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Universität Hohenheim | Buchenwälder verarmen an Phosphor

© Universität Hohenheim | Buchenwälder verarmen an Phosphor

Hungrige Bäume

Forscher gehen Nährstoffverlusten im Wald auf den Grund.

Das lebenswichtige Element Phosphor geht zurück: Universität Hohenheim untersucht Bedeutung der Mikroorganismen im Waldboden. Er ist einer der wichtigsten Nährstoffe, und er wird auch im Wald immer knapper: Waldbäume verarmen seit den 1990er Jahren an Phosphor. Die Gründe sind noch weitgehend unbekannt. Bodenbiologen der Universität Hohenheim wollen gemeinsam mit rund zwei Dutzend anderen Forscherteams aus ganz Deutschland Licht ins Dunkel bringen und zunächst einmal grundlegende offene Fragen zum Phosphor-Kreislauf klären. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Teilprojekt an der Universität Hohenheim mit insgesamt über 550.000 Euro in sechs Jahren. Damit zählt es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

Seit rund einem Vierteljahrhundert bahnt sich ein neues Problem im Wald an. „Der Gehalt an Phosphor in den Blättern der Bäume sinkt“, berichtet Dr. Sven Marhan vom Fachgebiet Bodenbiologie an der Universität Hohenheim.

„Phosphor ist für Pflanzen ein essentieller Nährstoff: Ohne Phosphor können sie keine Fotosynthese betreiben“, erläutert Fachgebietsleiterin Prof. Dr. Ellen Kandeler die Hintergründe. „Wenn er knapp wird, kann das – neben Stickstoffmangel – die Biomasse-Produktion begrenzen. Doch trotz der hohen Bedeutung des Phosphors als Nährstoff sind die Mechanismen der Freisetzung im Boden bis heute nicht komplett erforscht.“

In Waldökosystemen sorgen vor allem Mikroorganismen dafür, dass Phosphor für die Pflanzen verfügbar wird. „Wenn Holz, totes Laub oder anderes Material abgebaut werden, setzen Bakterien und Pilze den Nährstoff aus diesen organischen Quellen frei“, erklärt Dr. Marhan. „Wir erforschen in unserem laufenden Projekt den Beitrag dieser mikrobiellen Gemeinschaften zum Phosphor-Kreislauf in Waldböden.“

Bodenpilze mobilisieren Phosphor im Boden

Untersuchungsobjekte sind fünf Waldflächen: im Bayerischen Wald und der Rhön, im Schwarzwald, Thüringen und Niedersachsen. „Alles sind Buchenwälder, aber auf unterschiedlichen Böden“, erläutert Dr. Marhan. „Die Böden weisen recht unterschiedliche Phosphor-Gehalte auf: von viel Phosphor im Silikatgestein bis hin zu phosphorarmen Sandböden.“

Die Forscher wollen herausfinden, ob Phosphor vor allem mineralisch aus dem Gestein gewonnen oder aus der organischen Auflage recycelt wird, wie sich die Standorte unterscheiden und welche Rolle Mikroorganismen bei der Mobilisierung des Phosphors spielen. „Vor allem Bodenpilze sind hieran beteiligt“, erklärt Dr. Marhan. „Die Frage ist nur wie groß die Rolle der Ektomykorrhiza und der saprotroph lebenden Pilze ist“, so Dr. Marhan.

Die Rede ist von zwei unterschiedlichen Lebensweisen der Pilze: Ektomykorrhiza sind Bodenpilze, die ein eng anliegendes Netz um die Wurzelspitzen der Bäume bilden. Eine Symbiose zum gegenseitigem Nutzen: Die Pflanze liefert Zucker aus ihrer Fotosynthese, der Pilz dafür Nährstoffe wie z.B. Phosphor. Saprotrophe Pilze dagegen ernähren sich vorwiegend von totem organischem Material ohne enge Bindung zu lebenden Pflanzen. Auf diese Weise führen sie Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff, die in toter organischer Substanz gebunden sind, wieder dem Boden und den Pflanzen zu.

PVC-Röhren im Waldboden geben Aufschluss

Um die Bedeutung der beiden Gruppen zu ermitteln, kommen etwa 10 cm lange PVC-Röhren zum Einsatz, die die Forscher mit Waldboden gefüllt in den Boden setzen. Die Röhren sind entweder seitlich komplett geschlossen, so dass die Ektomykorrhiza aus dem Rohr ausgeschlossen bleibt, oder sie sind offen und mit einem Netz mit 50 µm Maschenweite aus witterungsbeständigem Polypropylen, durch das die Ektomykorrhiza hindurchwachsen kann.

