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Bigi Alt | Schmelzwasser in der Arktis

© Bigi Alt | Schmelzwasser in der Arktis

Wie wird das Abschmelzen des Grönlandeises unser Klima beeinflussen?

Wie heute das Grönlandeis, so schmolz am Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren ein großer Eispanzer in Nordamerika. Sein Schmelzwasser hat das Klima in Nordwest-Europa und Nordwestafrika tiefgreifend beeinflusst.

Wie wird das Abschmelzen des Grönlandeises unser Klima beeinflussen? Um eine Vorstellung davon zu erlangen, blicken Forscher weit zurück in die Vergangenheit. Im frühen Holozän – vor etwa 11.700 bis 8.000 Jahren – schmolz ein großer Eispanzer in Nordamerika ab. Anhand von Tropfsteinen in Höhlen und Computersimulationen rekonstruierte ein internationales Team die Folgen.

Der grönländische Eisschild schrumpft. Einer aktuellen Studie zufolge hat er allein im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2014 etwa eine Billion Tonnen Eis eingebüßt. Das entspricht einem Anstieg des weltweiten Meeresspiegels von rund 0,75 mm pro Jahr. Wissenschaftler untersuchen nun, inwiefern das Abschmelzen des Grönlandeises unser Klima beeinflussen könnte. Dazu suchen sie in der Klimavergangenheit nach vergleichbaren Schmelzereignissen.

Ein großflächiges Gletschersterben fand vor etwa 11.700 bis 8.000 Jahren statt. Damals schmolz in Nordamerika ein Eispanzer ab, der zuvor große Teile des heutigen Kanadas bedeckt hatte. Wie ein internationales Forscherteam unter AWI-Beteiligung nun herausfand, kehrten sich infolge dieses Schmelzereignisses die Niederschlagsmuster in Europa und Nordwestafrika um.

Wie die Forscher in einer neuen Studie im Fachmagazin Nature Geoscience berichten, wurden diese Veränderungen durch zwei Prozesse ausgelöst. Zum einen beeinflusste das Schmelzwasser des Eisschildes die Stärke der Meeresströmungen im Nordatlantik. Zum anderen führte das Verschwinden des Eispanzers dazu, dass die Landfläche mehr Wärme speicherte und sich infolgedessen die Luftdruckmuster über Nordamerika veränderten.

Beide Prozesse führten dann dazu, dass sich die Nordatlantische Oszillation (NAO) veränderte. Unter diesem Fachbegriff verstehen die Wissenschaftler die Schwankungen des Luftdruck-Gegensatzes zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem Islandtief im Norden des Nordatlantiks. Sie bestimmen maßgeblich das Winterklima in Nordwesteuropa und im Mittelmeerraum.

Wenn nun das Grönlandeis abschmilzt und sein Schmelzwasser in den Nordatlantik fließt, könnte sich ein ähnliches Szenario ergeben, in dem sich die NAO wie im frühen Holozän verändert, folgern die Forscher. „Allerdings gibt es entscheidende Unterschiede zwischen den klimatischen Gegebenheiten im frühen und im späten Holozän, sodass wir nur schwer voraussagen können, ob und wie die NAO beeinflusst werden wird“, sagt Erstautor Dr. Jasper Wassenburg von der Ruhr-Universität Bochum.

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler Klimadaten aus Tropfsteinhöhlen in Nordwestmarokko und Westdeutschland analysiert und auf Grundlage dieser Daten das damalige Klima in den jeweiligen Regionen rekonstruiert. Anschließend führte das Team am AWI Bremerhaven Klimasimulationen mit einem gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modell durch. „Mit den Simulationen unseres Klimamodells konnten wir zeigen, dass nur ein kombinierter Effekt, bestehend aus der Wirkung des Nordamerikanischen Eisschildes auf die atmosphärische sowie seines Schmelzwassers auf die ozeanische Zirkulation, die positive Korrelation der Niederschläge in Marokko und Deutschland erklären kann“, erklärt der ehemalige AWI-Wissenschaftler Dr. Stephan Dietrich. Er ist mittlerweile an der Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz beschäftigt.

Originalpublikation
Jasper A. Wassenburg, Stephan Dietrich, Jan Fietzke, Jens Fohlmeister, Klaus Peter Jochum, Denis Scholz, Detlev K. Richter, Abdellah Sabaoui, Christoph Spötl, Gerrit Lohmann, Meinrat O. Andreae and Adrian Immenhauser. Reorganization of the North Atlantic Oscillation during early Holocene deglaciation, in: Nature Geoscience, 2016, doi:10.1038/NGEO2767

Alfred-Wegener-Institut/René Bürgi | Abbruchkante des sich zurückziehenden Blomstrandbreen-Gletschers auf Spitzbergen.
Quelle

Alfred Wegener Institut, Helmholtz Zentrums für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven (AWI) 2016

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