Mikrowelt im Boden beschleunigt Klimawandel
Taut Permafrost aufgrund des Klimawandels auf, drohen fatale Folgen – Erstmals Einfluss des Priming-Effekts in der Arktis berechnet.
Taut der Permafrost in der Arktis auf, könnten immense Mengen Kohlenstoff freigesetzt werden. Wie viel genau, wird in Klimamodellen berechnet. Erstmals wurde von einem internationalen Forschungskonsortium unter Beteiligung von Andreas Richter von der Universität Wien der so genannte „Priming-Effekt“ mit einbezogen: Pflanzen, die in auftauendem Permafrost wurzeln, geben Kohlenstoff in den Boden ab und aktivieren damit Mikroorganismen. Das führt letztendlich zu einer erhöhten Freisetzung von Treibhausgasen aus dem Permafrost. Das Ergebnis der Studie: Allein durch den Priming-Effekt könnten bis zum Jahr 2100 zusätzlich 40 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangen. Die Studie erscheint in Nature Geoscience.
Permafrost ist dauerhaft gefrorener Boden, in dem mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in allen Pflanzen und der Atmosphäre zusammen auf der Erde vorkommt. Ein kleiner Teil des Permafrostbodens taut im Sommer auf, was es den Mikroorganismen im Boden erlaubt, den Humus abzubauen. Dadurch werden Treibhausgase – wie Kohlendioxid und Methan – freigesetzt, die in die Atmosphäre gelangen. Die rapide steigenden Temperaturen in der Arktis beschleunigen sowohl das Auftauen wie auch die Treibhausgasemissionen.
Wissenschafter*innen gingen bisher davon aus, dass dadurch bis zum Jahr 2100 etwa
100 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost freigesetzt werden. Jetzt muss diese Zahl nach oben korrigiert werden, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Wien in einer aktuellen Studie zeigt. Pflanzen, die im aufgetauten Permafrost wurzeln, geben Kohlenstoff – etwa in Form von Zuckern – an Mikroorganismen im Boden ab, die dadurch mehr Humus zersetzen können. Dieser Effekt heißt „Priming -Effekt“. Das Ergebnis: Noch mehr Treibhausgase werden freigesetzt.
Die Mikrowelt hat massive Auswirkungen auf den Klimawandel
„Der Priming-Effekt ist schon seit den 1950er Jahren bekannt. Wir haben jetzt erstmals in ausführlichen Modellrechnungen nachgewiesen, dass er große Auswirkungen auf die gesamte Kohlenstoffmenge der Atmosphäre hat – dass also die Interaktion von Mikroorganismen und Wurzeln im Maßstab von Mikrometern eine globale Wirkung zeigt“, so Birgit Wild, eine der beiden Erstautorinnen und Assistenzprofessorin an der Universität Stockholm. „Für die Studie hat das Team Informationen über mikrobielle Aktivitäten und Wurzelverteilungen mit Daten zu Kohlenstoffkonzentrationen im Boden kombiniert, was uns letztlich erlaubt hat, die Auswirkungen des Priming-Effekts auf die Treibhausgas-Emissionen zu berechnen“, sagt Andreas Richter, stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien, der gemeinsam mit Wild, die damals noch als Doktoratsstudentin an der Universität Wien tätig war, als einer der ersten weltweit in der Arktis zum Thema Priming geforscht hat.
Den Menschen bleibt weniger Spielraum, um die Erderwärmung zu stoppen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Priming-Effekt die Atmungsaktivität der Mikroorganismen im Boden um etwa 12 Prozent erhöht. Das bewirkt, dass bis zum Jahr 2100 zusätzlich etwa 40 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem schmelzenden Permafrost in die Atmosphäre entweichen könnten. Das entspricht etwa einem Viertel des verbleibenden „Kohlenstoff-Budgets“, das der Mensch zur Verfügung hat, um die Erde nicht mehr als 1,5°C zu erwärmen. „Wir Menschen haben also noch weniger Spielraum als gedacht“, konkludiert Richter.
- Publikation in Nature Geosciences: | Frida Keuper, Birgit Wild, Matti Kummu, Christian Beer, Gesche Blume-Werry, Sébastien Fontaine, Konstantin Gavazov, Norman Gentsch, Georg Guggenberger, Gustaf Hugelius, Mika Jalava, Charles Koven, Eveline J. Krab, Peter Kuhry, Sylvain Monteux, Andreas Richter, Tanvir Shahzad, James T. Weedon, Ellen Dorrepaal (2020): Carbon loss from northern circumpolar permafrost soils amplified by rhizosphere priming, Nature Geoscience | DOI: 10.1038/s41561-020-0607-0
Quelle
Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft | Universität Wien 2020