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Depositphotos | rolffimages | Es war eine harte Zeit: Während Millionen von Jahren versuchte ich, die Erde zum Schwitzen – oder noch besser – zum Schmelzen zu bringen. Dank eurer Ignoranz stehe ich jetzt kurz vor meinem Ziel. Danke!

© Depositphotos | rolffimages | Es war eine harte Zeit: Während Millionen von Jahren versuchte ich, die Erde zum Schwitzen – oder noch besser – zum Schmelzen zu bringen. Dank eurer Ignoranz stehe ich jetzt kurz vor meinem Ziel. Danke!

Klima: „Vielen Dank für eure Hilfe“

KLIMA: „Seit einer Ewigkeit friste ich ein klägliches Dasein. Dank eurer Ignoranz stehe ich jetzt kurz vor meinem Ziel. Danke! Es war eine harte Zeit: Während Millionen von Jahren versuchte ich, die Erde zum Schwitzen – oder noch besser – zum Schmelzen zu bringen. Sie zu vernichten, in einen Glutofen zu verwandeln. Ich träumte von einer grossen, flimmernden, heissen Wüste, in der nichts mehr wächst, nichts mehr atmet.“

„Während all der Zeit blieb mein hehres Ziel ein Traum, der niemals Wirklichkeit werden konnte. Denn mein Waffenarsenal war begrenzt: Veränderte Sonneneinstrahlung, Vulkanausbrüche und natürliche Klimavariabilität reichten jeweils nur für einen kurzfristigen Temperaturanstieg – und selbst diesen musste ich mir im Schweisse meines Angesichts erarbeiten. Ich lag im steten Clinch mit CO2 und anderen Treibhausgasen, die sich nicht vermehren und mit mir verbünden wollten. Dabei hätten sie meine Herolde werden können. Meine Elitetruppen, die die Fähigkeit gehabt hätten, die Erde zuverlässig zu erhitzen und den Planeten verdorren zu lassen. Aber die Treibhausgase bockten und schwafelten vom Gleichgewicht der Dinge, von Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen, die sich noch entwickeln müssten. Erbärmliche Taugenichtse, Hippies!

Die vermeintliche Niederlage

Also blieb ich allein in der kalten Welt. Zwar arbeitete ich weiterhin hart am Anstieg der Temperatur, scheiterte, begann von Neuem. Scheiterte erneut. Ich schaffte es nicht, die Erde zum Brennen zu bringen. Stattdessen brannte ich selber aus: Überarbeitung, Frust, Burnout. Mein Arzt verschrieb mir Ruhe. Beleidigt zog ich mich zurück, beäugte kritisch das keimende Leben auf der Erde und beschloss, meine Niederlage zu akzeptieren und dem blauen Planeten den Rücken zu kehren.

Dann kam der Mensch. Vielleicht kraxelte er aus irgendeinem Erdloch; so genau weiss ich das nicht. Es hiess, er sei die «Krone der Schöpfung»: Seine Ankunft besiegelte mein Versagen. Das Leben, so schien es, hatte endgültig gesiegt.

Doch hin und wieder blickte ich über die Schulter, hinab zu den Menschen. Sie entwickelten und vermehrten sich. Anfangs langsam, dann immer schneller. Sie begannen, der Erde ihren Stempel aufzudrücken. Ich zuckte die Schultern und liess sie gewähren.

Wie meine Niederlage zum Sieg wurde

Lange merkte ich nicht, dass sich meine Niederlage in kleinen Schritten in einen Sieg verwandelte. Ich schlief viel, träumte von Wüsten und anderen Annehmlichkeiten und vergass, weiter auf die Erde und ihre Bewohner zu achten. Ich war nicht vorbereitet auf die Lebensweise der Menschen, die mich meinem Ziel so nahe bringen sollte.

Dann stellte ich fest, dass die Menschheit ziemlich dumm ist. In unersättlicher Gier frass sie sich durch den Planeten, rodete die grünen Flächen und installierte Industrien aller Art. Sie vergiftete und zerstörte die Umwelt, förderte fossile Energie, setzte auf Monokulturen, überfischte die Meere und produzierte unglaubliche Mengen an Abfall.

Und das alles für kleine Papierscheine oder virtuelle Einsen und Nullen. Geld, sagen sie diesem Zahlungsmittel, das ihnen Macht und Luxus verleiht. Und von dem sie, zumindest einige von ihnen, nie genug kriegen. Aber das ist nicht mein Problem. Zum Glück sind die Menschen nicht fähig, ihre Ressourcen gerecht aufzuteilen. Zum Glück glauben sie an ein nie endendes Wachstum auf Kosten von Natur und Umwelt. Zum Glück für mich.

