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100% Erneuerbare bis 2030 – geht das?

Vor einigen Wochen hat sich die DGS der Forderung angeschlossen, in Deutschland schon bis zum Jahr 2030 vollständig auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Ein Bericht von Jörg Sutter

Die Forderung halten wir für ambitioniert, aber machbar, auch weil die Corona-Krise gezeigt hat, dass sich eingefahrene Strukturen und Verhaltensweisen – trotz aller Bedenken – doch teilweise in nur kurzer Zeit revolutionär ändern lassen. Für die Unterstützung der Forderung haben wir etliche positive Rückmeldungen erhalten, auch zum Teil mit persönlichen Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten der vergangenen Jahre. Vielen Dank dafür. An dieser Stelle möchte ich nochmals für dieses Ziel plädieren, in der Kommunikation, aber auch in dem Bewusstsein, dass vielerorts schon große Schritte unternommen wurden, dazu einige Beispiele.

© Agentur für Erneuerbare Energien | Entwicklung erneuerbarer Stromerzeugung

Gute Beispiele – nicht nur im Kleinen
Ja, es gibt viele Beispiele, wie eine erhebliche Reduktion des Energieverbrauches bei der Sanierung einzelner Gebäude oder ein hoher EE-Anteil im Neubau bewerkstelligt werden kann. Doch um diese wichtigen Einzelmaßnahmen soll es an dieser Stelle nicht gehen, sondern um die größere Perspektive. Beispiele zeigen auch heute schon in größerem Maßstab, dass das 2030-Ziel erreichbar sein kann, wenn konsequent darauf zuarbeitet wird.

Lüneburg

Die Arbeitsgemeinschaft für Erneuerbare Energien e.V. (AEE) hat Ende September die Stadt Lüneburg als Energiekommune des Monats ausgezeichnet. Schon seit 30 Jahren sind dort verschiedene Initiativen aktiv, um die Erneuerbaren voranzubringen. Seit 2008 wird die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Landkreis über eine Klimaleitstelle koordiniert, Aktionen für Unternehmen und Schulen laufen hier zusammen. Der Landkreis versorgt sich heute schon bei Strom zu 48 Prozent, bei Wärme zu 38 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Schon 2012 wurde eine Leitstudie erstellt, die den Ausbau auf 100% bis 2030 als möglich erachtet: „In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der zu betrachtende Untersuchungsraum in der Lage ist, sich vollständig sowohl mit Strom als auch mit Wärme aus erneuerbaren Energien der Region zu versorgen.“, so das Fazit.

Osnabrück
Seit 2012 ist Osnabrück Mitglied im Netzwerk der „100 %-Erneuerbare-Energie-Regionen“ und darf den Titel „100ee urban“ tragen. Auch hier wurde schon lange die Vernetzung mit dem Landkreis und Nachbarstädten gepflegt, um gemeinsam voranzukommen. Ein Masterplan wurde erarbeitet. Die Entwicklung wurde im Masterplan bis zum Jahr 2050 beschrieben, doch es kann erwartet werden, dass das auch schneller vorangeht. Der Ökostromanteil des Landkreises lag im vergangenen Jahr schon bei 58 %. Er könnte höher sein, doch ein Großverbraucher von konventionellem Strom ist im Landkreis ansässig: Eines der größten deutschen Stahlwerke, das Stahlwerk Georgsmarienhütte. Doch auch in dieser Branche beginnt das Engagement für die Erneuerbaren Energien, um zukünftig mit grünem Gas und grünem Strom grünen Stahl zu erzeugen.

Landkreis Ebersberg
Wenden wir uns dem süddeutschen Raum zu, finden wir auch hier Beispiele für ambitionierte Umsetzung des Ausbaus von Erneuerbaren Energien. Der Landkreis Ebersberg östlich von München hat im Jahr 2012 das Ziel ausgegeben, 2030 frei von fossilen Energien zu werden, ein entsprechender Kreistagsbeschluss wurde verabschiedet. Dieser wurde 2015 nochmals bestärkt und konkretisiert. Zahlreiche Maßnahmen zur Umsetzung wurden damals benannt und angestoßen: Die Gründung eines eigenen regionalen Energieversorgers wurde inzwischen umgesetzt (www.eberwerk.de), eine Energieagentur steht für Bürger, Gewerbe und Kommunen als Infoquelle und Ansprechpartner zur Verfügung. Auch die Bildung wurde hier nicht vergessen: So treibt das Projekt Klimaschulen die Sensibilität zum Thema Energie bei Schülern voran.

