Umrüstung auf LED-Beleuchtung führt zu steigender Lichtverschmutzung
Kommunen, Unternehmen und Haushalte steigen auf LED-Beleuchtung um, um Energie und Geld zu sparen. Nur könnte die Einsparung verloren gehen, wenn das Geld für zusätzliche oder hellere Lampen ausgegeben wird. Genau diesen „Rebound-Effekt“ fürchten Forschende, die sich mit der künstlichen Beleuchtung des Nachthimmels befassen.
Eine internationale Studie unter der Leitung des Wissenschaftlers Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) liefert jetzt Belege für diese Befürchtung: Sowohl die Intensität der künstlichen Aufhellung als auch die Ausdehnung der beleuchteten Fläche haben seit 2012 weltweit um rund 2 Prozent pro Jahr zugenommen. Das berichtet das Team um Kyba, der auch am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei forscht, im Fachjournal „Science Advances“.
Die Forschenden nutzten für ihre Arbeit erstmals ein eigens dafür in den Weltraum gebrachtes Strahlungsmessgerät: ein Radiometer, das Licht im sichtbaren und nahe Infrarotbereich erfasst. Das VIIRS (Visible/Infrared Imager Radiometer Suite) kreist seit Oktober 2011 auf dem Satelliten Suomi-NPP um die Erde und detektiert Licht im Wellenlängenbereich zwischen 500 und 900 Nanometern. Die räumliche Auflösung beträgt dabei 750 Meter, sodass sehr genaue Karten der Lichtabstrahlung über einen Zeitraum von 2012 bis 2016 erzeugt werden konnten.
Global betrachtet ist das Maß des Anstiegs der künstlichen Beleuchtung mit dem Wachstum des Bruttosozialprodukts verknüpft, wenngleich es starke regionale Unterschiede gibt. „Wir sehen allerdings nur einen Teil der Zunahme“, berichtet Christopher Kyba vom GFZ. Vergleiche der VIIRS-Daten mit Fotografien, die von der Internationalen Raumstation ISS aus aufgenommen wurden, zeigen für manche Städte, dass VIIRS eine Abnahme der Intensität misst, während die Städte tatsächlich genauso hell blieben oder sogar noch heller strahlten. Grund dafür ist der Sensor, der Licht mit Wellenlängen unter 500 Nanometern nicht „sehen“ kann. Moderne weiße LED-Lampen, die das gelbliche Licht aus Natriumdampflampen in vielen Straßenlaternen ersetzen, strahlen weißer, ihr Licht enthält einen höheren Blauanteil mit kurzen Wellenlängen. Kurzum: Für VIIRS erscheinen manche Orte dunkler, selbst wenn sie weißer und heller strahlen. Das betrifft vor allem auch das gestreute Licht, welches für den so genannten Lichtdom (englisch: skyglow) über großen Orten sorgt. Die „Lichtverschmutzung“ ist also noch stärker als es die VIIRS-Zeitreihen vermuten lassen.
Gleichwohl gibt es Hoffnung auf Besserung. Christopher Kyba sagt: „Andere Studien und Beobachtungen aus Städten wie Tucson in Arizona zeigen, dass man mithilfe moderner LED-Technik die Lichtemission um zwei Drittel senken kann, ohne dass die Menschen das als dunkler wahrnehmen.“ Kybas frühere Studien haben überdies ergeben, dass die Lichtemission pro Kopf der Bevölkerung in den USA um den Faktor 3 bis 5 höher ist als die in Deutschland. Für den GFZ-Wissenschaftler ist das ein Beleg dafür, dass man Sicherheit und Wohlstand sowie Sicherheitsempfinden auch mit sparsamer Beleuchtung erreichen kann. „Ich sehe ein großes Potenzial in der LED-Revolution“, sagt Kyba, „aber nur, wenn wir das gesparte Geld nicht für noch mehr Lampen ausgeben.“
Studie: Christopher C. M. Kyba, Theres Kuester, Alejandro Sánchez de Miguel, Kimberly Baugh, Andreas Jechow, Franz Hölker, Jonathan Bennie, Christopher D. Elvidge, Kevin J. Gaston, Luis Guanter: „Artificially lit surface of Earth at night increasing in radiance and extent, Science Advances“, | 2017. DOI: 10.1126/sciadv.1701528
Quelle
Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ 2017