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Von Solarmodulen und Grenzen

Letzte Woche geisterte wieder mal das amerikanische Populismusgespenst durch die Medienlandschaft. Diesmal allerdings mit einer solaren Randnotiz. Um sein Wahlversprechen, die Mauer zu Mexiko, finanziert zu bekommen, soll angeblich darüber nachgedacht werden, den Grenzwall mit Photovoltaikmodulen auszustatten. Von Matthias Hüttmann

Dass dies Baumaßnahme dadurch nicht humaner wird ist selbstredend, aber ist es trotzdem eine gute Idee? Experten meldeten sich schnell zu Wort und warfen ein, dass es an einer West-Ost-Grenze nur bedingt möglich sei, große Mengen Solarstrom zu ernten. Angenommen man installiert die Module flächig auf der mexikanischen Südseite, wären diese wohl wenig gegen Vandalismus geschützt. Auf der gegenüberliegenden, US-amerikanischen Grenzseite würden sie hingegen nach Norden zeigen: auch keine gute Idee. Aber unabhängig vom Sinn und Zweck der Solaranlage auf einer Grenze, dient diese doch womöglich vor allem der Elektrifizierung der Sperranlagen, sprich der Grenzüberwachung. Die Kombination von Klimaschutz und Menschenrechtsverletzung ist neu, wenngleich es wichtiger wäre, über das grassierende Abschottungsdenken grundsätzlich nachzusinnen. Denn auch wenn die Trump’sche Mauer medial schwer zu toppen ist, übersieht man schnell, was in den letzten Jahren weltweit von statten geht.

2016 wurde auf dem Fernsehsender arte in der Reihe „Mit offenen Karten“, noch vor Trumps Amtsantritt – Amerika wurde noch vom Friedensnobelpreisträger Barack Obama regiert – eine letztendlich sehr ernüchternde Bilanz gezogen. Hier ein paar Fakten aus der Sendung „Grenzen, die wieder geschlossen werden“: Es gibt heute fünfmal so viel Mauern wie 1989, der Zeit des Mauerfalls in Berlin. Die insgesamt 155 km lange innerdeutsche Mauer stand symbolisch für die Aufteilung der Welt in zwei Blöcke mit gegensätzlichen Ideologien. Speziell seit 2010 wird wieder massiv zugebaut.

Das Groteske: Während einerseits im Zuge der Globalisierung die Grenzen durchlässiger werden, entstehen andererseits Mauern, um Menschen voneinander zu trennen. Die Bauwerke unserer Zeit sind dabei weniger formschön, jedoch allemal zweckmäßig, nicht zu sagen brutal gestaltet. Beispielsweise soll der Grenzzaun zwischen Indien und Bangladesch mit seiner Gesamtlänge zwischen 2.700 und 3.200 km der längste der Welt sein. Mit dem Bau wurde in den achtziger Jahren begonnen, fertiggestellt wurde er 2010. Errichtet wurde er entlang einer sehr komplexen Grenze. Einerseits trennt diese das bengalische Sprachgebiet nach religiösen Kriterien, andererseits unterliegt ihr Verlauf dort Veränderungen, wo sie von Ganges und Brahmaputra durchflossen wird.

Bekannt ist auch der die Befestigung der so genannten „grünen Linie“, der Waffenstillstandslinie vom Juni 1949, in Israel bzw. Palästina. Nach einer Welle von Anschlägen beschloss die Knesset im Juni 2002 den Bau einer Mauer. Offiziell handelt es sich dabei um eine provisorische Maßnahme, die der Sicherheit diene und keinen politischen Zweck erfülle. Nach einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs wurden die Sperranlagen im Juli 2004 in der UN-Resolution 1015 für illegal erklärt. Weniger bekannt: Die 5 km lange und 3,50 Meter hohe Mauer rund um eine sunnitische Enklave in Bagdader Stadtteil Adhamiya, in dem vor allem Schiiten leben. Errichtet wurde sie 2007 durch die US-Armee. Daneben gibt es weitere Mauern in Bagdad, darunter eine rund um die stark gesicherte „Grüne Zone“.

