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pixabay.com | werner22brigitte

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Sauerstoffnot im Grundwasser

Waren vor wenigen Wochen Böden noch gefroren und teilweise von Eis und Schnee bedeckt, herrscht jetzt Tauwetter. Das hat nicht nur Auswirkung auf die Tier- und Pflanzenwelt.

Tauwetter führt beispielsweise zu einer Belastung der Böden und damit des Grundwassers an Flughäfen durch Chemikalien, die im Schmelzwasser enthalten sind. Denn: an Flughäfen kommen im Winter Enteisungsmittel zum Einsatz, die teilweise auf unversiegelten Flächen landen und mit der Schneeschmelze im Boden versickern. 

„Zwar sind die Flughafenbetreiber EU-weit angehalten einen guten chemischen Zustand des Grundwassers zu erhalten, bzw. nachteilige Konzentrationen von Schadstoffen im Grundwasser zu vermeiden“, sagt PD Dr. Markus Wehrer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dennoch sei es gängige Praxis, dass entlang der Rollbahnen jeden Winter erhebliche Mengen von Enteisungsmitteln im Boden versickerten, sagt der Hydrogeologe. Zwar ist es durchaus sinnvoll, auf diese Weise die natürliche Selbstreinigungskraft des Bodens zu nutzen. Allerdings wirken sich Enteisungsmittel negativ auf die Beschaffenheit des Grundwassers und die Funktionen des Bodens aus, wie ein Team um den Inhaber des Jenaer Lehrstuhls für Hydrogeologie, Prof. Dr. Kai Uwe Totsche, in einer aktuellen Studie belegt. 

Im Fachmagazin „Environmental Science and Pollution Research“ schreiben die Forscher von der Uni Jena, dass Chemikalien wie Propylenglykol und Kaliumformiat zwar von im Boden lebenden Mikroorganismen abgebaut werden und diese damit zumindest kurzfristig nicht ins Grundwasser gelangen (DOI: 10.1007/s11356-014-3506-3). „Andererseits führt eine starke Belastung mit diesen Substanzen dazu, dass der Sauerstoffgehalt des Bodenwassers und des Grundwassers dramatisch sinkt“, erläutert Heidi Lißner, die Erstautorin der Studie. Der Grund: Um die Schadstoffe abzubauen, nutzen die Mikroben Sauerstoff. „Je mehr dieser Substanzen sie verstoffwechseln müssen, umso mehr Sauerstoff verbrauchen sie dabei“, so die Geowissenschaftlerin, die die nun vorgelegten Ergebnisse im Rahmen ihrer Doktorarbeit erarbeitet hat. Damit einhergehend erfolgt eine Auflösung von Eisen- und Manganoxiden, welche als „Kittsubstanzen“ die Struktur des Bodens stabilisieren.

Für seine Untersuchungen hat das Jenaer Forscherteam den Boden rund um den Flughafen der norwegischen Hauptstadt Oslo analysiert. Hier werden in jedem Winter durchschnittlich 1.000-1.500 Tonnen Enteisungsmittel verbraucht. „Der Flughafen steht dabei direkt auf dem größten oberflächennahen Grundwasserleiter Norwegens, dem Romerike-Aquifer“, macht Dr. Wehrer deutlich, der die Arbeit von Heidi Lißner gemeinsam mit Prof. Dr. Totsche betreut hat. Die Geowissenschaftler haben Bodenkerne in der Nähe der Rollbahn des Flughafens genommen und diese an einem Feldstandort in der Nähe des Flughafens untersucht. „Wir wollten wissen, wie sich die Enteisungsmittel auf die Bodenbeschaffenheit und das Sickerwasser auswirken“, erläutert Heidi Lißner. Dazu hat die Nachwuchswissenschaftlerin die Bodenkerne mit enteisungsmittelhaltigem Wasser beladen und so eine „Schneeschmelze“ simuliert. Das nach der Passage durch die Bodenkerne aufgefangene Sickerwasser wurde eingehend auf Rückstände von Enteisungsmitteln und den Sauerstoffgehalt untersucht sowie weitere Parameter bestimmt.

Ihre exemplarischen Ergebnisse, so die Jenaer Forscher, seien auch auf andere Flughäfen übertragbar. „Chemikalien zum Enteisen von Flugzeugen sowie Start- und Landebahnen kommen überall zum Einsatz wo im Winter Eis und Schnee auftreten“, sagt Dr. Wehrer und betont, dass sich aus den bisherigen Forschungsergebnissen auch Maßnahmen ableiten lassen, wie der Sauerstoffnot im Boden rund um Flughäfen entgegengewirkt werden könne. Neben der Einrichtung gesonderter Areale, in denen Schmelzwasser kontrolliert versickern kann, sei auch der gezielte Einsatz von Bakterien im Boden denkbar, die sich auf den Abbau dieser Chemikalien spezialisiert haben. Dies erfordert zusätzlich eine bessere Versorgung des Bodens mit Sauerstoff oder mit alternativen Stoffen, die ähnlich wie Sauerstoff zum Abbau von Schadstoffen genutzt werden können. Zudem könne auch die Bodentextur so gestaltet werden, dass sich die Versickerung des belasteten Bodenwassers verzögert. Durch die größere Zeitspanne, welche dann für den Abbau der Substanzen zur Verfügung steht, wird dann ein Sauerstoffmangel vermieden, da Luftsauerstoff stetig in den Boden nachgeliefert wird. 

Original-Publikation:
Lißner H. et al. Constraints of propylene glycol degradation at low temperatures and saturated flow conditions. Environ Sci Pollut Res (2015) 22:3158–3174, DOI 10.1007/s11356-014-3506-3

Quelle

Friedrich-Schiller-Universität Jena 2015

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