Kornwestheim
Auch die Stadt Kornwestheim in Baden-Württemberg ist schon lange am Thema dran: Seit 2006 beim european energy award, seit 2008 im Klimabündnis. 2010 wurde ein integriertes Klimaschutzkonzept erstellt. Gemeinsam mit der Nachbarstadt Ludwigsburg wurde in diesem Jahr eine der größten Solarthermie-Anlagen mit Nahwärmenetz in Betrieb genommen. Heute fördert die Stadt PV-Anlagen, Speicher, Ladepunkte und die Anschaffung von Steckersolar-Anlagen ihrer Bürger.


EnBW will es bis 2035 schaffen
Doch solch motivierenden Beispiele gibt es nicht nur im kommunalen Umfeld, sondern auch bei Gewerbe und Industrie. So hat in dieser Woche die EnBW, einer der größten deutschen Stromversorger, sein neues Klimaziel, die Klimaneutralität bis 2035, bekanntgegeben. „Wir werden jede Entscheidung und jede Investition daran messen und dadurch unser zukünftiges Wachstum fest mit Nachhaltigkeit verbinden“, so dazu EnBW-Chef Frank Mastiaux am Dienstag in Karlsruhe. Immerhin 1.200 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern derzeit noch in der konventionellen Energieerzeugung. Doch mit Neckarwestheim II geht Ende 2022 auch das letzte AKW des Konzerns vom Netz, Kohlekraftwerke wurden und werden heruntergefahren, dafür das Engagement im PV- und Windbereich in den letzten Jahren deutlich vorangetrieben.

Und auch die größte Suchmaschine geht voran
Die Suche per Google ist für viele von uns eine nicht mehr wegzudenkende alltägliche. Doch oft nicht bekannt ist, dass Google schon seit 2007 eine neutrale CO2-Bilanz hat und nun an einem neuen Ziel arbeitet: Die Energieversorgung bis 2030 komplett zu jedem Moment aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Wie das gehen soll, erläuterte Konzernchef Sundar Pichai kürzlich in einer Videobotschaft :“Wir werden dies erreichen, indem wir rund um die Uhr kohlenstofffreie Energie überall dort kaufen, wo wir tätig sind“. Und: Nachdem Google weltweit Rechenzentren betreibt, verschiebt der Konzern auch gezielt Kapazitäten in die Länder, an deren Standorte gerade Erneuerbare Energien in großem Maßstab günstig erhältlich sind.

Fahrplan aus der Wissenschaft
Und wer nun argumentiert, dass einige Beispiele noch nicht die Sicherheit der Gesamtumstellung bedeuten, dem sei an dieser Stelle natürlich Recht gegeben. Dann sei aber auf die Studie unseres DGS-Mitglieds, des Fraunhofer Instituts für Solar Energiesysteme (FhG ISE) vom Frühjahr verwiesen: Die Forscher haben umfassend mehrere Szenarien beschrieben, wie aus systemischer Sicht eine regenerative Vollversorgung erreichbar wird. Betont sei das Szenario „Suffizienz2035“, welches eine vollständige Vermeidung energiebedingter CO2-Emissionen schon bis zum Jahr 2035 ansetzt (siehe auch unsere Analyse in den DGS-News vom März diesen Jahres).


Fazit
Beispiele von Kommunen, Landkreisen und Industriebetrieben sind vorhanden. Sie alle zeigen, dass ein ambitioniertes Vorgehen das Ziel, bis 2030 nur noch Erneuerbare Energien zu nutzen, in greifbare Nähe rücken lassen. Auch wissenschaftlich sind Pfade gezeichnet, die zu diesem Ziel führen. Lassen auch Sie sich davon inspirieren!

Quelle

Der Bericht wurde von der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Jörg Sutter) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 03/2020  | Das Inhaltsverzeichnis zum Download!

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