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enery.at | Solare Lärmschutwände

© enery.at | Solare Lärmschutwände

Solarwände: Ökostrom statt Verkehrslärm

Österreich ist nicht nur ein beliebtes Urlaubsziel, sondern auch ein viel befahrenes Transitland. Kein Wunder, erstrecken sich doch derzeit insgesamt 1.749 Kilometer Autobahn quer durch unser Land. Hinzu kommen noch weitere 509 Kilometer Schnellstraße.

Und nicht zu vergessen: das rund 5.000 Kilometer lange Schienennetz. Unsere Gesellschaft wird immer mobiler und der Verkehr auf Straßen und Schienen nimmt immer weiter zu, gleichzeitig aber auch die daraus resultierende Belastung durch Lärm. Vor allem Anrainer und Anrainerinnen leiden unter den vorbeirasenden Fahrzeugen.

Deshalb entwickeln, planen und installieren ExpertInnen seit Jahren innovative Methoden und Materialien, um Mensch und Umwelt optimal vor den täglichen Belastungen des Zivilisationslärms zu schützen: Die Rede ist von Lärmschutzwänden. Diese senken den Geräuschpegel und schirmen Mensch und Tier geschickt vor Lärm aus der unmittelbaren Umgebung ab. Rund 4,48 Quadratkilometer, also umgerechnet 1.358 Kilometer, solcher Lärmschutzwände wurden bereits entlang österreichischer Autobahnen und Schnellstraßen installiert. Kein Wunder, dass Österreich in Sachen Lärmschutz europaweit längst eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Idee, genau diese Wände durch die Kombination mit Photovoltaikanlagen aufzuwerten und ihnen einen zusätzlichen Nutzen zu verleihen, scheint daher naheliegend. Das Potenzial ist laut Expert*innen jedenfalls groß.

Die Vielfältigkeit der Photovoltaik

Die Möglichkeiten zur Installation von Photovoltaikanlagen sind heutzutage vielfältig. So werden Solarmodule nicht mehr nur auf Wiesen und Dächer verfrachtet, sondern auch auf Gebäudefassaden, Wasseroberflächen und Autokarosserien. Stichwort: Schallschutzwände. Diese sind unabdingbar für eine Vereinbarkeit von Verkehr und ruhigem Wohnen und somit aus der modernen Verkehrsinfrastruktur nicht mehr wegzudenken. Zusätzlich sollen diese Wände in Zukunft aber auch sauberen Sonnenstrom produzieren. Erste Pilotprojekte stellten Machbarkeit und Effizienz schallschutzintegrierter Photovoltaik bereits auf die Probe – zum Beispiel in Deutschland.

Vorreiter Deutschland

In der bayerischen Gemeinde Neuötting tanken solare Lärmschutzwände entlang einer viel befahrenen Straße bereits seit 2016 kräftig Sonnenenergie. Genauer gesagt sorgt dort eine fünf Meter hohe und 234 Meter lange Wand, die modular aufgebaut ist, für Ruhe und gleichzeitig eben auch Energie. Jedes Segment der installierten Wand setzt sich dabei aus drei Elementen zusammen: einem akustisch wirksamen Gitterdämmsystem im unteren Teil, Acrylglas-Fenster in der Mitte und jeweils vier PV-Modulen im oberen Teil. Die Fenster sollen weiterhin freie Sicht bieten und der Wand das Massive nehmen. Sprich: Die vertikalen Geräuschedämpfer sind sogar schön anzusehen.

Wie wir wissen, wirkt sich aber vor allem der Neigungswinkel einer Photovoltaikanlage auf deren Energieausbeute aus. Darum wurde die Solarwand in Neuötting um fünf Grad Richtung Norden leicht geneigt – also ideal zur Sonne ausgerichtet. „Dadurch steigert sich die Jahresleistung der 64,4-Kilowatt-Peak-Anlage um rund fünf Prozent gegenüber einer senkrechten Ausrichtung“, erklärt Konstrukteur Reinhard Kohlhauer von Kohlhauer Lärmschutzwände. Das Beste: Die Anlage sorgt auch im Winter für eine beachtliche Stromausbeute. Denn dank gewähltem Neigungswinkel können sogar flach einfallende Sonnenstrahlen eingefangen werden. Nützlicher Nebeneffekt: Schnee rutscht dank der Neigung ganz einfach selbst von den Modulen ab.

