Die Welt im Klimawandel verstehen
Wie Mensch und Klima zusammenhängen: Drei Beispiele Jülicher Forschung
In Bonn wird vom 6. bis zum 17. November die Weltklimakonferenz COP 23 stattfinden, die größte zwischenstaatliche Konferenz, die es in Deutschland je gegeben hat. Nur 56 Kilometer Luftlinie davon entfernt tragen Jülicher Atmosphären- und Agrosphärenforscher dazu bei, dass die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen menschlichen Aktivitäten und dem Klima immer besser verstanden werden. Drei aktuelle Beispiele zeigen, wie Wissenschaftler des Forschungszentrums vorgehen. Sie sind dabei in nationale und internationale Forscher- und Messnetzwerke eingebunden.
Beispiel 1: Passagierflugzeuge als fliegende Labore
Gerade haben Atmosphärenforscher aus Jülich und Toulouse die Ergebnisse einer einzigartigen Langzeitbeobachtung der Temperatur in 10 bis 13 Kilometern Höhe veröffentlicht. Meteorologisch gesehen stammt die Luft dort aus der oberen Troposphäre, die vor allem vom Wetter geprägt ist, oder aus der unteren Stratosphäre, die stabil geschichtet und sehr trocken ist. Gesammelt worden waren die Temperaturdaten von Linienflugzeugen, die als Teil des internationalen Klimaforschungsprojekts IAGOS mit qualitätsgeprüften Instrumenten zur Messung nicht nur der Temperatur, sondern auch der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre ausgerüstet sind. IAGOS steht für „In service Aircraft for a Global Observing System“ und wird vom Forschungszentrum Jülich mit koordiniert.
Besonders viele Flüge absolvieren die Linienmaschinen seit 1994 über dem Nordatlantik und Europa, doch die derzeit acht Flugzeuge messen unter anderem auch über Nordamerika, Afrika und Asien. Seit Anfang dieses Jahres ist das erste US-amerikanische Flugzeug – ein Airbus A330 der Hawaiian Airlines – mit IAGOS-Messgeräten ausgerüstet und misst über dem Pazifik.
Die jetzt ausgewerteten Temperaturdaten wurden zwischen Januar 1995 und Dezember 2012 aufgenommen. Das Resultat: Die mittleren Temperaturen in 10 bis 13 km Höhe etwa über dem Nordatlantik haben sich in diesen 17 Jahren nicht wesentlich verändert. „Das spricht nicht gegen den Klimawandel, sondern stimmt mit den Analysen aktueller Klimamodelle überein. Demnach wird es in der bodennahen Atmosphäre wärmer und in der Stratosphäre kälter – in der Übergangsschicht ändert sich die Temperatur wenig“, so PD Dr. Andreas Petzold, Leiter des Jülicher IAGOS-Teams. Die Studie liefere wichtige Langzeitdaten für den Abgleich von Klimamodellen mit Beobachtungen.
Beispiel 2: Böden im Wandel
Für grüne Pflanzen ist CO2 wie Dünger: Sie wachsen besser, wenn der Anteil dieses Treibhausgases in der Atmosphäre steigt. Doch in welchem Ausmaß sie dadurch den CO2-Anstieg in der Atmosphäre bremsen können, ist bislang schwer zu kalkulieren. Einer der Gründe ist ein gegenläufiger Effekt: Die Organismen im Boden, auf dem die Pflanzen wachsen, bauen aufgrund der globalen Erwärmung mehr Kohlenstoff ab und setzen es wieder als CO2frei.
Daher ist es bedeutsam, den Austausch von Treibhausgasen zwischen Böden und Atmosphäre genau unter die Lupe zu nehmen. Ein Team um den Jülicher Forscher Dr. Alexander Graf etwa hat die CO2-Bilanz von zwei Feldern in der Region um Jülich gemessen, die auf unterschiedliche Weise bewirtschaftet wurden: Bei dem einen baute ein Landwirt im Winter sogenannte Zwischenfrüchte an – eine Saatmischung, die unter anderem Senf und Ölrettich enthielt. Solche Zwischenfrüchte sollen die Bodenerosion verringern und die Biodiversität erhöhen. Das andere Feld – 13 Kilometer entfernt – blieb im Winter unbestellt.
