Umstellung auf gesunde Ernährung erhöht die Chancen, 1,5 Grad Ziel zu halten
Eine globale Ernährungswende hin zu einem gesünderen, nachhaltigeren Speiseplan könnte ein entscheidender Hebel sein, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, zeigen Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer neuen Studie, die in Science Advances veröffentlicht wurde.
Die so ermöglichte Reduktion von Treibhausgasemissionen könnte das verfügbare Kohlenstoffbudget an anderer Stelle entlasten und das 1,5 Grad Celsius Ziel mit weniger CO2-Entnahme und moderateren CO2-Reduktionen im Energiesystem erreichen. Auch Preise für Treibhausgas-Emissionen, Energie und Lebensmittel würden sich verringern.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass eine nachhaltigere, flexitarische Ernährung die Erreichbarkeit der Klimaziele des Pariser Abkommens auf verschiedene Weise erhöht“, sagt PIK-Forscher Florian Humpenöder, einer der beiden Leitautoren der Studie. „Eine Ernährungsumstellung hätte eine Verringerung der Treibhausgasemissionen zur Folge, insbesondere von Methan aus der Tierhaltung für die Fleisch- und Milchproduktion. Diese Reduktion würde es ermöglichen, das globale CO2-Budget für das 1,5 Grad Celsius Ziel von aktuell 500 Gigatonnen um 125 Gigatonnen zu erweitern“, fügt er hinzu.
Die Bepreisung von Treibhausgasemissionen im Energie- und Landsystem ist ein zentrales politische Instrument, um die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine nachhaltigere Ernährung im Vergleich zu fortgesetzten Ernährungsmustern die Umweltauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion, etwa durch Abholzung und Stickstoffeinträge, reduziert. Eine solche Ernährung verringert zudem die Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsystem so stark, dass sie die 1,5 Grad Celsius kompatiblen Treibhausgaspreise für die gesamte Volkswirtschaft im Jahr 2050 um 43 Prozent senkt“, erklärt Ko-Leitautor Alexander Popp, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzungs-Management am PIK. „Darüber hinaus würde eine gesunde Ernährung unsere Abhängigkeit von CO2-Entnahme-Technologien im Jahr 2050 um 39 Prozent reduzieren.“
Flexitarische Ernährung könnte erheblichen Unterschied machen, um 1,5 Grad Ziel zu erreichen
Bislang wurde noch nicht erforscht, was allein eine weltweite Veränderung der Ernährung dazu beitragen könnte, die Erwärmung auf die 1,5°C-Grenze zu begrenzen. In der neuen Studie untersuchten die PIK-Forschenden, wie eine Umstellung der Ernährung zur Machbarkeit von 1,5°C-Transformationspfaden im Vergleich zu einem Szenario ohne Ernährungswende beitragen würden. Dazu nutzen sie den das integrierte Bewertungsmodell REMIND-MAgPIE, um 1,5°C-Pfade zu simulieren, von denen einer Ernährungsumstellungen in Richtung der EAT-Lancet Planetary Health Diet bis 2050 in allen Weltregionen beinhaltet. „Bei der EAT-Lancet Planetary Health Diet handelt es sich um eine flexible Ernährung mit einer großen Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln, einer deutlichen Reduktion von tierischen Produkten, insbesondere in Regionen mit hohem und mittlerem Einkommen, und einer eingeschränkten Aufnahme von zugesetztem Zucker“, sagt PIK-Forscherin Isabelle Weindl, ebenfalls Autorin der Studie.
Den Forschenden zufolge sind jedoch noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen: Die Entscheidungskompetenz in Sachen Ernährung und Landwirtschaft ist in verschiedenen Institutionen und Ministerien verortet, was die Umsetzung einer kohärenten Politik zur Förderung gesunder Ernährung behindert. Darüber hinaus sind eine sozial gerechte Gestaltung und Ausgleichsregelungen von zentraler Bedeutung für einen gerechten Übergang zu gesunder Ernährung, so die Forschenden.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz für eine Agrar- und Ernährungswende einen erheblichen Unterschied machen könnte, wenn wir in den nächsten 10 bis 15 Jahren die 1,5 Grad Celsius Grenze nicht überschreiten wollen. Dies erfordert weltweit gemeinsam koordinierte Anstrengungen, um den Übergang zu einer nachhaltigen, gesunden Ernährung zu unterstützen“, sagt Johan Rockström, PIK-Direktor und Mitautor der Studie.