Nachwachsende Ressourcen kommen an ihre Grenzen
Nachwachsende Rohstoffe galten bisher immer als unbegrenzt nutzbar. Das allerdings erweist sich als Trugschluss.
Wie Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Yale University und der Michigan State University jetzt nachgewiesen haben, sind auch diese nur begrenzt nutzbar. Das schreiben sie in einem Beitrag für das Fachmagazin Ecology & Society, der für das Wissenschaftsmagazin Nature zu den Highlights dieser Woche zählt. So hätten verschiedene Schlüsselressourcen ihren Peak bereits überschritten.
Der Landschaftsökologe Prof. Dr. Ralf Seppelt, der Umweltwissenschaftler und Statistiker Dr. Ameur Manceur und der Pflanzenökologe Dr. Stefan Klotz vom UFZ analysierten gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsforscher Dr. Jiango Liu von der Universität Wisconsin und dem Ökonomen Dr. Eli Fenichel von der Universität Yale die Produktions- und Förderraten von 27 global erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen. Erstmals untersuchten sie dabei 20 erneuerbare Güter wie Mais, Reis, Weizen oder Soja, die laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rund 45 Prozent der weltweiten Kalorienzufuhr ausmachen, sowie wichtige Tiererzeugnisse wie Fisch, Fleisch, Milch oder Eier.
Bei 18 dieser nachwachsenden Ressourcen stellten die Forscher fest, dass die jährlichen Zuwachsraten bei der Produktion zum Beispiel von Fleisch oder Milch beziehungsweise beim Fang von Fisch ihre Spitzenwerte schon vor einigen Jahren hatten. Dieser Zeitpunkt, zu dem die Produktionsraten ihren Höhepunkt erreichten, bevor sie dann wieder zurückgingen, definierten die Forscher als sogenanntes „Peak rate year“ – also das Jahr mit der maximalen Steigerungsrate bei Ernte, Produktion oder Fang.
Gänzlich neu ist der Begriff des Peaks in der Wissenschaft nicht. Bekannt ist der Terminus vor allem aus der Diskussion um Peak Oil. Die Mitte der 1970er Jahre heiß diskutierten Analysen identifizierten einen Rückgang der Förderrate von Rohöl ab einem bestimmten Jahr, waren aber aufgrund der Datenlage und der verwendeten Modelle unter Wissenschaftlern umstritten. Die UFZ-Forscher setzten für die Suche nach dem Peak-Jahr nun aber keine Modelle ein, wie das die Wissenschaftler zuvor im Fall des Peak Oils taten, sondern sie nutzten standardisierte statistische Methoden, um die Zeitreihen zu analysieren. Dabei fanden sie heraus, dass sich viele der Peak-Jahre der nachwachsenden Rohstoffe zeitlich überlappen.
Bei 16 von 20 Ressourcen, für die die Forscher einen Peak feststellten, lag dieser zwischen den Jahren 1988 und 2008 – in der Geschichte der Menschheit ein sehr enges Fenster. „Die wichtigsten Güter, die der Mensch für die Ernährung braucht und ernten muss, sind limitiert“, bilanziert Ralf Seppelt, Leiters des UFZ-Departments Landschaftsökologie. Alles werde knapper. Verdeutlichen konnten die Autoren das anhand einiger Beispiele: Bei der Sojabohne liegt weltweit die maximale Zunahmerate der Erntemengen im Jahr 2009, bei Milch im Jahr 2004, bei Eiern im Jahr 1993 und bei der Menge gefangenen Fisches im Jahr 1988. Daten anderer Studien bestätigen diese Ergebnisse. So stagniert oder sinkt US-Forschern zufolge bei Mais, Weizen, Soja und Reis der Erntebetrag pro Fläche auf mehr als einem Viertel der Anbaufelder rund um den Globus.
Warum viele der Maxima synchron in einer ähnlichen Zeitspanne auftreten, dafür hat Seppelt eine Erklärung parat. So sei die weltweite Zunahme der Bevölkerung ein wichtiger Treiber. Weil in einigen Regionen der Erde wie etwa Indien und China die Bevölkerungszahlen in den vergangenen Jahrzehnten stark zunahmen, erhöhten sich die Nachfrage nach nachwachsenden Ressourcen und damit der Druck, möglichst viele Nahrungsmittel zu produzieren. Verdeutlichen lässt sich dieser Befund auch an anderen Maxima, die die Forscher berechneten. Die höchste Zuwachsrate bei der Kultivierung von Ackerflächen machten die Ökologen in den 1950er Jahren aus; Ende der 1970er Jahren folgte dann der Peak für künstlich angelegte Bewässerungsflächen und anschließend in den 1980er Jahren der Peak für Stickstoff-Dünger.
„Das zeigt, dass die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln immer intensiver genutzt wurden“, folgert Stefan Klotz, der das Department Biozönoseforschung leitet. Doch große Steigerungsmöglichkeiten zur Intensivierung des Anbaus sehen die Forscher nicht mehr.
„Durch bessere Zuchtmethoden und gentechnisch veränderte Organismen erwarten Experten bei manchen Ressourcen in Zukunft noch eine Ertragssteigerung von ein bis zwei Prozent pro Jahr“, sagt Seppelt. Danach werde es aber eng. „Der Mensch muss akzeptieren, dass auch nachwachsende Rohstoffe global an ihre Ertragsgrenzen kommen und Substitutionsmöglichkeiten schwinden.“ Zwar konnten die UFZ-Forscher zum Beispiel bei den Fischfangmengen aus Aquakulturen keinen Peak feststellen, dennoch lassen sich Fischarten aus Zuchtanlagen nicht durch Arten aus der Fischerei austauschen. „Die Verteilung der Fischarten ist global unterschiedlich, und es gibt kulturelle Verschiedenheiten in der Nutzung von Fisch“, sagt Seppelt.
Aus der Studie lassen sich aus Sicht des UFZ-Forschers wichtige Schlussfolgerungen ziehen. „Wir stehen hier vor gewaltigen Herausforderungen, die eine Mehrheit der von uns genutzten Ressourcen betreffen“, sagt er. Der Mensch müsse in Zukunft effizienter mit Dünger und Wasser umgehen, und er müsse lernen, weniger wegzuschmeißen und sich anders zu ernähren: Statt Rindfleisch beispielsweise mehr Huhn. Der Mensch sollte sich dabei auch von der Hoffnung verabschieden, dass sich knapper werdende Ressourcen durch andere ersetzen lassen.
- Seppelt, R., A. M. Manceur, J. Liu, E. P. Fenichel, and S. Klotz. 2014. Synchronized peak-rate years of global resources use. Ecology and Society 19(4): 50.
- Die Studie wurde gefördert von der Helmholtz-Gemeinschaft, der U.S. National Science Foundation und der Michigan AgBioResearch. Die Publikation ist Teil des Global Land Projektes
- Research Highlights – Selections from the scientific literature: Resource use peaks worldwide. Nature 517, 246-247 (15 January 2015) doi:10.1038/517246e