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Markus Breig, KIT | Abforstung und intensive Land- sowie Weidewirtschaft – die Landnutzung durch den Menschen trägt ebenso zum Klimawandel bei, wie fossile Kraftwerke und Verbrennungsmotoren.

© Markus Breig, KIT | Abforstung und intensive Land- sowie Weidewirtschaft – die Landnutzung durch den Menschen trägt ebenso zum Klimawandel bei, wie fossile Kraftwerke und Verbrennungsmotoren.

Klimaziele von Paris: Der Beitrag der Landnutzung

Forschende des KIT und der Universität Edinburgh zeigen, dass bisherige Maßnahmen, die Erderwärmung durch anthropogene Landnutzung zu verringern, nicht ausreichen.

Deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit – auf diesen Wert soll die Erderwärmung laut Pariser Klimaabkommen begrenzt werden. Ein aktueller Sonderbericht des Weltklimarates zeigt jedoch, dass sich die globale Temperatur bereits jetzt um ein Grad Celsius erhöht hat. In einer Studie konnte ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Edinburgh zeigen, dass die bisherigen Bemühungen, Treibhausgase durch die Landnutzung des Menschen zu reduzieren, unzureichend sind. Ihre Ergebnisse stellen sie in der Fachzeitschrift Nature Climate Change vor (DOI: 10.1038/s41558-019-0400-5).

„Ein Viertel der vom Menschen verursachten Treibhausgase stammen aus der Landnutzung und dem damit verbundenen massiven Abbau von natürlichen Kohlendioxidsenken“, sagt Dr. Calum Brown vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT. Weniger Wälder aufgrund von Entwaldung und intensive Land- und Weidewirtschaft haben ebenso einen Anteil am Klimawandel, wie fossile Kraftwerke und Verbrennungsmotoren. „Ob wir die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen, hängt daher auch erheblich davon ab, ob es uns gelingt, grundlegende, nachhaltige Veränderungen im Landnutzungssystem durchzusetzen.“ Gemeinsam mit der Universität Edinburgh hat das KIT untersucht, wie die Länder, die das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet haben, entsprechende Maßnahmen planen, einführen, umsetzen und welche Wirkungen diese auf den Klimawandel haben könnten.

„Unsere Studie zeigt, dass wir schnelle aber realistische Lösungen finden müssen, um die Landnutzung durch den Menschen nachhaltig zu verändern, wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen“, betont Brown. Bisher haben etwa 197 Länder national festgelegte Beiträge (engl. Nationally Determined Contributions, NDC) ausgearbeitet. Die häufigsten Maßnahmen zielen darauf ab, Abforstungen deutlich zu verringern, großräumige Flächen wieder aufzuforsten und Treibhausgase aus der Landwirtschaft zu reduzieren. So wollen beispielsweise Indien und China in den nächsten Jahren eine Fläche bis zu 40 Millionen Hektar wieder aufforsten. „Wälder speichern große Mengen Kohlendioxid aus der Luft und können so unter anderem die Treibhausgase aus der Landwirtschaft reduzieren“, so Brown.

Politische und wirtschaftliche Interessen führen zu Verzögerungen

„Diese Pläne könnten jedes Jahr bis zu 25 Prozent der Treibhausgase durch menschliches Handeln entfernen“, erklärt Brown. „Jedoch braucht es häufig Jahrzehnte, bis sich Veränderungen zeigen – viel zu lange, um den Klimawandel wie gefordert zu entschleunigen.“ Hinzu komme, dass es keinen verbindlichen Rahmen für NDC gäbe: Sie müssen nicht nachweislich erreichbar sein und haben in den meisten Fällen keinen definierten Umsetzungsplan. „Hier liegt auch die vielleicht größte Bedrohung für das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels“, sagt der Klimaforscher. „Der Zeitrahmen des Klimaabkommens überschreitet den kurzfristigen Charakter politischer Entscheidungen.“ Häufig können NDC ihre Wirkung nicht entfalten, weil Entscheidungsträger konkrete Maßnahmen gegen die Erderwärmung bei einem Politikwechsel wieder aufgeben oder zurückziehen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der angekündigte Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen.

Ebenso können wirtschaftliche Interessen nationale politische Ziele verschieben. So steigt die Abforstung tropischer Wälder in vielen Ländern wieder an: In Brasilien um 29 Prozent, in Kolumbien sogar um 44 Prozent. Ein Grund ist beispielsweise der Anbau von Ölpalmen. „Die Zahlen stehen im krassen Gegensatz zu der Tatsache, dass viele Länder die Abforstung im Zuge des Klimaabkommens verringern wollten“, so Brown. „Das legt den Schluss nahe, dass viele Pläne zur Abschwächung der Folgen des Landnutzungssystems von Anfang an unrealistisch waren.“ Daher gebe es bisher auch keinen bis kaum Fortschritt, in manchen Fällen habe sich die Situation in den letzten drei Jahren sogar verschlechtert: „Die globalen Kohlendioxidemissionen sind in den Jahren 2017 und 2018 wieder angestiegen, nachdem sie bereits gesunken waren.“

Aus Erfahrungen realistische Ziele formulieren

Unrealistische Ziele, politische Entwicklungen und Fehler in der praktischen Umsetzung beeinflussen den Erfolg der bisherigen NDC. Hier könnten vor allem empirische Studien und konkrete Fallstudien helfen: „Diese berücksichtigen Zeitverzögerungen bei der Findung und Umsetzung politischer Entscheidungen und können helfen, realistische Maßnahmen zu beschließen“, sagt Brown. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Bereitschaft der betroffenen Menschen vor Ort, Innovationen in Technologien, Landwirtschaft oder Politik einzuführen. „Pläne, um den Effekt der anthropogenen Landnutzung auf den Klimawandel zu senken, sollten daher immer klare offensichtliche und unmittelbare Vorteile für Landwirte, Kleinbauern und Förster schaffen, denn sie können die Landnutzung aktiv nachhaltig verändern.“

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