Fabriken und Maschinen. Je nach Rechenart und Unternehmen auch die Nutzung von Biogas, Transportemissionen und der Methanausstoss von Vieh.
  • indirekte Emissionen durch zugekaufte Elektrizität, Heizung und Kühlung
  • Emissionen aus den Lieferketten wie Futtermittelproduktion, Düngemittelproduktion, Landnutzung und Emissionen des Viehs.

Die meisten Treibhausgase fallen naturgemäss in der Lieferkette an. Vier Unternehmen, nämlich Arla, Danone, FrieslandCampina und Nestlé, veröffentlichen den Klimagasausstoss in der Lieferkette. Mit Nestlé und Danone berichten nur zwei über Emissionen speziell aus der Tierhaltung. Nur drei (Nestlé, FrieslandCampina and ABP) haben angekündigt, Emissionen in der Lieferkette zu reduzieren.

Lob und Kritik am Schweizer Konzern Nestlé

Den Schweizer Konzern Nestlé trifft dabei sowohl Lob wie Kritik. Zusammen mit dem französischen Danone gehöre er zu den Musterschülern in Sachen Klimatransparenz, lobt das Institut in Minneapolis. Nestlés Kommunikation der angestrebten Klimaziele sei allerdings irreführend. Das Unternehmen beziehe die angestrebten Verbesserungen auf das zu erwartende Wachstum statt auf einen fixen Zeitpunkt, wie es normalerweise gemacht wird.

Nestlés Klimastrategie: Additive für Kühe und viele Bäume pflanzen

Im Detail sieht das so aus: 2018 produzierte Nestlé nach eigenen Angaben 113 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – das ist etwa so viel wie Belgien im gleichen Jahr (118 Millionen Tonnen CO2eq). Davon schliesst das Unternehmen aber nur 92 Millionen Tonnen in seine 1,5-Grad-Klimaziele ein. 21 Millionen Tonnen fallen also von Anfang an aus der Rechnung.

Das von Nestlé formulierte Ziel lautet «die Treibhausgase bis 2030 zu halbieren und 2050 bei netto Null zu sein». Erreichen will Nestlé dieses Ziel, indem es bis 2030 etwa 200 Millionen Bäume pflanzt, «regenerative Landwirtschaft» in den Lieferketten bevorzugt und Tieren Stoffe zufüttert, durch die sie weniger Methan ausstossen sollen.

Irreführende Berechnung durch Wachstumsprognosen

Bei normalem Unternehmenswachstum würde Nestlé nach eigenen Berechnungen bis 2030 ohne Klimaschutzmassnahmen 50,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausstossen – anderthalbmal so viel wie 2018. Verwirklicht der Konzern seine Klimaziele, werden die Emissionen in den Lieferketten der Milch- und Fleischproduktion bis 2030 auf 29,6 Millionen Tonnen sinken.

Nestlé verkauft das als Einsparung von «23 Prozent unseres Fussabdrucks von 2018». Dabei wird der Konzern seinen Klimagasausstoss in zwölf Jahren gerade um 4,8 Prozent reduziert haben. Sehr ambitioniert ist das nicht. Weil diese Rechnung doch sehr viele Zahlen enthält, als Grafik:

Nestlé berechnet seine Klimaziele anhand des prognostizierten Unternehmenswachstums statt in Bezug auf einen fixen Zeitpunkt. Das ist irreführend, sagt das IATP (Ergänzungen von Infosperber) © IATP

Neben Trägheit und fehlender Transparenz beklagt das IATP einige weitere irreführende Punkte in der Kommunikation der begutachteten Unternehmen. Dazu gehören die Verringerung der Emissionen pro Kilo oder pro Liter Produkt bei gleichzeitiger Produktionssteigerung, aber auch die Kompensation durch CO2-Zertifikate und die Verrechnung von CO2-Gutschriften für Flächen wie Wiesen.

Der Klimaeffekt von Futtermittelzusätzen, die den Methanausstoss der Tiere reduzieren sollen, sei noch nicht wissenschaftlich erfasst, bemängeln die Prüfer. Staatliche Anreize, die die Gewinnung von Methan als Biogas aus Gülle und Mist fördern, hält das IATP für kontraproduktiv, da diese die Massentierhaltung fördern und ausweiten.

An Regulierung führt kein Weg vorbei

Von der Massentierhaltung sollte die Lebensmittelbranche aber dringend abkommen, findet das Institut. Die industrielle Landwirtschaft ist die weltweit grösste Quelle von Methangas, das kurzfristig um ein Vielfaches schädlicher ist als Kohlendioxid.

Die EU und die USA setzen vor allem auf eine Verminderung dieses Gases, um die Klimabilanz zu verbessern. Bis 2030 sollen 30 Prozent weniger Methan ausgestossen werden. Technische Innovationen wie Futtermittel-Additive und Biogas-Produktion seien dabei zwar hilfreich. Wirkliche Veränderung brächte nach Ansicht des IATP aber nur die Verkleinerung der Herden, eine Verkürzung der Lieferketten und dezentralisiertere Lebensmittelproduktion. Ohne staatliche Regulierung sei dies nicht zu erreichen.

Die Konzerne sind ein Schlüsselelement fürs Klima
Die Großkonzerne der Fleisch- und Molkereiwirtschaft tragen einen guten Teil zum Klimawandel bei. © IATP

Der Politik stellt das IATP dabei ein eher schlechtes Zeugnis aus. Die Klimaeffizienz der Fleisch- und Milchwirtschaft Europas liege in der Hand von zehn Ländern: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden, Polen und Spanien. Deren Regierung handelten zu zögerlich in Bezug auf die grossen Konzerne.

Die Fleisch- und Milchkonzerne sind nach Ansicht des IATP ein Schlüsselelement für die Klimabelastung, und ihre Selbstverpflichtungen reichen nicht aus. Die Produzenten hätten aufgrund des grossen Drucks am Markt wenig Spielraum. Daran änderten auch staatliche Zuwendungen nichts. Kosten noch weiter auf die oft prekären Arbeitskräfte abzuwälzen, sei ebenfalls kaum möglich.


Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „INFOsperber.ch“ (Daniela Gschweng) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! 

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