Tupperparty in Sachen Energie
Mein Nachbar hat was auf dem Dach oder warum Taten ansteckend sind. Viele Jahre hatte ich so ein Gefühl von „man müsste mal“. Insbesondere dachte ich immer, „man müsste mal“ mit seinem Nachbarn über Konsum und Ökosex reden. Kolumne von Martin Unfried
Ich komme drauf, weil ich natürlich auch vom Buch von Claudia Langer, der Gründerin von Utopia, gehört habe. Und ja, es gibt berechtigte Gründe mal mit den Leuten Tacheles zu reden in Sachen Lifestyle: „Schätzchen, eine Sparlampe reinschrauben reicht einfach nicht zur Weltrettung.“ Aber wie jeder weiß, bin ich ein Ökotainer, katholisch, muss die Welt nicht retten und meine Waffe ist nicht das Evangelium, sondern der gepflegte ökologische Joke.
Ich dachte früher beispielsweise, man müsste mal in der ganzen Straße die Häuser isolieren. Aber ich gebe zu, das Gespräch mit meinen Nachbarn hier in Maastricht war lange Zeit schwierig. Ich traf die auf Geburtstagen in der Nachbarschaft, aber da wollte ich doch nicht den deutschen Öko raushängen. Als Ausländer besser nicht unangenehm auffallen! Irgendwann habe ich dann aber doch mit Freunden eine Stiftung gegründet. Die ist spezialisiert auf den Straßenkampf in Sachen „man müsste mal“ Energie sparen und Erneuerbare aufbauen.
Wir haben ein sehr monothematisches Programm. Alles was wir machen sind Energie-Tupperabende. Ganz schwierig ist es nämlich, Leute zum Energiesparen in den eigenen vier Wänden zu kriegen. Das ist der Gipfel von „man müsste mal“. Da helfen keine noch so tollen Broschüren, keine CO2-Emissionenrechner, Subventionen überzeugen nur mäßig und auch Aspirin versagt. Was hilft ist der intime Kontakt von Nachbar zur Nachbarin. Das hatte ich mal in einer amerikanischen Studie gelesen. Tatsächlich ist Konsumverhalten besonders in der Nachbarschaft ansteckend.
Fährt der Nachbar im Suff, kann man davon ausgehen, dass es andere in der Straße auch machen. Deshalb also unser Ansatz mit der Tupperparty. Tupper macht ja bis heute was ganz Gemeines und Verabscheuungswürdiges, beutet soziale Beziehungen von Freunden und Bekannten aus, um Plastikschüsseln zu verkaufen. „Also gut“, sagt da die Nachbarin am Ende des geselligen Abends bei Heidi im Wohnzimmer, „dann nehme ich auch noch eine Salatschleuder mit für 33,80 Euro, weil es halt doch so nett war.“
Genauso machen wir das auch. Wir veranstalten Energiepartys im Wohnzimmer von Bekannten. Die Gastgeber kriegen auch ein kleines Geschenk. Was zum Energiesparen oder Gutscheine für die Getränke. Und die müssen dann ihre lieben Freunde und Nachbarn einladen, jeder mit seiner Strom- und Gasrechnung bewaffnet. Dann wird verglichen. „So viel mehr?“, heult da so mancher Nachbar.
„Weniger is machbar“, sagen wir und zeigen den Leuten lachend unsere flachen Energierechnungen, schwärmen von der Modulen und Kollektoren, und von der Isolierung und der Lüftung mit Wärmerückgewinnung im Bad.
Aber Wunder können auch wir nicht bewirken: trotz unserer spektakulären Anfixpartys ist es ein weiter Pfad von der Idee zur Tat. Peter hat am Haus immer noch nix gemacht. Wim hat was machen wollen. An Jan bin ich dran. Aber Wolfgang hat sich eine PV-Anlage gegönnt und innenliegende Isolierung. Jean hat seinen Boden von unten gedämmt und John hat LED Lampen.
Phedon war gestern bei Wolfgang gucken, wie die Module aussehen und ich war mit Bekannten in Pieters schwimmendem Passivhaus um die Wärmerückgewinnung zu zeigen. Ad hat sich wegen seiner schönen Altbaufenster für Gläser entschieden, die vor die alten Fenster gesetzt werden. Und Frank hat jetzt doch ein kleines thermisches Solarsystem. Seine Sauna läuft übrigens mit Ökostrom.
Nochmal zurück zu Peter: der hat seinen Chrysler verkauft und fährt einen Fiat unter 90 g/km CO2. Ich lobe ihn immer, wenn ich ihn ins Auto steigen sehe. Positive Verstärkung. Man könnte und müsste natürlich noch viel, viel mehr tun, aber „Tel Aviv“, so ist das Leben.
Quelle
Martin Unfried 2012 | Ökosex 2012