Mit einem „Carbon Law“ Emissionen bis 2050 auf Netto-Null bringen
Angesichts der Kluft zwischen wissenschaftlich basierten Zielen zur Emissionsreduktion einerseits und den nationalen Selbstverpflichtungen zur Klimastabilisierung andererseits haben jetzt internationale Experten in der hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschrift ‚Science‘ einen Fahrplan weg von Kohle und Öl vorgelegt.
Mit diesem könnten die CO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts unter dem Strich auf Null reduziert werden – orientiert an einem „Carbon Law“ der Halbierung der Emissionen aus fossilen Brennstoffen alle zehn Jahre.
„Ein ‚Carbon Law‘ kann auf allen Ebenen angewendet werden, in allen Sektoren und Ländern, und zu entschlossenem Handeln in naher Zukunft ermutigen“, sagen Johan Rockström und seine Kollegen. Ein „Carbon Law“ kann durch die Verbindung kurzfristiger Maßnahmen mit langfristigen Zielen „Schlüsselelemente für nationale und internationale Klimastrategien hervorbringen“, erklären Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, und Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Der umfassende und auf Jahrzehnte ausgerichtete Fahrplan würde sich über vier Dimensionen erstrecken: Innovation, Institution, Infrastruktur und Investition – und er würde Sektoren von Landwirtschaft und Finanzwesen bis zu Industrie und Transportwesen umfassen. Die Autoren schlagen vor, dass die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) eine führende Rolle dabei übernimmt, Staaten, Unternehmen, Organisationen und Wissenschaft zu ermutigen, einen solchen Fahrplan weiter zu konkretisieren.
Ein Fahrplan weg von Kohle und Öl: Jedes Jahrzehnt eine Halbierung der CO2-Emissionen
Am Vorabend der diesjährigen „Earth hour“ (25. März) haben Forscher im hoch renommierten Fachmagazin Science einen Fahrplan vorgelegt, wie die Weltwirtschaft rasch ihren CO2-Ausstoß verringern kann. Mit einer Halbierung der Treibhausgas-Emissionen in jedem Jahrzehnt als einfache Faustregel könnten disruptive Innovationen in Gang gebracht werden. Ein solches „Carbon Law“, ähnlich dem „Moore’s Law“ in der Computerindustrie, könnte für Städte, Staaten und Wirtschaftszweige angewendet werden.
Spätestens 2020 sollten die Emissionen aus fossilen Brennstoffen ihren Höhepunkt überschreiten und bis 2050 auf Null sinken, so die Wissenschaftler, wenn das in Paris vereinbarte UN-Klimaziel eingehalten werden soll, den globalen Anstieg der Temperaturen auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Richtet man sich nach dem „Carbon Law“, dann werden die größten Schritte hin zur Dekarbonisierung früher gemacht statt auf später verschoben zu werden, erklären die Autoren. Das verringere das Risiko, das im Rahmen des Klimaziels noch verbleibende Budget noch möglicher CO2-Emissionen zu sprengen.
Ein „Carbon Law“ – ähnlich wie „Moore’s Law“ in der Computerindustrie
Parallel zu dem Halbieren der Emissionen alle zehn Jahre sollte ein genauso ehrgeiziger Ausbau der erneuerbaren Energien geschehen – exponentiell, also in einer immer steiler nach oben weisenden Kurve. Etwa indem der Anteil von Sonne, Wind und Biomasse im Energiesektor alle 5-7 Jahre verdoppelt wird, Technologien wie zum Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre voran getrieben werden, und entschlossen bei den Emissionen aus der Landwirtschaft und dem Roden von Wäldern umgesteuert wird.
„Wir stehen bereits am Beginn dieses Weges“, sagt Leitautor Johan Rockström vom Stockholm Resilience Centre der Universität Stockholm in Schweden. „Zuletzt hat sich der Anteil der Erneuerbaren im Energiesektor alle 5,5 Jahre verdoppelt. Wenn diese Verdopplung im selben Tempo so weitergeht, dann sind die fossilen Brennstoffe deutlich vor 2050 raus aus dem System.“
Die Autoren sehen ein Ende der Kohle 2030-35 und des Öls 2040-45, auf der Grundlage ihres „Carbon Law“. Sie erklären, dass alle Wirtschaftszweige einen Fahrplan für jedes Jahrzehnt brauchen, der nach dieser Faustregel dem Weg zur Dekarbonisierung folgt, die nach dem Vorbild von „Moores Law“ gebildet wurde.