Das Ergebnis von Grafs Vergleichsmessungen: Das Feld, auf dem in zwei Wintern Zwischenfrüchte angebaut wurden, nahm über vier Jahre hinweg insgesamt rund 60 Prozent mehr CO2 auf. Dies zeigt: Zwischenfrüchte verbessern die CO2-Bilanz, obwohl sie am Ende des Winters vor dem Anbau der normalen Nutzpflanzen untergepflügt werden und damit den Bodenorganismen zur Verfügung stehen. „Die Forschungsinfrastruktur ICOS – steht für Integrated Carbon Observation System – wird uns unter anderem in die Lage versetzten, solche Messungen an einer großen Anzahl an Standorten langfristig durchzuführen. Dadurch werden wir auch zu verlässlicheren Werten kommen, bei denen etwa Unterschiede in den Bodenverhältnissen berücksichtigt werden“, sagt Graf.
Beispiel 3: Transport von Treibhausgasen
Luftmassen im Grenzbereich zwischen Troposphäre und Stratosphäre können sozusagen reisen – über große Strecken hinweg, etwa von den Tropen in Asien bis nach Europa. Weil mit ihnen auch Treibhausgase transportiert werden, sind solche Vorgänge für das Verständnis des Klimageschehens bedeutsam. In der gerade beendeten Kampagne WISE unter der Leitung des Forschungszentrums Jülich und der Universität Mainz haben Wissenschaftler Luftmassen mit Hilfe des Forschungsflugzeuges HALO verfolgt, auch um herauszufinden, wie sie sich mischen.
„Wir konnten innerhalb der fünf Wochen der Kampagne eine ungewöhnlich hohe Zahl von Flugstunden absolvieren, nämlich 140. Das war nur möglich, weil Planung und Messgeräte perfekt funktioniert haben“, freut sich der Jülicher Wissenschaftler Prof. Martin Riese. Das wichtigste Hilfsmittel bei der Flugplanung sei das Jülicher Computermodell CLaMS gewesen, das Transport- und Mischungsvorgänge sowie chemische Umwandlungen in der Atmosphäre simuliert, abhängig auch von der Wetterlage. Somit konnte das Forschungsflugzeug gezielt etwa dort messen, wo CLaMS einen starken Einfluss von Luftmassen aus den asiatischen Subtropen auf die Menge und Zusammensetzung der Treibhausgase vorhersagte. „Bereits ein erster Blick auf die erhaltenen Daten zeigt: Hochgenaue lokale Messungen am Flugzeug und das Infrarotspektrometer GLORIA, mit dem man dreidimensionale tomographische Informationen über Spurengase erhält, sind eine methodisch machtvolle und aussagekräftige Kombination“, so Riese.
GLORIA ist ein gemeinsames Instrument des Forschungszentrums und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Es dient auch als Prototyp für das Hauptinstrument der Satellitenmission AtmoSat, die in diesem Jahr vom Wissenschaftsrat herausragend bewertet wurde. „AtmoSat wird erstmals einen dringend benötigten globalen tomographischen Blick auf kleinräumige dynamische und chemische Prozesse in der Atmosphäre ermöglichen, die für unser regionales Klima und Wetter eine entscheidende Rolle spielen. Die in diesem Jahr durchgeführten Flugzeugmessungen stellen eine wichtige Validierung dieses einzigartigen Konzepts dar“, sagt Riese.
Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. HALO wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft beschafft. Der Betrieb von HALO wird von der DFG, der Max-Planck -Gesellschaft, dem Forschungszentrum Jülich, dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam und dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig (TROPOS) getragen. Das DLR ist zugleich Eigner und Betreiber des Flugzeugs.