An jedem der fünf Standorte haben sie fünf Bäume ausgewählt, in deren Wurzelraum sie je fünf Sets aus einem offenen und einem geschlossenen Rohr einsetzten. „Die Sets lassen wir unterschiedlich lang im Boden, um zu sehen, wie sich die Mikroorganismen in den Bodenproben entwickeln“, erklärt Dr. Marhan. Bislang haben sie – inklusive je einer Kontrolle aus normalem Waldboden – an drei Zeitpunkten insgesamt 225 Proben genommen und analysiert, eine weitere Probennahme mit 75 Proben steht noch aus.

Im Labor bestimmen sie den Anteil der jeweiligen Pilz-Gruppen in den Bodenproben und messen, wie aktiv die Pilze insgesamt sind. Dazu bestimmen sie die Aktivität eines bestimmten Enzymes – der sogenannten Phosphomonoesterase – mit dem die Pilze den organisch gebundenen Phosphor in eine pflanzenverfügbare Form umwandeln.

Anteile der Bodenpilz-Gruppen verschieben sich

Nach 14 Monaten ist in den geschlossenen Röhren der Anteil der Ektomykorrhiza erwartungsgemäß von 44 Prozent auf sechs Prozent gesunken. Die saprotrophen Pilze haben sich ausgebreitet und machen nun statt 26 Prozent rund 44 Prozent der Bodenpilze aus.

„Wir können keinen wesentlichen Unterschied zwischen den offenen und geschlossenen Röhren bei der Aktivität der Phosphomonoesterase erkennen. Das könnte heißen, beide Pilzgruppen sind in der Lage, Phosphor in gleichem Maße zu mobilisieren“, fasst Dr. Marhan erste Ergebnisse zusammen.

Weitere Grundlagenforschung in den nächsten drei Jahren

In der nächsten Förderphase des Projektes wollen die Forscher weitere Einflüsse testen: „An drei Standorten wollen wir Flächen mit Stickstoff, Phosphor und beiden Nährstoffen in Kombination düngen und untersuchen, wie sich die mikrobielle Struktur und Aktivität daraufhin verändert“, erzählt Dr. Marhan.

Auf den beiden extremen Standorten sollen die Bäume geringelt, also ringförmig die Rinde entfernt werden. „Das verschlechtert die Versorgung der Ektomykorrhiza-Pilze. Die Frage ist, ob das den saprotrophen Pilzen einen Vorteil verschafft und möglicherweise die Phosphor-Mobilisierung verringert.“ Außerdem wollen sie, zusammen mit Kollegen aus Göttingen, das genetische Potenzial der einzelnen Pilze ermitteln, bestimmte Enzyme zu bilden.

Daten-Synthese als Basis für Gegenmaßnahmen

Am Ende reichen die Forscher ihre Ergebnisse weiter an Kollegen: Modellierungs- und Synthesegruppen wollen alle Daten aus den Versuchen der diversen Forschergruppen und aus der Waldinventur zusammentragen.

„Unser gemeinsames Ziel ist es, aufgrund aller Forschungsergebnisse zu verstehen, wie die Phosphor-Versorgung der Wälder funktioniert und inwieweit ein Austrag von Phosphor aus dem Ökosystem stattfindet“, fasst Dr. Marhan zusammen. „Wir möchten nach Möglichkeit herausfinden, in welchem Ausmaß zukünftig ein Mangel in der Phosphorversorgung der Bäume zu erwarten ist.“ Und diese Erkenntnisse, so das Fernziel, könnten die Basis für gegebenenfalls Gegenmaßnahmen darstellen.

Hintergrund: Forschungsprojekt Ökosystemernährung

Das Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) SPP 1685 – Ecosystem Nutrition bestand in der ersten Förderperiode aus insgesamt 27 Teilprojekten, die im Oktober 2013 die Arbeit aufnahmen. Koordiniert wird das Gesamtprogramm von der Universität Freiburg. Die Universität Hohenheim erhielt 256.750 Euro DFG-Fördermittel in der ersten Phase.

Ab März 2017 startet die ebenfalls auf drei Jahre ausgelegte zweite Förderperiode mit 25 Teilprojekten. Die DFG fördert die Universität Hohenheim darin mit 297.150 Euro. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht Nadine Kubsch im Hohenheimer Teilprojekt: „Mikrobielle Interaktion und Phosphormobilisation in Waldböden: Effekte von Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverfügbarkeit“.

Homepage: www.ecosystem-nutrition.uni-freiburg.de

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Quelle

Universität Hohenheim 2017

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