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pixabay.com | Johannes Plenio | Kohlekraftwerk Neurath

© pixabay.com | Johannes Plenio | Kohlekraftwerk Neurath

Kohlebagger sollen ab 2030 ruhen, aber Lützerath abräumen

RWE-Konzern, Bundesregierung und NRW-Landesregierung verständigen sich darauf, den Kohleausstieg im Rheinland von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Die Laufzeit zweier Kraftwerke soll aber verlängert und der Ort Lützerath abgebaggert werden. Für die Umwelt- und Klimabewegung ist das ein fauler Deal.

Bei den Kohlegegnern in Nordrhein-Westfalen wie auch bundesweit hat die heutige Nachricht über das Vorziehen des Kohleausstiegs in der Region auf 2030 keinen Jubel ausgelöst, im Gegenteil. Knackpunkt bleibt, dass der umkämpfte Ort Lützerath nahe der Grube Garzweiler II trotzdem abgebaggert werden soll.

Julia Riedel von der Gruppe „Lützerath Lebt“, kündigte weitere Proteste an. Christopher Laumanns vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ sagte, wie schon im Hambacher Forst werde man im Interesse des Klimaschutzes Widerstand leisten – „auch mit unseren Körpern“. Die jüngste Entscheidung sei ein „Hinterzimmer-Deal mit RWE“ ohne den im NRW-Koalitionsvertrag von CDU und Grünen versprochenen transparenten demokratischen Prozess.

Die Bundesregierung, die nordrhein-westfälische Landesregierung und der Kohlekonzern RWE haben heute die Einigung vorgestellt. Danach sollen die beiden alten RWE-Blöcke Neurath D und E mit jeweils 600 Megawatt, die Ende 2020 eigentlich vom Netz gehen sollten, 15 Monate länger bis Ende März 2024 laufen – so lange, wie die akute Gas- und Strompreiskrise andauern soll.

Vorgezogen auf 2030 wird die Abschaltung eines 944-Megawatt-Blocks im RWE-Kraftwerk Niederaußem sowie der beiden modernsten RWE-Kohleblöcke in Neurath mit jeweils 1.060 Megawatt. Alle drei Stilllegungen waren erst für 2038 geplant.

Rechnerisch gehen damit rund 3.000 Megawatt Kohleverstromung acht Jahre früher vom Netz, während 1.200 Megawatt fast anderthalb Jahre länger Energie erzeugen.

Insgesamt sollen auf diese Weise laut den Angaben rund 280 Millionen Tonnen CO2 weniger emittiert werden. Das verbessert die deutsche CO2-Bilanz deutlich – allerdings tritt die Einsparung erst nach dem Jahr 2030 ein.

Zu den Mehremissionen der beiden länger laufenden RWE-Blöcke vor 2030 kommen auch noch die CO2-Mengen aus den fünf Kohleblöcken von RWE und der Lausitzer Leag, die derzeit wegen der drohenden Energiekrise nach und nach aus den Stilllegungen geholt werden.

Klimaziel für 2030 wohl nicht mehr zu schaffen

Das Gesamt-Klimaziel der Bundesregierung für 2030 ist damit offensichtlich weitgehend Makulatur, berücksichtigt man die ohnehin bestehende Emissionslücke im Verkehr von insgesamt 270 Millionen Tonnen.

Die Klimabewegung Fridays for Future kritisierte denn auch am Montag, dass das Wirtschaftsministerium noch immer keine Lösung habe, um das CO2 auszugleichen, das durch die verlängerte Laufzeit der beiden Kraftwerke zusätzlich ausgestoßen werde.

pixabay.com | herbert2512 | Kohleabbau Garzweiler_
© pixabay.com | herbert2512 | Kohleabbau Garzweiler

Zudem sei es laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auch in der Gaskrise nicht notwendig, die Kohle unter Lützerath zu verfeuern. Aus dem Tagebau Garzweiler II dürften danach nur noch maximal 70 Millionen Tonnen CO2 herausgeholt werden, um auf dem 1,5-Grad-Pfad bei der Erderwärmung zu bleiben.

Die NRW-Regierung plane jedoch nun, dort etwa 290 Millionen Tonnen abzubauen. Das mache die Einhaltung des deutschen Emissionsbudgets für die 1,5-Grad-Grenze unmöglich, so Fridays for Future.

Wie sich die CO2-Mengen beim Vorziehen des RWE-Kohleausstiegs auf 2030 wirklich entwickeln, ist auch deshalb unklar, weil als Ersatz für die 3.000 Megawatt Kohlestrom eine Reihe von neuen Gaskraftwerken gebaut werden soll, die dann so schnell wie möglich auf grünen Wasserstoff als Brennstoff umgestellt werden sollen.

RWE werde sich im Umfang von 3.000 Megawatt an den kommenden Ausschreibungen für Wasserstoff-Kraftwerke beteiligen, erklärte Vorstandschef Markus Krebber am Montag. Die Anlagen sollen Krebber zufolge unter anderem an den bisherigen Kohlekraftwerks-Standorten entstehen.

Der RWE-Chef rechnet damit, dass diese Kraftwerke 2030 etwa zur Hälfte mit Wasserstoff betrieben werden können. Die durch den hybriden Brennstoff verursachten CO2-Mengen seien aber gering, weil die Kraftwerke nur als Reserveanlagen betrieben werden. 2030 werde es dank der Flüssiggas-Importe auch keine Gaskrise mehr geben, sagte Krebber.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude und Joachim Wille) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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