Was die Industrie jetzt von der Politik braucht
Aktive Klimapolitik ist die Voraussetzung dafür, dass die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleibt, am Standort Deutschland investiert und klimaneutral wird.
Im Austausch mit 17 Industrieunternehmen haben Agora Energiewende, die Stiftung 2° und Roland Berger zwölf Handlungsempfehlungen an die Politik verfasst.
Der globale Wettlauf um die Technologieführerschaft beim Klimaschutz hat begonnen. Doch den deutschen Industrieunternehmen fehlen weiterhin verlässliche Rahmenbedingungen, um in großem Maßstab in klimaneutrale Technologien zu investieren. Dabei hat die EU mit dem Green Deal das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 beschlossen, US-Präsident Joe Biden hat jüngst einen Erlass mit dem gleichen Ziel formuliert und China will Klimaneutralität vor 2060 erreichen. Auch in Deutschland ist Klimaneutralität 2050 offizielles Politikziel, doch bei deutschen Industrieunternehmen herrscht Investitionsattentismus: Die Politik hat bislang versäumt, die Voraussetzungen für den Umbau zur klimaneutralen Industrie zu schaffen.
Im intensiven Dialog mit 17 führenden Industrieunternehmen hat Agora Energiewende zusammen mit der Stiftung 2° und der Unternehmensberatung Roland Berger nun zwölf Handlungsempfehlungen an die Politik verfasst – Maßnahmen, um die Industrietransformation hin zu Klimaneutralität voranzubringen und damit den Industriestandort Deutschland zu sichern. Laut dem Impulspapier birgt schnelles politisches Handeln zudem Deutschlands Chance, internationale Technologieführerschaft auf dem Gebiet CO₂-armer Schlüsseltechnologien zu übernehmen.
„In unserem Austausch mit den Unternehmen ist einmal mehr klar geworden: Die Industrie wartet händeringend auf verlässliche Rahmenbedingungen, um in klimaneutrale Technologien investieren zu können. Aktuell stehen die Unternehmen zwischen Baum und Borke. Alte fossile Technologien sind kommende Investitionsruinen, für neue innovative Technologien fehlt das Geschäftsmodell“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Nur eine aktive Klimapolitik kann den vorherrschenden Investitionsattentismus auflösen und dabei helfen, klimaneutrale Schlüsseltechnologien zu etablieren.“ Unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen habe eine CO₂-freie Fabrik, etwa zur Stahl-, Dünger-, Kunststoff- oder Zementproduktion, keine Chance auf internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Politik entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit einer klimaneutralen Industrie
Die Handlungsempfehlungen, die aus dem Dialog mit 17 Industrieunternehmen – darunter BASF, Bayer, BP Europa, HeidelbergCement, Siemens Energy, Salzgitter, Thyssenkrupp Steel Europe und VINCI – entstanden sind, setzen auf einen Mix an Politikinstrumenten, um klimaneutrale Investitionen anzustoßen. Trotz unternehmensspezifisch individueller Anforderungen konnten die Dialogpartner zwölf Maßnahmen identifizieren, die eine klimaneutrale Industrie ermöglichen, die im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleibt. Der vorgeschlagene Instrumentenmix forciert Klimaschutz entlang der gesamten industriellen Wertschöpfungskette: Von langfristig wettbewerbsfähigen Strompreisen über den Ausgleich von Mehrkosten von klimaneutralen Schlüsseltechnologien über sogenannte CarbonContracts for Difference bis zu Abnahmegarantien für klimaneutrale Produkte, etwa bei öffentlichen Bauvorhaben.
„Die Aufgabe der Politik ist es, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Industrieunternehmen zu schaffen, damit sie in klimaneutrale Technologien investieren können“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°. „Die Unternehmen stehen bereit und werden zum Treiber der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Jetzt braucht es mutige Politikerinnen und Politiker, die sich dem gewaltigen Transformationsprojekt einer klimaneutralen Industrie annehmen.“
Noch in dieser Legislaturperiode müsse die Bundesregierung politische Entscheidungen auf das Paradigma Klimaneutralität weiter ausrichten, sagt Nallinger. Es liege an der Politik, einen klugen Instrumentenmix zu verabschieden, der über die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen unter dem Paradigma Klimaneutralität entscheide. Es müsse darum gehen, Klimaschutz zum Geschäftsmodell zu machen.
Die zwölf Handlungsempfehlungen „Klimaneutralität 2050: Was die Industrie jetzt von der Politik braucht“ sind in Zusammenarbeit von Agora Energiewende mit der Stiftung 2° und Roland Berger entstanden. Neben dem Maßnahmenkatalog enthält die Publikation von beteiligten Industrieunternehmen eigens beigesteuerte Steckbriefe. Darin sind unter anderem die unternehmensspezifische Ausgangslage und Klimaschutzstrategien dokumentiert sowie individuelle Erwartungen an die Politik. Die 68-seitige Publikation steht unten zum Download bereit.
- Am 2. März werden die Ergebnisse zudem in einem Online Event von den Projektpartnern präsentiert. Die Registrierung ist unter www.agora-energiewende.de/veranstaltungen möglich.