Wohin mit dem Strom?

Damit sich die Stromerzeugung der solaren Lärmschutzwände rechnet, setzt die örtliche Energiegenossenschaft auf ortsnahen Eigenverbrauch. Abnehmerin eines guten Teils des regenerativen Stroms ist etwa die benachbarte Schule, die direkt hinter der Lärmschutzwand liegt. Überschüssig produzierter Strom wird ins Netz eingespeist.

Österreich zieht nach

Doch auch hierzulande hat man das riesige Potenzial der möglichen Solarflächen bereits erkannt, wie das Pilotprojekt im niederösterreichischen Tullnerfeld zeigt. Dort wurden Photovoltaikmodule in die bestehende Struktur der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) eingebaut. Genauer gesagt wurden Solarmodule von DAS Energy direkt auf bereits vorhandene Lärmschutzwände aufgeklebt. Zur Info: DAS Energy ist sowohl ein Forschungs- und Entwicklungszentrum als auch eine Produktionsstätte für Photovoltaik Module mit Hauptsitz in Wiener Neustadt. Optische Unterschiede zu herkömmlichen Schallwänden gibt es laut Hersteller*innen kaum. Wohl auch deshalb, da aufgrund des innovativen Montagesystems Anschlussdosen und Verkabelung in einem kaum sichtbaren Kabelkanal verschwinden. Die Zellen können in etwa drei Minuten pro Modul aufgeklebt werden – also: solare Lärmschutzwände bringen ruckzuck Sonnenstrom.

Im ersten Pilotversuch wurden insgesamt 36 Photovoltaikmodule vom österreichischen Unternehmen mit einer Gesamtleistung von mehr als 10 Kilowatt Peak (kWp) installiert. Die Anlage ist an einen Wechselrichter angeschlossen, der den Gleichstrom in solaren Bahnstrom umwandelt. Das bedeutet: Solare Lärmschutzwände erzeugen Energie, die direkt ins Bahnstromnetz einspeist wird.

Was solare Lärmschutzwände können muss

Zugverkehr verursacht jedoch nicht nur Lärm, sondern auch Schwingungen und Vibration. Sind die eingesetzten Module dafür gemacht? Die bereits erwähnte Klebetechnik birgt neben optischen Vorteilen einen weiteren Nutzen: Die Vibration, die durch vorbeifahrende Züge entsteht, wird durch das Aufkleben der Zellen ausgeglichen. Grund dafür ist die Elastizität des Klebstoffs. Dieser ist laut DAS Energy vibrationsbeständig und bleibt weich.

Integrierte Solarmodule sind stets auch Wind und Wetter bedingungslos ausgeliefert. Zusätzliche Umwelteinflüsse wie Staub, Schmutz und Vibration machen das Vorhaben nicht gerade einfacher. Expert*innen zufolge wird daher nach weiteren umsetzbaren Lösungen für genau diese Probleme geforscht.

Wie geht es weiter?

Lärmschutz soll also sowohl optisch attraktiv sein als auch funktional bei knappem Raum die bestmögliche Lösung bieten. Schallschutzintegrierte Photovoltaik kann vor allem bei knappen Flächen, insbesondere im verdichteten urbanen Raum, eine clevere Idee sein.

Inzwischen bietet die Technologieentwicklung in der Photovoltaik zwar innovative Möglichkeiten, Solarmodule in schlanke Schallschutzwände zu verbauen. Die Umsetzung ist, so kritische Stimmen, im derzeitigen Marktumfeld jedoch ein ehrgeiziges Vorhaben. Schließlich erweisen sich Planung, Finanzierung und Installation als komplex. Die Idee von solaren Lärmschutzwänden ist zwar nicht (ganz) neu, dennoch wird in Österreich gerade fleißig an deren tatsächlicher Umsetzung getüftelt. Was dabei rauskommt? Wir werden es hoffentlich bald erfahren.

Quelle

Enery Development GmbH 2021

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