Umwelthistorikerin: Kriege sind Ressourcenfresser
Verena Winiwarter, Umwelthistorikerin an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, fordert Nachhaltigkeit im Handeln und plädiert für Diversität.
Nachhaltigkeit im Denken und Handeln ist der Schlüssel für friedliches Zusammenleben. Erst wenn die Menschen kausale Zusammenhänge verstehen, die Ursachen von Entwicklungen erkennen und die Konsequenzen ihres Handelns abschätzen, kann die gegenwärtige globale Transformation zu einer besseren und friedlicheren Zukunft führen. „Nachhaltiges Leben setzt ein friedliches Miteinander voraus, und das braucht Toleranz“, erklärte Verena Winiwarter, Umwelthistorikerin an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, am Dienstagabend im Club Carinthia in Wien.
Winiwarter ist eine der Wissenschaftlerinnen, die an den Europäischen Toleranzgesprächen 2016 mitwirken, die vom 11. bis 14. Mai im Kärntner Bergdorf Fresach stattfinden. Sie ist überzeugt davon, dass es ohne Frieden keine Nachhaltigkeit gibt, und ohne Nachhaltigkeit keinen Frieden. „Wir bewegen uns heute an der Grenze des Machbaren und müssen daher konsequent auf Nachhaltigkeit setzen. Wir dürfen das aber nicht als Verzicht begreifen, sondern als Befreiungsschlag“, betont die Umweltforscherin und warnt: „Materialintensive Kriege sind die größten Ressourcenfresser.“
„Grenzen als Orte der Begegnung“
Im Diskurs um die akute Flüchtlingsproblematik rückt Winiwarter die Vorteile der Diversität (Vielfalt) in den Mittelpunkt. Sie betrachtet die bunte Zusammensetzung einer Gesellschaft als große Chance und zugleich essenzielle Ressource, um in Zeiten des globalen Wandels bestehen zu können. „Je diversifizierter eine Gesellschaft, desto flexibler kann sie auf anstehende Herausforderungen reagieren“, erläuterte Winiwarter anlässlich der Programmvorstellung der Toleranzgespräche 2016, die auf Einladung des Club Carinthia in der Wiener BKS-Bank stattfand.
Die gegenwärtigen Flüchtlingsströme geben den Europäischen Toleranzgesprächen in Fresach eine besondere Brisanz, die 2016 dem Thema „Die Grenzen Europas – Menschenrechte und die Folgen des Klimawandels“ gewidmet sind. „Wir wollen das Asyl- und Flüchtlingsthema offensiv angehen, offen debattieren und anhand vieler positiver Beispiele und Menschen mit Verantwortung aufzeigen, wie es besser gehen kann“, sagte Hannes Swoboda, Präsident des Kuratoriums Denk.Raum.Fresach. Gleichzeitig dürfe man nicht auf die Ursachen der Flüchtlingsströme vergessen. „Wir plädieren nicht für eine Gesellschaft ohne Grenzen, sondern definieren Grenzen vielmehr als Orte der Begegnung.“
„Pluralität ist Kennzeichen Europas“
„In Fresach diskutieren wir nicht auf einer abstrakten Ebene, sondern verbinden Wissenschaft und Kultur mit dem Alltagsleben der Menschen. Die ortsansässige Bevölkerung ist deshalb ein fester Bestandteil der Toleranzgespräche“, erklärte Swoboda. Das Kuratorium will den kleinen Luftkurort im unteren Drautal als Europäisches Toleranzzentrum positionieren und als Impulsgeber für die gesamte Region fungieren. Laut Organisatoren wird die zweite Auflage der Toleranzgespräche deutlich mehr Autoren, Wissenschaftler und Besucher als 2015 anziehen.
Internationale Schriftsteller aus dem Iran, Ägypten, Pakistan und Slowenien werden in Fresach ebenso erwartet wie Soziologen, Klimaforscher, Studierende, Aktivisten und Spitzenpolitiker. Einige der ausländischen Autoren mussten ihre Heimat aufgrund von politischer Verfolgung verlassen. „Sie werden von ihren Erfahrungen erzählen und uns zeigen, wo wir heute in Europa stehen. Und wohin wir gehen können“, sagte PEN-Club-Präsident Helmut A. Niederle. Eröffnet werden die Toleranzgespräche von Klaus Töpfer, dem ehemaligen Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms.
Für die Evangelische Kirche als Denk.Raum-Initiatorin ist Fresach ein besonderer Ort. Er galt zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus als eine der Hochburgen des verbotenen Protestantismus. „Pluralität ist ein wesentliches Kennzeichen Europas. Dieses Erbe wollen wir in Fresach sichtbar machen“, so Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich.