Temperaturerhöhung beschleunigt Migration in Europa
Die EU könnte einen massiven Zustrom von Flüchtlingen haben, wenn die C02- Emissionen nicht gesenkt werden.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Zahl der um Asyl ansuchenden Menschen in der Europäischen Union bis zum Jahr 2100 fast verdreifachen könnte, gegenüber dem Durchschnitt der letzten 15 Jahre , wenn der Klimawandel fortschreitet wie bisher. Die Studie legt nahe, dass nur eine massive Senkung der Emissionen die Flut der Flüchtlinge eindämmen könnte, aber auch unter einem eher optimistischen Szenario könnte Asylanträge in Europa um mindestens einem Viertel ansteigen. Die Studienergebnisse wurde im Science Journal veröffentlicht.
„Europa hat bereits einen Konflikt damit, wie viele Flüchtlinge es jetzt aufnehmen muss“ , sagt der Leiter der Studie, Wolfram Schlenker, Ökonom an der Columbia University School of International and Public Affairs (SIPA) und Professor am Earth Institute der Universität. „Obwohl die ärmeren Länder in heißeren Regionen besonders anfällig für den Klimawandel sind, unterstreichen unsere Ergebnisse, inwieweit die Länder miteinander verknüpft sind, und in Europa wird sich die Zahl von verzweifelten Menschen erhöhen, die aus ihren Heimatländern fliehen.“
Schlenker und sein Coautor Anouch Missirian verglichen Asylanträge in der EU, die aus 103 Ländern zwischen 2000 und 2014 eingereicht wurden, mit Temperaturschwankungen in den Herkunftsländer der Bewerber. Sie fanden heraus, dass, je mehr die Temperaturen in der jeweiligen landwirtschaftlichen Region des Landes während der Vegetationsperiode von 20 Grad Celsius abgewichen, desto wahrscheinlicher suchten Menschen im Ausland Zuflucht. Kulturen wachsen am besten bei einer durchschnittlichen Temperatur von 20 Grad C, und so ist es nicht überraschend, das heiße Temperaturen Asylanträge erhöhten, wie beispielsweise aus dem Irak und Pakistan, und dass sie sich aus kälteren Orten, wie Serbien und Peru, senkten.
Die Asylantragsdaten mit Zahlen der zukünftigen Erwärmung kombinierend, fanden die Forscher heraus, dass ein Anstieg der durchschnittlichen globalen Temperaturen von 1,8 ° C – eine optimistisches Szenario, in dem die Kohlendioxid-Emissionen weltweit in den nächsten Jahrzehnten abflachen und dann sinken – die Anträge um 28 Prozent bis zum Jahr 2100 erhöhen würde, was 98.000 zusätzliche Anträge in der EU jedes Jahr bedeutet. Wenn die Kohlendioxid – Emissionen wie bisher weiter gehen, mit globalen Temperaturen bis zum Jahr 2100 um + 2,6 C bis + 4,8 ° C steigend, könnten die Flüchtlingszahlen um 188 Prozent erhöhen, was zu zusätzlichen 660.000 Anträgen per Jahr führen würde.
Um das Klimaabkommen von Paris einzuhalten, haben die meisten Nationen der Welt vereinbart, ihre Kohlendioxidemissionen zu begrenzen. Die jüngste Entscheidung von Präsident Trump, dass die USA, weltweit zweitgrößter C02-Emmident, aus dem Abkommen austreten könnte, gefährdet nun dieses Ziel.
In einem weiteren Rückschlag, um die Kohlendioxid – Emissionen der USA zu reduzieren, hat die US – Umweltschutzbehörde der US – Regierung eine Senkung der „sozialen Kosten“ von C02 vorgeschlagen, von $ 42 pro Tonne bis 2020 auf ein Tief von $ 1 pro Tonne. Die geschätzten Kosten für den Anstieg des Meeresspiegels, geringere Ernteerträge und anderen wirtschaftlichen Schäden im Zusammenhang mit Klimawandel, werden sich jedoch als viel kostspieliger erweisen. Auswirkungen in den Entwicklungsländern haben klare Ausstrahlungseffekte auf entwickelte Länder.
Die Forschung zeigt deutlich, dass Wetterkarpiolen Gesellschaften destabilisieren können, zu Konflikten führen und die Menschen zwingen, aus ihren Heimatländer zu fliehen. In einer bereits im Jahr 2011 veröffentlichten Studie hat ein Team von Forschern des SIPA, unter Führung von Solomon Hsiang, bereits deutlich gezeugt, wie El Niño Dürre Zyklen erhöht und wie sich das Problem mit Gewalt und Krieg global vernetzt.
In jüngerer Zeit haben die Forscher die Verbindung zwischen den Trocknenperioden des Mittleren Ostens und dem andauernden Konflikt dort hervorgehoben. In einer 2015 veröffentlichten Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften brachte ein anderes Team von Columbia Forschern auf den Punkt, dass der Klimawandel 2006-2010 und die Dürre es zwei- bis dreimal wahrscheinlicher gemacht hat, dass es in Syrien zu Problemen kommt und dass die Dürre ein Katalysator für den Aufstand in Syrien im Jahr 2011 war. Der Bürgerkrieg, der bisher wahrscheinlich rund 500.000 Menschen das Leben gekostet hat, zwang 5,4 Millionen Syrer aus dem Land zu fliehen.
Länder wie Deutschland oder Österreich, die einen hohen Anteil der Asylbewerber aus Syrien und anderswo aufgenommen haben, stehen vor einer Gegenreaktion von Wählern, die sich Sorgen um Assimilation und Verlust von Arbeitsplätzen machen. Eine Welle einer Anti-Immigranten Stimmung führte in Ungarn dazu, eine Mauer zu errichten, um Flüchtlinge fern zu halten und hat Großbritanniens Wählerentscheidung beeinflusst, die Europäische Union zu verlassen. In den Vereinigten Staaten wurde Präsident Trump auch gewählt, weil sein Versprechen war, teilweise eine Mauer zu errichten, um illegale mexikanische Einwanderer zu blockieren.
Solomon Hsiang jetzt Wirtschaftsprofessor an der University of California, Berkeley, nannte die Studie einen „unglaublich wichtigen“ Weckruf. „Wir müssen neue Institutionen und Systeme aufbauen um diesen stetigen Strom von Asylbewerbern zu verwalten“, sagte er. „Wie wir aus den jüngsten Erfahrungen in Europa gesehen haben, gibt es enorme Kosten, sowohl für die Flüchtlinge als auch für ihre Gastgeber, mit denen diese überfahren werden. Wir sollten das vorbereiten und planen.“
Colin Kelley, Klimawissenschaftler an der Columbia University, am International Research Institute for Climate and Society, die den Klimawandel Syriens mit dem andauernden Konflikt verknüpft, lobte die Forschung ebenfalls. „Es ist unklar , wie viel mehr Erwärmung zwischen jetzt und dem Ende des Jahrhunderts eintreten wird, aber die Studie zeigt deutlich, wie sehr der Klimawandel als ein Bedrohungsmultiplikator fungiert. Reichere Länder können erwarten, dass die direkten und indirekten Auswirkungen von Wetterkapriolen durch den Klimawandel die Menschen in den ärmeren, weniger resilienten Länder spüren.“
Die Forschung wurde auf Ersuchen der Europäischen Kommission initiiert. Über die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS), wurde auch die Finanzierung zur Verfügung gestellt. „Diese Ergebnisse sind ein Zeichen für die Politik, da sie zeigen, dass die Auswirkungen des Klimawandels weit über die Grenzen eines einzelnen Landes hinausgehen, da damit möglicherweise eine höhere Migration einher gehen kann“ , sagte Juan-Carlos Ciscar, ein leitender Experte an der GFS, Forschungsbereich Klimawandel, Energie und Transport. „Künftige Forschung sollte nach Wegen suchen, wie die Entwicklungsländer ihre landwirtschaftlichen Praktiken an den Klimawandel anpassen können.“ Das US Department of Energy ünterstützte die Studie ebenfalls.