„Unternehmen, die herumtrippeln, werden die nächste industrielle Revolution verpassen“
„Moores Law“ besagt, dass Computer-Prozessoren alle zwei Jahre ihre Leistung verdoppeln. Wiewohl dies weder ein Naturgesetz noch ein Gesetz im rechtlichen Sinne ist, hat sich diese Faustregel seit 50 Jahren bewährt und treibt noch immer disruptive Innovation an.
„Unsere Zivilisation muss bald einen sozio-ökonomischen Kipp-Punkt erreichen, und dieser Fahrplan zeigt auf, wie das geschehen kann“, sagt Ko-Autor Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wir müssen insbesondere konkrete Schritte hin zur vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 aufzeigen. Unternehmen, welche diese Schritte vermeiden und weiter herumtrippeln, werden die nächste industrielle Revolution verpassen – und damit ihre beste Chance für eine gewinnbringende Zukunft.“
Ko-Autor Nebojsa Nakicenovic, stellvertretender Direktor des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) erklärt: “Die Menschheit muss die Große Transformation hin zur vollständigen Dekarbonisierung angehen. Das ‚Carbon Law‘ ist eine bezwingende Strategie; ein Fahrplan, um die Emissionen auf Null zu bringen und damit das globale CO2-Budget einzuhalten und das Klima bei weniger als 2 Grad Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit zu stabilisieren.“
„Niedrigere Kosten, mehr Jobs und sauberere Luft“
„Das ‚Carbon Law‘ skizziert in allgemeiner aber quantitativer Weise einen Pfad zu den Zielen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit“, sagt Ko-Autor Joeri Rogelj vom IIASA. „Es entwirft eine Vision rascher Emissionsreduktionen in Verbindung mit nachhaltigen Optionen zum Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre. Es zeigt sehr klar, dass nicht eine einzige Lösungsmaßnahme alles leisten kann – und diese Unsicherheit bedeutet, dass wir mehrere Lösungsansätze gleichzeitig verfolgen müssen.“
Malte Meinshausen, Direktor des Climate & Energy College an der Universität Melbourne erklärt: „Diejenigen Regionen, die zukunftsfähige erneuerbare Energien und Investitionen in Speichertechnologien voranbringen, werden aus der Null-Emissions-Zukunft eine wirtschaftliche Chance für sich machen. Während wir jahrelang den Abbau der althergebrachten fossilen Verbrennungstechnologien nur als Last gesehen haben, wird nun endlich die andere Seite sichtbar: niedrigere Kosten, mehr Jobs und sauberere Luft.“
Wenn die Welt einem „Carbon Law“ folgen würde, das auf veröffentlichten Energie-Szenarien beruht, so hätte sie eine 75-Prozent-Chance, die globale Erwärmung unter 2 Grad gegenüber den vorindustriellen Temperaturen zu halten – ein Ziel, das die Staaten der Welt beim Pariser Gipfel 2015 vereinbart haben.
- Science „A roadmap for rapid decarbonization“
- Weblink zum Abkommen von Paris
- Weblink zum Anstieg der globalen Mitteltemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um bislang 1,1 Grad Celsius
Was wären die wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur Dekarbonisierung bis 2050?
Jedes Jahrzehnt muss ein Meilenstein erreicht werden:
- 2020: 40 Gigatonnen CO2
- 2030: 20 GtCO2
- 2040: 10 GtCO2
- 2050: 5 GtCO2
Der Weg dorthin:
- 2020: Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe. Einführung eines CO2-Preises, der bei 50 US-Dollar pro Tonne beginnt und bis 2050 auf 400 US-Dollar pro Tonne steigt. Großskalige Steigerung von Energie-Effizienz-Maßnahmen und der Erprobung der CO2-Abspaltung, beginnend mit 100-500 Megatonnen CO2 pro Jahr.
- 2030: Die Kohle scheidet aus dem Energiemix aus. Das Bauen wird komplett CO2-neutral oder speichert sogar Kohlenstoff, mehrere Städte erreichen die CO2-Neutralität. Die CO2-Abtrennung von 1-2 Gigatonnen CO2 beginnt.
- 2040: Öl scheidet aus dem Energiemix schon früh in diesem Jahrzehnt aus. Europa ist ebenfalls schon zu Beginn dieser Dekade nahe bei null Emissionen. Andere Kontinente beenden das Jahrzehnt nahe bei null Emissionen.
- 2050: die Weltwirtschaft ist CO2-neutral.