Nachhaltige Mobilität: Schneller ans Ziel mit KI
Trotz hoher CO2-Emissionen ist das Auto in Deutschland noch immer das Verkehrsmittel Nummer 1.
Um umweltfreundlichere Alternativen attraktiver zu machen, setzen sich Forschende des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB gemeinsam mit Partnern im Projekt DAKIMO für eine intelligente, intermodale Mobilität ein. Eine KI für Verkehrsmittel-übergreifende Routenvorschläge soll helfen, Menschen nahtlos, bequem und zuverlässig ans Ziel zu bringen – ganz ohne privaten Pkw.
Umweltfreundlich ans Ziel kommen – mit Bus, Bahn, Tram, E-Scootern und Leihfahrrädern ist das möglich. Im Vergleich zum Auto schneidet der öffentliche Personennahverkehr in Sachen Umweltbilanz deutlich besser ab. Dennoch dominiert der Pkw als Verkehrsmittel, schließlich ist er immer verfügbar, und die Fahrten mit dem Fahrzeug sind einfach zu planen. Damit der ÖPNV eine attraktive Alternative werden kann, müssen verschiedene Verkehrsmittel entlang einer Strecke problemlos kombiniert werden können, wobei der Wechsel zwischen ÖPNV, (Leih-)Fahrrädern und E-Scootern genauso komfortabel sein muss, wie der Griff zum Autoschlüssel. Derzeit nutzen Menschen solche intermodalen Verbindungen noch zu wenig, da Fahrten von A nach B mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu kompliziert zu planen sind. Man kommt mit dem Bus an Haltestelle X vielleicht in 30 Minuten an, und muss dann hoffen, dass dort Sharing-Bikes oder E-Scooter verfügbar sind. Möglicherweise wäre man besser doch zu Haltestelle Y gefahren, wo in der Regel mehr Leihfahrräder stehen? Routing-Apps berücksichtigen solche Faktoren bislang nicht in ihren Vorschlägen.
Vorausschauendes intermodales Routing per App

Hier setzt das Projekt DAKIMO (siehe unten) an: Forschende am Fraunhofer IOSB in Karlsruhe haben eine KI-basierte Prognose für die Verfügbarkeit von Sharing-Verkehrs-mitteln entwickelt, die unter anderem Livedaten zur Verkehrslage berücksichtigt. Die Prognose berechnet die Wahrscheinlichkeit, an einem gewählten Ort im Stadtgebiet zu einer bestimmten Zeit ein Leihfahrrad oder einen E-Scooter vorzufinden. Der Projektpartner raumobil GmbH nutzt diese Prognose für intermodales Routing, das heißt: Eine Mobilitätsapp schlägt Verbindungen vom Start zum Ziel vor, die auch die prognostizierten Verfügbarkeiten einkalkulieren. Ziel der Projektpartner ist es, am Beispiel der regiomove-App des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) intermodale Routenvorschläge Realität werden zu lassen. Wer die App nutzt, soll je nach aktueller Situation passgenaue Vorschläge für Verkehrsmittel erhalten, die optimal zu den individuellen Bedürfnissen und der jeweiligen Route passen.
»Damit Mobilität intermodaler und somit umweltfreundlicher wird, muss sie einfacher, zuverlässiger, flexibler und planbarer werden«, sagt Jens Ziehn, Projektleiter am Fraunhofer IOSB. »Unsere KI-Prognose schlägt das individuell bestmögliche Verkehrsmittel für das Ziel, aber auch für die einzelnen Teilstrecken vor, ohne den Überblick zu erschweren. Dabei werden buchbare Fahrzeuge, darunter auch Carsharing-Autos, sowohl am Anfang als auch am Ende der Fahrt angezeigt.« Wo der Mensch den Überblick verliert, etwa weil der Bus im Stau steht oder am letzten Halt keine Leihräder mehr verfügbar sind, springt die KI ein. »Die Prognose gelingt, da die KI über örtliche Verkehrszellen und über feine Zeitintervalle kurz- und langfristige Wahrscheinlichkeiten für die Verfügbarkeit und die erwartete Anzahl von Sharingfahrzeugen berechnet – basierend auf offenen Datenquellen, etwa Daten des ÖPNV, und historischen Daten, wie etwa Positionen von Leihfahrrädern«, ergänzt Reinhard Herzog, der am Fraunhofer IOSB die Gruppe Modellbildung und Vernetzung leitet.
Neuer, erweiterter Datenstandard für die Verkehrswende
Die KI-Prognose soll künftig in den internationalen, weltweit gültigen Standard GBFS (General Bikeshare Feed Specification) integriert werden – eine Echtzeit-Spezifikation für öffentliche Daten, die in erster Linie der Bereitstellung von Verkehrsinformationen wie Standortdaten für verbraucherorientierte Anwendungen dient. Derzeit läuft eine einjährige Evaluationsphase. »Während dieser Testphase ist die Prognosefunktion in einem Entwurf zur Erweiterung des Standards integriert«, erläutert Herzog. »Damit unsere KI-Technologie in den breiten Praxiseinsatz gebracht werden kann, ist es wichtig, dass der GBFS-Standard um prognostizierte Wahrscheinlichkeiten von Sharing-Fahrzeugen erweitert wird.« Denn dann wird der Standard nicht nur dazu dienen, Positionen aktuell verfügbarer Sharing-Verkehrsmittel anzuzeigen, sondern auch Vorhersagen über zukünftige Aufenthaltswahrscheinlichkeiten anzubieten, die eine KI berechnet.

Basierend auf den GBFS-Daten sollen Routing-Apps in Zukunft intermodale Routenoptionen anbieten können. Für die Standardisierung der Prognosefunktion hat sich der Projektpartner raumobil GmbH eingesetzt. Die Erweiterung des GBFS-Standards wurde vom MobilityData-Konsortium, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Standardisierung und den Austausch von Mobilitätsdaten konzentriert, akzeptiert. Der KI-Fusionsserver, über den alle Daten zusammengeführt werden, ist bereits in Betrieb. Er leitet KI-basiert die Verfügbarkeiten der Verkehrsmittel ab, die in Routenvorschläge einfließen. Zudem ist die KI-Prognose schon Bestandteil einer Testversion der Karlsruher regiomove-App, die verschiedenste Mobilitätsinstrumente für die Region Mittlerer Oberrhein miteinander vernetzt. Im nächsten Schritt soll das Prognosemodell auf den Raum Baden-Württemberg ausgerollt werden.
Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist groß, wie eine im Projekt in Auftrag gegebene Studie mit über 1500 Personen belegt: Knapp 90 Prozent der Teilnehmenden halten eine KI-basierte Vorhersage von Sharing-Verkehrsmitteln für hilfreich oder sehr hilfreich. Etwa 20 Prozent der Befragten würden gelegentlich das eigene Auto stehenlassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. »Unsere Forschungsergebnisse untermauern, dass wir mit Methoden der KI in der Lage sind, die Mobilitätswende zu unterstützen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten«, so Ziehn.