Solarstrom könnte über ein Viertel des Bahn-Strombedarfs decken
Photovoltaik-Potenzial steckt in fast allen Bereichen der Infrastruktur – Drei Szenarien, die die Klimabilanz der Schiene verbessern,
Die TÜV Rheinland-Studie für das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) beim Eisenbahn-Bundesamt zeigt das Potenzial von Photovoltaik-Anwendungen (PV) an und in der Schieneninfrastruktur. Der vom DZSF gerade veröffentlichte Abschlussbericht dokumentiert, dass sich PV-Anlagen nicht nur unter den gegebenen Randbedingungen in die Bahninfrastruktur integrieren lassen, sondern auch noch die Direkteinspeisung des erzeugten Solarstroms in das Fahrleitungsnetz technisch möglich machen. Oder anders gesagt: Das Potenzial der installierbaren PV-Anwendungen an der Schieneninfrastruktur beziffert TÜV Rheinland auf jährlich bis zu 2.940 Gigawattstunden Solarstrom. Knapp 1 Million Durchschnittshaushalte ließen sich damit jährlich versorgen, der Bahn kann dieses regenerative Potenzial eine noch weit bessere Klimabilanz besorgen.
Photovoltaik-Potenzial steckt in fast allen Bereichen der Infrastruktur
Über ein Viertel des gesamten jährlichen Strombedarfs der Bahn lassen sich im Gleisbett, an und in Lärmschutzwänden, auf Lärmschutzwällen und schienennahen Freiflächen sowie auf Dächern von Gebäuen und von Zügen durch PV-Module zusätzlich nachhaltig erzeugen. „Der Solarstrom wird überwiegend direkt in das Fahrleitungsnetz eingespeist, nur ein geringer Teil geht an bahneigene Gebäude an der Infrastruktur“, sagt Jürgen van der Weem, Bahntechnikexperte und Projektverantwortlicher bei TÜV Rheinland. „Die direkte Einspeisung ist ein Merkmal dezentraler Stromerzeugung. Der Strom wird dort erzeugt, wo er benötigt wird. Die Energieverluste, die durch mehrmaliges Umwandeln und beim Transport entstehen, fallen dabei deutlich geringer aus.“
Zwei Jahre Forschungsarbeit stecken in der Potenzialstudie
Das Expertenteam von TÜV Rheinland hat mit der „Potenzialstudie Photovoltaik“ Grundlagenarbeit geleistet. Die 260 Seiten umfassende Studie, die drei Bahn- sowie drei Photovoltaik-Experten des Prüfdienstleisters im Auftrag des DZSF in zweijähriger Forschungsarbeit erstellt haben, ist sowohl eine Bestandaufnahme der Schieneninfrastruktur als auch ein Impulsgeber für mehr Nachhaltigkeit. Alle auf dem Markt verfügbaren relevanten PV-Anlagen und Komponenten wurden intensiv hinsichtlich ihrer bahntechnischen Eignung untersucht. Im Vergleich zu konventionellen PV-Systemen bestand eine besondere technische Anforderung darin, die spezifischen Einflüsse zu untersuchen, wie beispielsweise Vibrationen und Verschmutzungen auf PV-Komponenten im Gleisbett einwirken.
Um das PV-Potenzial bestimmen zu können, haben die Experten von TÜV Rheinland die nutzbaren Flächen berechnet und die installierbaren Einspeiseleistungen sowie die erzielbaren Einspeiseenergien ermittelt. Die gesamte verfügbare und nutzbare Fläche in und an der Schieneninfrastruktur ergibt in Summe 30 km2. Das entspricht rund 4.300 Fußballfeldern.
Drei Szenarien, die die Klimabilanz der Schiene verbessern
Das Expertenteam von TÜV Rheinland gibt der Bahn in der Studie als Fazit drei Szenarien an die Hand, die nach Umsetzbarkeit und Stromgestehungskosten bewertet sind.
In Szenario A sind PV-Anlagen zusammengefasst, die ein hohes technisches und wirtschaftliches Potenzial und niedrige Stromgestehungskosten aufweisen. Dazu gehören Freifeldanlagen, Bahnhöfe, Überdachungen, Lärmschutzwälle und Lärmschutzwände. Das jährliche PV-Potenzial liegt bei 380 Gigawattstunden und ließe sich kurzfristig umsetzen.
Szenario B weist eine ähnliche Verteilung der PV-Anwendungen auf, aber mit anteilig höherem Potenzial, bei minimal höheren Stromgestehungskosten. Das Gesamtpotenzial beträgt 910 Gigawattstunden jährlich.
Szenario C betrachtet das Ausschöpfen aller technisch möglichen Potenziale. Als Stromgestehungskosten wurden 25 ct/kWh unter optimalen Bedingungen angenommen. Das jährliche Potenzial von 2.940 Gigawattstunden Solarstrom würde bei einem durchschnittlichen jährlichen Strombedarf der Bahn von etwa 11.000 Gigawattstunden einen Anteil von nahezu 27 Prozent des gesamten Strombedarfs abdecken.
Die schon jetzt an der Grenze der Belastbarkeit betriebene Bahninfrastruktur würde durch die Integration von PV-Anwendungen um eine Funktion ergänzt. Letztendlich gilt es jedoch, sämtliche Herausforderungen risikoarm zu bewerkstelligen. TÜV Rheinland empfiehlt deshalb in seiner Studie, zunächst das kurzfristig realisierbare PV-Potenzial aus Szenario A zu erschließen und praktische Erfahrungen für weitere Schritte zur Ausschöpfung des gesamten PV-Potenzials der Schieneninfrastruktur zu sammeln.