Ich frohlocke und feiere. Denn die Menschen schaffen, woran ich gescheitert bin. Sie vermehren das CO2 und die anderen Treibhausgase und machen die globale Erwärmung endlich möglich. Das Ökosystem gerät erheblich ins Ungleichgewicht, ich finde mein inneres Gleichgewicht wieder. Es ist ein Siegeszug, der neben der Erde auch mein Herz erwärmt: Hätte ich die Erde innert kurzer Zeit und zuverlässig um ein Grad erwärmen wollen, hätte ich dafür mehr als tausend Jahre gebraucht. Die Menschen schaffen denselben Temperaturanstieg in weniger als hundert Jahren.

Zu Ehren der Menschen benenne ich mich um. Statt «Klima» bezeichne ich mich künftig als «Menschengemachter Klimawandel». Olé! Sombrero, Sonnenhut und Badehosen ausgepackt. Wo sind die Drinks?

Danke für eure Ignoranz

Es ist eine Wohltat. Ich kann mich jetzt zurücklehnen und die Menschheit meine Arbeit machen lassen. Diese Menschen sind herrlich effektiv. Aber einige von ihnen mucken auf. Sie begreifen, dass sie für meinen Wandel, den Wandel des Klimas, verantwortlich sind und versuchen, die anderen zu warnen. Dann schrecke ich kurz auf, setze meinen Drink ab, bin alarmiert. Aber ernsthafte Sorgen brauche ich mir nicht zu machen. Wozu auch?

Obwohl die Erwärmung der Erde noch nie so schnell voranschritt wie heute, machen sie einfach weiter. Und es kommt noch besser. Die Menschen neutralisieren sich selber. Ich muss nicht eingreifen. Obwohl seit den 80er Jahren belegt ist, dass der globale Temperaturanstieg menschengemacht ist und der Nachweis Mitte der neunziger Jahre endgültig erbracht wurde, handeln sie nicht. Stattdessen verlieren sie sich in endlosen Diskussionen, was zu tun wäre, schieben den jeweils anderen die Schuld zu und verweisen auf deren Untätigkeit.

Mit viel Geld arbeiten Lobbys auf der ganzen Welt daran, den menschengemachten Klimawandel in Frage zu stellen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden diskreditiert, ihre Forschungsergebnisse angezweifelt. Leute, die warnen, sind «Alarmisten», «Klimajünger» oder «links-grüne Gutmenschen». Eine Klimaindustrie wolle sich dank Hysterie bereichern, heisst es. Ich lehne mich zurück, geniesse das Schauspiel und freue mich.

Die Menschen erfinden zahlreiche Argumente, warum der Klimawandel nicht menschengemacht sein soll. Das ist zu viel der Ehre, denn meine Mitwirkung hält sich in Grenzen. Aber ein Prosit auf euch, liebe Menschen! Ihr verwirklicht meinen Traum.

Wie der Frosch im Wasser

Während Politikerinnen und Politiker in zähen Verhandlungen um mickrige Begrenzungen des CO2-Ausstosses ringen, sich danach die Hände schütteln und in ihren Privatjets nach Hause fliegen, wissen sie genau, dass ihre Staaten die Ziele verfehlen werden. Lieber blind agieren als überhaupt nichts tun, lautet ihre Devise. Denn ihre Macht müssen sie zementieren. Irgendwo sind immer Wahlen. Andere Anführer der Menschen haben längst die Seiten gewechselt. Sie stehen zu mir und machen alles, damit mein Traum von der endlosen Ödnis Wirklichkeit wird. Und die Industrie hat natürlich überhaupt kein Interesse, dass ihr zerstörerisches Geschäft gestoppt wird. Ach, diese Menschen, ich feiere sie.

Gegen Querulanten wie Knutti, Fischlin, Negawatt, Rytz oder Thunberg fahren sie eine simple Strategie. Sie überwachen die Störenfriede auf Schritt und Tritt. Beim kleinsten Fehltritt, etwa wenn sie Lebensmittel aus einer Plastik-Verpackung konsumieren, sprechen sie ihnen das Recht ab, zu warnen. Gegen den Klimawandel protestieren darf nur, wer kein CO2 oder Methan produziert. Also niemand. So verlagert sich die Diskussion zunehmend auf Nebenschauplätze. Das eigentliche Thema, also ich oder die Aufheizung des Klimas, wird nur noch kurz gestreift. Besser hätte ich es mir nicht ausdenken können.

Die Menschen verhalten sich wie der Frosch im Wasser: Sie merken nicht, wenn die Temperatur langsam steigt. So lange bis es zu spät ist. Warnen andere Exemplare der Spezies vor dem Kollaps, fängt die Mehrheit an zu fauchen, zu spucken und zu geifern. Das ist bequemer, als sich mit unliebsamen Tatsachen auseinanderzusetzen, die Einschnitte im eigenen Leben bedeuten würden. Nach mir die Sinnflut – aber ich wasche meine Hände schon jetzt in Unschuld.

Liebe Menschen, bald haben wir es geschafft. Bitte lasst nicht nach, macht weiter. Das Ziel ist in greifbarer Nähe. Dafür sage ich euch danke. Euer Klima.“

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „INFOsperber.ch“ (Tobias Tscherrig) 2019 verfasst –
der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! 

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