Nach dem Fall der Berliner Mauer glaubte man, dass sämtliche Grenzen allmählich verschwinden würden. Aber auch in der EU, genauer gesagt an den Außengrenzen des EU-Schengenraums, wird seit 2011 heftig gebaut. So hat Ungarn an seiner gesamten Grenze zu Serbien einen 170 km und zum Nachbar Kroatien einen 40 km langen Grenzzaun errichtet. Diese Grenzen zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten sind nur möglich, da Ungarn zum Schengenraum gehört, Kroatien nicht. Einen ähnlich gelagerten Fall gibt es mit dem Grenzzaun, den Ungarn an seiner Grenze zu Rumänien errichtet. Apropos Schengener Abkommen: Dieses regelt die Grenzkontrollen an den Außengrenzen der EU und die Abschottung vor allem nach Osten und zum Mittelmeer hin. Im Zuge dessen wurden die beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der marokkanischen Küste mit einem 3 Meter hohen Zaun geschützt. Als 2005 mehrere hundert afrikanische Migranten versuchten, den Zaun zu überqueren, wurde er um weitere 3 Meter erhöht und durch ein Geflecht aus Metallseilen zwischen der marokkanischen und der spanischen Seite verstärkt.

Grundsätzlich sind Grenzbefestigungen historisch gesehen nichts Neues. Die Chinesische Mauer, älteste uns bekannte Verteidigungsmauer, entstand zwischen dem 5. und dem 3. Jahrhundert v. Chr. Sie sollte auf einer Länge von mehreren tausend Kilometern das Reich der Mitte vor den Mongolen schützen. Für die Römer war der Limes die Grenze zwischen Zivilisation und Barbaren. Den Hadrianswall und den Antoniuswall kann man heute noch im Norden Englands besichtigen. Dort sollte das Römische Reich gegenüber den schottischen Barbaren, den Pikten und den Skoten, abgesichert werden.

Die besagte Mauer an der Grenze zwischen den USA und Mexiko ist bereits existent. Der vor allem in der Amtszeit  von George W. Bush errichtete Grenzschutz wurde auch in den acht Jahren der Regierung Obama kontinuierlich ausgebaut. Donald Trump hat sich als eines seiner Wahlkampfthemen lediglich vorgenommen, die Grenze komplett zu schließen (und den Bau von Mexiko bezahlen zu lassen). Mit den Sperranlagen, die 2005 entlang dem Rio Grande an der Grenze zwischen den USA und Mexiko errichtet wurden, wollten die USA die illegale Einwanderung und den Schmuggel unterbinden sowie ihre „wirtschaftliche Sicherheit“ gewährleisten.

Fazit: Mit Solartechnik lässt sich Übles nicht kaschieren. Weder eine Mauer noch eine Massentierhaltung und ähnliches. Solange wir unsere Erneuerbare als Feigenblatttechnik betrachten und ihre Notwendigkeit in die Zukunft verlagern werden wir Fakten schaffen, die lange anhalten werden, wenn nicht gar unumkehrbar sind. Eines kann man trotzdem konstatieren, eine solare Mexikomauer bringt Solarenergie Öffentlichkeit, ganz nach dem Motto „there’s no such thing as bad publicity“. Vielleicht gibt es ja mal Anlass dazu über eine Solarwall nachzudenken, die lediglich Energie produziert und nicht gleichzeitig Menschen peinigt. 

Links zu Grafiken aus zwei Sendungen:

Anmerkung: Das geopolitische Magazin „Mit offenen Karten“, für dessen Inhalt sich der Moderator der Sendung, Jean-Christophe Victor, verantwortlich zeichnete, war knapp 20 Jahre einzigartig in der Fernsehlandschaft. Leider verstarb Victor am 28. Dezember 2016.

Quelle

Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. 2017 | Matthias Hüttmann 2017

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