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Fotolia.com | animaflora | Das Bundesverfassungsgericht hatte den Atomausstieg Ende 2016 zwar grundsätzlich gebilligt, den Bundesgesetzgeber aber dazu verpflichtet, bis Juni 2018 den begrenzten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zu gestatten oder alternativ einzelne Atomkraftwerksbetreiber zu entschädigen.

© Fotolia.com | animaflora | Das Bundesverfassungsgericht hatte den Atomausstieg Ende 2016 zwar grundsätzlich gebilligt, den Bundesgesetzgeber aber dazu verpflichtet, bis Juni 2018 den begrenzten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zu gestatten oder alternativ einzelne Atomkraftwerksbetreiber zu entschädigen.

AKW-Weiterbetrieb oder Entschädigungszahlungen für Atomindustrie?

Die Ärzteorganisation IPPNW bedauert, dass es im Vorfeld der Bundestagswahl nicht vollständig geklärt werden konnte, in welcher Weise eine künftige Bundesregierung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg umsetzen wird.

Keine Antworten von CDU, CSU und FDP

Die Parteien CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke und die FDP wurden angeschrieben und gebeten, zu dieser Frage Stellung zu beziehen (vgl. Offener Brief der IPPNW vom 21. Aug. 2017). SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke lehnen in ihren Antworten einen begrenzten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken kategorisch ab und wollen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 in dem Sinne umsetzen, dass Entschädigungszahlungen an die Atomindustrie „so gering wie möglich“ (SPD) bzw. „nur im erforderlichen Maß“ (Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) ausfallen. Von CDU, CSU und FDP erhielt die IPPNW trotz mehrfacher Nachfragen keinerlei Antworten, so dass ein begrenzter AKW-Weiterbetrieb bzw. nochmalige nennenswerte Entschädigungszahlungen an die Atomindustrie von diesen Parteien vor der Wahl nicht ausgeschlossen wurden.

Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Atomausstieg Ende 2016 zwar grundsätzlich gebilligt, den Bundesgesetzgeber aber dazu verpflichtet, bis Juni 2018 den begrenzten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zu gestatten oder alternativ einzelne Atomkraftwerksbetreiber zu entschädigen. Bei den Entschädigungszahlungen wies das Gericht allerdings sehr deutlich darauf hin, dass diese sehr gering ausfallen können: „Der Ausgleich braucht auch nur das zur Herstellung der Angemessenheit erforderliche Maß zu erreichen, das nicht zwingend dem vollen Wertersatz entsprechen muss.“

Kritikpunkte an Geschenken für Atomkonzerne

In den vorliegenden Antworten der Parteien wird darauf hingewiesen, dass der „Zick-Zack-Kurs beim Ausstieg hohe und unnötige Kosten verursacht“ hat. Allein durch den Wegfall der Brennelementesteuer sei dem Staat ein Schaden von sieben Milliarden Euro entstanden (SPD). Zum Teil wird kritisiert, dass die Atomkonzerne „mit einer viel zu geringen Einmalzahlung für die Atommüllentsorgung dauerhaft aus der Verantwortung“ entlassen wurden. Diese Milliarden-Geschenke an die Konzerne zu Lasten der Öffentlichkeit seien umso skandalöser, weil die Konzerne „noch nicht einmal die Atomklagen aufgeben mussten“ (Die Linke).

Positionierungen der Parteien

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben sich in ihren Antworten darauf festgelegt, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht in der Form eines begrenzten Weiterbetriebs von Atomkraftwerken umzusetzen.

Vielmehr wählten sie die Alternative geringfügiger Ausgleichszahlungen, um den Atomausstieg auf verfassungskonforme Weise zu vollenden (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke).

„Etwaige Ausgleichszahlungen“ seien „selbstverständlich das kleinere Übel gegenüber längeren Laufzeiten. Wir gehen davon aus, dass die Konzerne sowieso kaum etwas reklamieren werden können.“ Es sei zentral, dass das „erforderliche Maß“ an Ausgleich so gering wie möglich ausfallen müsse. „Das heißt zum Beispiel, dass Nachrüstungen, die im Zuge der Laufzeitverlängerung initiiert wurden, aber auch nach dem Atomausstieg (der 13. Atomgesetznovelle) nötig blieben, nicht entschädigungsfähig sein können.“ (Bündnis 90/Die Grünen)

Teilweise wird in den Antworten der Parteien die Prüfung einer rechtssicheren Wiedereinführung der Kernbrennstoffsteuer angekündigt (Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke). Damit wird die Erwartung postuliert, dies könne aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu einer vorzeitigen Abschaltung mehrerer Atomkraftwerke führen. Herbei ist allerdings zu bedenken, dass die Atomkonzerne vor Jahren die Kernbrennstoffsteuer durch erhöhte Strompreise finanziert und somit die Kosten auf die Bevölkerung abgewälzt haben.

 

Forderungen der IPPNW

Die IPPNW setzt sich dafür ein, dass der Betrieb der Atomkraftwerke umgehend beendet wird und betont, dass es auch unter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken kommen muss. Der Atomausstieg ist verfassungskonform.

Die IPPNW stimmt den Einschätzungen der Parteien zu, wonach es auch nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts keinerlei Notwendigkeit gibt, den Atomkonzernen nochmals nennenswerte Ausgleichszahlungen zuzubilligen.

Die IPPNW ist skeptisch, in der aktuellen Situation nochmals eine Kernbrennstoffsteuer einzuführen, sofern diese keine Lenkungsfunktion Richtung schnellerem Atomausstieg entfaltet und lediglich den Effekt hätte, die Strompreise zu Lasten der Bevölkerung erneut zu erhöhen. Anstelle der Atomkonzerne würde eine solche Steuer möglicherweise allein die Bevölkerung belasten, ohne eine Lenkungswirkung zu entfalten.

Dokumentation der Antworten der Parteien
Aus Gründen der Fairness und Transparenz dokumentieren wir im Folgenden die Antworten der Parteien:

CDU (Schreiben an Dr. Angelika Merkel)
keine Antwort

CSU (Schreiben an Horst Seehofer)
keine Antwort

FDP (Schreiben an Christian Lindner)
keine Antwort

SPD (Schreiben an Martin Schulz)
Antwort vom 11. September 2017

Bündnis 90/Die Grünen (Schreiben an Simone Peter u. Cem Özdemir)
Antwort vom 5. Sept. 2017
Antwort vom 11. Sept. 2017

Die Linke (Schreiben an Katja Kipping u. Bernd Riexinger)
Antwort vom 25. August 2017
Antwort vom 31. August 2017

Quelle

Ärzteorganisation IPPNW | Henrik Paulitz 2017

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