Gebietsfremde Arten weltweit auf dem Vormarsch
Die Anzahl gebietsfremder Arten nimmt kontinuierlich zu und es gibt weltweit keine Anzeichen, dass dieser Trend abebbt, berichtet ein internationales Team von 45 Forschern unter der Leitung von Senckenberg-Wissenschaftlern und der Universität Wien im renommierten Fachjournal „Nature Communications“.
Den Forschern zufolge hat im Lauf der letzten zweihundert Jahre die Rate der Erstmeldungen gebietsfremder Arten stetig zugenommen. Allein zwischen 1970 und 2014 wurde ein Drittel aller jemals als gebietsfremd deklarierten Arten registriert.
Die Zahl der Arten, die durch den Menschen in neue Gebiete eingeschleppt wurden, ist in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen. „Es war jedoch bisher unklar, ob damit die Spitze des Bergs schon erreicht ist“, so Dr. Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt, Erstautor der Studie hat nun eine Antwort: „Die Anzahl gebietsfremder Arten hat in den letzten 200 Jahren bei allen Organismengruppen ununterbrochen zugenommen. Die Rate der Einführung ist in vielen Fällen sogar gegenwärtig am höchsten. Mit Ausnahme von Säugetieren und Fischen gibt es keine Hinweise auf eine Abschwächung der Trends. In Zukunft ist daher mit mehr Invasionen zu rechnen.“
Diese Einschätzung ist das Resultat eines internationalen Forschungsprojektes, an dem sich 45 Wissenschaftler beteiligten. Gemeinsam erstellten sie eine Datenbank, die Angaben zum Erstfund einer gebietsfremden Art außerhalb ihres Heimatgebiets beinhaltet. Über 45.000 dieser Erstfunde von über 16.000 Arten sind dort verzeichnet – genug Material, um die Geschichte der Neuankömmlinge in den letzten Jahrhunderten nachzuvollziehen.
37% aller Erstfunde wurden demnach in den letzten Jahrzehnten (1970-2014) registriert. Global wurden bis zu 585 neueingewanderte Arten jährlich gefunden. Das entspricht mehr als 1,5 neuen Arten pro Tag weltweit. „In vielen Fällen ist aber nicht bekannt, wann genau eine gebietsfremde Art zum ersten Mal aufgetaucht ist. Diese Zahl unterschätzt daher die tatsächliche Tragweite der Bioinvasion deutlich“, erklärt Dr. Franz Essl von Universität Wien, zweiter Leiter der Studie.
Die beobachteten Trends variieren deutlich zwischen den Organismengruppen, deren Ursache ist häufig menschliches Handeln. „Wir beobachten, dass die Erstfunde bei Gefäßpflanzen bereits im 19. Jahrhundert zunahmen, was vermutlich auf den damaligen Boom im Gartenbau zurückgeht. Organismen wie Insekten, Muscheln oder Algen hingegen wurden vor allem seit 1950 in zunehmendem Maße ausserhalb ihrer Heimatregion registriert. Das hängt sehr wahrscheinlich mit der Globalisierung des Handelns zusammen“, so Seebens.
Der beispiellose Anstieg der Anzahl gebietsfremder Arten kann zu einer hohen Belastung der Umwelt führen, da einheimische Arten verdrängt und ganze Ökosysteme verändert werden können. Außerdem gleichen sich pflanzliche und tierischen Artengemeinschaften weltweit immer mehr an, so dass regionale Unterschiede verloren gehen. Gesetze und Abkommen rund um den Globus zielen daher darauf ab, die Ausbreitung gebietsfremder Arten einzudämmen. „Unsere Studie zeigt aber, dass diese Anstrengungen, nicht weitreichend genug waren, um mit dem Anstieg neuer Arten aufgrund der fortschreitenden Globalisierung Schritt zu halten. Es daher dringend notwendig, effektivere Maßnahmen zur Eindämmung auf allen Ebenen zu implementieren“, appelliert Essl.