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© Depositphotos | Krisdog | Ein künftig auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem wird zu einem erheblichen Maß auf Elektrizität beruhen, schreiben die Expertinnen und Experten. Weil der Energieertrag aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft schwankt und Speichertechnologien bisher nur begrenzte Kapazitäten haben, müssen stoffliche Energieträger eine zentrale Rolle spielen, insbesondere Wasserstoff.

Transformation des Energiesystems

Leopoldina-Diskussionspapier skizziert Leitideen für die internationale, europäische und nationale Ebene.

Um in Deutschland und Europa die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss das Energiesystem transformiert werden. Wichtig ist zudem die Bereitstellung von Technologien, die dies auch weltweit ermöglichen. Der Handlungsbedarf ist groß, weil vielfältige internationale Krisen wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine Zielkonflikte verschärfen und die globale Kooperation erschweren, die notwendig ist, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Das soeben veröffentlichte Leopoldina-Diskussionspapier „Leitideen für die Transformation des Energiesystems“ erörtert hierzu Ansätze für eine effektive und tragfähige Energiewende. Das Papier bildet einen Input für den Forschungsgipfel von Stifterverband, Expertenkommission Forschung und Innovation, VolkswagenStiftung und Nationaler Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der am Dienstag, 28. März in Berlin stattfindet.

Erforderlich seien Transformationsstrategien, die von den zu erreichenden Zielen her konzipiert, daher möglichst technologieoffen sind und so weit wie möglich die Attraktivität privater Investitionen in die Transformation erhöhen, so die Autorinnen und Autoren. Dafür ist vor allem die Klärung von Rahmenbedingungen für Investitionen und deren Verlässlichkeit zentral. Parallel sollen Anreize und Vorgaben eine effizientere Energienutzung bewirken. Damit die Energiewende gelingt, ist ein breiter gesellschaftlicher Partizipations- und Diskussionsprozess wichtig, für den das Diskussionspapier Leitideen vorstellt.

Zum Thema Kohlenstoffkreislaufmanagement weisen die Autorinnen und Autoren darauf hin, dass parallel zur ersten Phase der Klimapolitik – der drastischen Verminderung der Emissionen – die zweite Phase der Klimapolitik bereits jetzt beginnen muss. In dieser zweiten Phase werden nicht vermeidbare Emissionen der Atmosphäre wieder entnommen. Für die notwendigen Technologien und Maßnahmen müssen ausreichende Anreize zur Innovation geschaffen werden. Für die Zertifizierung der Technologien brauche es ein Rahmenwerk auf EU-Ebene, so die Fachleute. Hinsichtlich der Klimapolitik empfiehlt das Diskussionspapier eine europäische und ressortübergreifende Weiterentwicklung, die statt auf protektionistische Elemente auf eine Vertiefung der Kooperationen innerhalb der EU und mit Drittstaaten setzt. Ein wichtiges Instrument in der Klimapolitik sollte der Ausbau des europäischen Emissionshandels zu einem einheitlichen, transparenten, langfristig tragfähigen und alle Emissionen umfassenden Steuerungsrahmen sein.

Ein künftig auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem wird zu einem erheblichen Maß auf Elektrizität beruhen, schreiben die Expertinnen und Experten. Weil der Energieertrag aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft schwankt und Speichertechnologien bisher nur begrenzte Kapazitäten haben, müssen stoffliche Energieträger eine zentrale Rolle spielen, insbesondere Wasserstoff. Dieser sollte dort produziert werden, wo die Energieerzeugung aus Photovoltaik oder Windenergie sehr kostengünstig ist, um die Umwandlungsverluste zu kompensieren. Dies könne zudem in Ländern mit niedrigem Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Die Autorinnen und Autoren weisen auf die Notwendigkeit hin, den Netzausbau für stoffliche Energieträger und Strom entschieden voranzutreiben. Da jedoch Wasserstoff und seine Derivate auf längere Sicht nicht in der Höhe des für Deutschland voraussichtlich bestehenden Bedarfs verfügbar sein werden, muss die Energieversorgung noch längere Zeit auch auf Erdgas beruhen. Deshalb seien für eine Übergangszeit parallele Strukturen für Erdgas, Wasserstoff und Wasserstoff-Derivate notwendig. In der Umstellungsphase müsse die Rolle von Gaskraftwerken gestärkt werden. Nicht zuletzt empfehlen die Expertinnen und Experten, an der Transformation des Energiesystems das ganze Spektrum der Wissenschaftsdisziplinen zu beteiligen, zum Beispiel auch die Wirtschafts-, Sozial-, Verhaltens- und Politikwissenschaften. In den Technikwissenschaften ist die Organisation der Schnittstelle zwischen Forschung und industrieller Nutzung von entscheidender Bedeutung.

Die Veröffentlichung ist ein Beitrag in Vorbereitung auf den diesjährigen Forschungsgipfel am Dienstag, 28. März in Berlin. Der Mitautor und Leopoldina-Mitglied Prof. Dr. Robert Schlögl wird in diesem Rahmen einen Impulsvortrag zum Thema halten. Der Forschungsgipfel zeigt einmal im Jahr Zukunftsperspektiven für das deutsche Forschungs- und Innovationssystem auf und gibt Orientierung für strategische Entscheidungen. Er fördert als interdisziplinäres Forum Dialog und Vernetzung. Veranstalter des Forschungsgipfels sind der Stifterverband, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sowie die VolkswagenStiftung.

Publikationen in der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren.

Die Autorinnen und Autoren sind Mitglieder der Leopoldina-Fokusgruppe „Klima und Energie“. Diese gibt Impulse für die mittelfristige Gestaltung des deutschen und europäischen Energiesystems und nimmt kurzfristig zu aktuellen Entwicklungen Stellung.

Quelle

Leopoldina / National Akademie der Wissenschaften 2023

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