Forschungsprogramm zum Einfluss des Klimawandels auf Massenbewegungen im Gebirge
Die Klimaerwärmung macht sich im Gebirge besonders stark bemerkbar: Die Gletscher schwinden, der Permafrost taut auf, die Schneedecke verändert sich und extreme Niederschläge werden häufiger. Das wiederum hat einen Einfluss auf Naturgefahren wie Steinschlag, Felsstürze, Lawinen, Murgänge oder Hangrutschungen.
Diese könnten in Zukunft nicht nur häufiger werden, sondern auch ihre Eigenschaften verändern – beispielsweise, indem steigende Temperaturen das Fliessverhalten von Lawinen beeinflussen. Zudem beeinträchtigen natürliche Störungen wie Feuer, Windwurf oder Insekten den Wald, der vielerorts als wichtiger Schutz gegen Naturgefahren dient. Bisher ist jedoch kaum erforscht, wie sich Naturgefahren durch den Klimawandel verändern und welche Auswirkungen dies hierzulande haben wird.
Um das zu ändern, hat die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL das Forschungsprogramm «Climate Change Impacts on Alpine Mass Movements» (CCAMM) ins Leben gerufen. Darin untersuchen WSL-Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen mit Forschungspartnern, wie sich der Klimawandel auf alpine Massenbewegungen in der Schweiz auswirkt. Sie modellieren, wie sich die Risiken verändern und entwickeln Anpassungsstrategien. «Mit dem Forschungsprogramm CCAMM gewinnen wir wichtige Erkenntnisse und entwickeln Lösungsansätze zum Schutz der Gesellschaft», sagt Programmleiter Michael Bründl, der die Gruppe Lawinendynamik und Risikomanagement am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF leitet.
Gefahrenpotential bestimmen
Das Programm umfasst drei verschiedene Arbeitspakete. Im ersten geht es um die Frage, ob und wie sich das Gefahrenpotential verändert. Gibt es zum Beispiel durch das Auftauen des Permafrosts im Gebirge mehr loses Gestein, das in der Folge herabstürzen und Strassen oder Siedlungen gefährden könnte? Wie beeinflussen Veränderungen in der Schneedecke die Auslösebedingungen von Lawinen? Als Grundlage für die Modellierung des Gefahrenpotentials dienen detaillierte Klimaprognosen, welche auf Basis der CH2018-Klimaszenarien eigens für CCAMM entwickelt werden.
Das zweite Arbeitspaket befasst sich mit der Dynamik von Massenbewegungen: Wie verändern sich Eigenschaften und Verhalten von Lawinen oder Murgängen? Im Fokus stehen unter anderem Verkettungen verschiedener Naturgefahren – etwa, wenn ein Felssturz Wasser aus Schnee oder Eis mobilisiert und dadurch ein Murgang entsteht. Zudem untersuchen Forschende, wie sich die Klimaveränderung auf Schutzwälder auswirkt und wie diese beschaffen sein müssen, um ihre Funktion weiterhin zu gewährleisten.
Gewappnet für die Zukunft
Die Ergebnisse der ersten beiden Arbeitspakete fliessen in ein drittes ein, in dem es um Risiko und Anpassung geht. «Wir gehen der Frage nach, wie die Gesellschaft mit sich ändernden Gefahren umgehen kann und welche politischen und institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen», sagt Michael Bründl. So werden Forschende unter anderem in einem Teilprojekt zusammen mit den Schweizerischen Bundesbahnen SBB verschiedene Zukunftsszenarien erarbeiten, um Risikoveränderungen für das gesamte Streckennetz zu modellieren. Diese Daten sollen später als Grundlage dienen, um Anpassungsstrategien und die Naturgefahrenprävention der SBB weiterzuentwickeln.
Das Forschungsprogramm CCAMM wurde 2018 gestartet und läuft in der ersten Phase bis 2021. Der Inhalt der zweiten Phase (2021-2024) ist gegenwärtig in Planung. Die Ergebnisse der Teilprojekte werden in der kommenden Phase fortlaufend publiziert und abschliessend in einer Synthese zusammengefasst. Sie werden nicht nur Forschenden, sondern auch Planungsbüros, Behörden, Entscheidungsträgern sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.