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Unsplash.com | Michael Förtsch | E-Auto BYD

© Unsplash.com | Michael Förtsch | E-Auto BYD

Die elektrische Revolution ist angekommen – oder?

Kolumnist Martin Unfried bringt uns Nachrichten aus China und wundert sich über die deutsche Einstellung zur Elektromobilität.

Schon mal von „Build your dreams“ gehört? Abkürzung BYD? Dieser chinesische Autokonzern ist gerade mit verschiedenen Elektroautos auf den deutschen Markt gekommen. Die Presseberichte loben den Dolphin, Seal und Atto 3. Jede Wette: In ein paar Jahren wird BYD zu fahren so selbstverständlich sein, wie heute das Fahren eines koreanischen Kias.

Und was noch interessanter ist: Dieses Jahr löste BYD im ersten Quartal 2023 Volkswagen bei den Verkaufszahlen als Marktführer in China ab. Dabei machten E-Autos im September 52,7 Prozent der gesamten BYD-Verkäufe aus. Und diese Autos ohne Verbrennungsmotor erreichten kumuliert Ende September exakt 1.048.413 BYD-Einheiten, was einem Anstieg zum Vorjahr von 80,1 Prozent entspricht.

Merke: Was auf dem chinesischen Automarkt passiert, nennt man Disruption, also eine Entwicklung, die nicht etwa linear verläuft, sondern exponentiell das Alte zerstört. Ich nehme übrigens an, den chinesischen Markt interessiert es nicht so sehr, ob ein deutscher FDP-Verkehrsminister von E-Fuels träumt, um den Verbrennungsmotor künstlich am Leben halten zu können. Oder irgendwelche Professoren immer noch von der Überlegenheit des Wasserstoffantriebs im Pkw sprechen.

Heute wird immer deutlicher, dass selbst große Teile der Lkw-Fahrten in Zukunft batterieelektrisch angetrieben werden können. Eher bedenklich ist, dass diese Disruption in Deutschland noch nicht wirklich wahrgenommen wird. Dabei geht es um das Überleben der deutschen Autoindustrie. Aber meine Vorhersage einer rasanten Elektrifizierung war noch vor wenigen Jahren eine Minderheitenmeinung. Ich hatte nämlich den Innovationsexperten Tony Seba gelesen.

Der sagte bereits 2014 die Entwicklung erstaunlich genau vorher. Innovationen in unterschiedlichen Bereichen bringen gerade in der Kombination heftige Schübe mit sich. Dazu gehören neue Batterietechnologien mit fallenden Batteriepreisen, eine Zunahme der Rechengeschwindigkeit zur Beschleunigung der Digitalisierung im Auto und eine rasante Preisdegression im Bereich Photovoltaik. Letztere macht vor allem das Laden im Eigenheim attraktiv, was Batterie-Autos eben anders als Diesel sehr gut können. Zusätzlich brauchte es laut Seba noch Tesla als Außenseiter, der die Branche der Verbrenner-Bewahrer geknackt hatte. Und zwar nicht etwa im Segment der billigen „Verzichts“-Autos, sondern oben im Premiumsegment der Schönen und Reichen, wo die „Autogefühle“ entstehen. Darum ist elektrisch heute hot. Und so fragwürdig die Person Elon Musk auch ist: Er hat im Alleingang die Dekarbonisierung und Digitalisierung des Autoverkehrs um Jahre beschleunigt.

Es ist erstaunlich, wer alles gegen die Elektrisierung war. Natürlich die Petrol-Heads und Autobahndrängler, die mindestens 1.000 Kilometer ohne Pinkelpause runterbrettern wollen. Aber auch die Gewerkschaften, die Arbeitsplätze in Gefahr sahen und diese dadurch ironischerweise in Gefahr gebracht haben. Und leider auch viele Ökos: Wie konnte man denn Elektroautos gut finden, wenn es doch darum ginge, ganz vom Auto wegzukommen im Sinne einer umfassenden Verkehrswende?

Ich fand damals eine umfassende Verkehrswende genauso wichtig, einen schnellen Abschied von fossilem Diesel und Benzin klimapolitisch aber für spielentscheidend. Der Blick auf die heutigen Neuwagenverkäufe gibt mir leider recht. Immer noch viel zu viele, zu groß, zu schwer und zu viel Verbrauch. Da bin ich ehrlich gesagt froh, dass die Elektrifizierung global an Fahrt aufnimmt.

Volkswagen und Co. haben zu lange auf die falschen Pferdestärken gesetzt. Und in der Politik haben zu wenige die Wucht der Disruption sehen wollen. Jetzt kommt der Druck von außen und – wieder ein unschöner Widerspruch – gestützt von der fragwürdigen chinesischen Regierung. Was wäre also heute ein „gescheites“ Auto? I build my dream: klein, elektrisch, effizient, nicht zu teuer und europäisch.

Quelle

Martin Unfried 2023 | Ein Beitrag von Martin Unfried für das VCD-Magazin „fairkehr“ | www.fairkehr.de | www.fairkehr-magazin.de | redaktion@fairkehr.de

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