Ist die EU noch zu retten?
Shakespears Dramen, Goethes Faust, Mozarts Musik, Dantes „Göttliche Komödie“, Rousseau’s Philosophie, Diderots und D´Alemberts Enzyklopädie, Luthers Reformation und der Kantsche Kategorische Imperativ: das alles ist Europa, europäischer Spirit! Doch in der EU wird vor allem über Geld, Wirtschaft und die Verteilung der Flüchtlinge gestritten. Ist die Gemeinschaft deshalb vom Zerfall bedroht?
England droht mit Austritt. Österreich führt eine Obergrenze für Flüchtlinge ein, was gegen EU-Recht verstößt. Griechenland steht noch immer vor der Pleite. In Frankreich droht eine antieuropäische, islamfeindliche Präsidentschaft. Die osteuropäische Viererbande Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei zieht schon wieder Grenzzäune und Stacheldraht hoch. Die AFD in Deutschland will den Euro abschaffen und die „Wahren Finnen“ halten rein gar nichts von der EU.
Noch 2102 hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen. Und alle haben gemeinsam über das von der ganzen Welt bestaunte und größte Nachkriegs-Friedensprojekt EU gejubelt. EU war und ist noch immer identisch mit 70 Jahre Frieden, Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlichem Erfolg. Die Europäer haben nach zwei Weltkriegen wirklich dazu gelernt. Von Südamerika über Afrika bis Südasien wollten alle von der auch ökonomisch so erfolgreichen EU lernen. Auch ökologisch war die EU anderen voraus und galt als Vorreiter im Klimaschutz, was auch dazu führte, dass vor wenigen Wochen erst in Paris ein Klimaschutzabkommen von der gesamten Weltgemeinschaft verabschiedet wurde, das diesen Namen auch verdient. Soll das jetzt alles aus und vorbei sein?
Putin stänkert über die Sanktionen der EU gegen Russland. Obama ist der pazifische Raum wichtiger als der atlantische und Millionen Afrikaner sind enttäuscht und entsetzt, dass sich Europa jetzt abschottet.
Ist Europa noch zu retten? Und wie könnte der große Kompromiss in Umrissen aussehen?
- Die EU sollte endlich demokratischer werden und das Europa-Parlament muss aus seinem Schattendasein heraus und mehr Rechte, mehr Macht und mehr Befugnisse bekommen – also den Bürgern spürbar näher rücken.
- Deutschland sollte den Franzosen, Italienern, Griechen und Spaniern beim Finanzstreit und bei Schulden-Obergrenzen entgegenkommen. Merkel und Schäuble haben während der Griechenland-Krise zu sehr gegen Rest-Europa die deutschen Oberlehrer gespielt, was uns jetzt in der Flüchtlingskrise heimgezahlt wird. Nach dem Motto: Rache ist süß.
- In der Flüchtlingskrise müssen sich Frankreich und Österreich, aber dann auch die Osteuropäer solidarischer zeigen und auf Deutschland zu bewegen. Wenn Deutschland klipp und klar erklärt, dass wir bei weiteren guten Wirtschaftsdaten die Hauptlast zu tragen bereit sind, dann wird auch hier ein Kompromiss möglich.
Paris und Berlin, London und Warschau, Rom und Athen, Budapest und Prag haben bei allen Verschiedenheiten mehr gemeinsame politische, kulturelle, ethische, ökonomische und menschenrechtliche Interessen und Wurzeln als Tibet, Peking und Schanghai oder Alaska, New York und Arizona.
Zur EU gehören heute 500 Millionen Menschen. Sie wird nicht daran zerbrechen, wenn wir zusätzlich drei oder fünf Millionen Flüchtlingen helfen, die unsere Hilfe dringend benötigen. Aber sie wird zerfallen, wenn sie vergisst, dass sie auf humanitären und christlichen Werten beruht. Es ist ein Segen, dass die Pfarrerstochter Angela dies nicht vergessen hat.
Noch ist Europa zu retten, wenn wir uns an unsere gemeinsamen Interessen, unsere gemeinsame Geschichte, unsere gemeinsamen Werte und erst recht an unsere gemeinsame Verantwortung für die Zukunft erinnern.
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