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Steuerbetrug der Autokonzerne durch falsche CO2-Angaben liegt bei über 10 Milliarden Euro

Deutsche Umwelthilfe warnte bereits 2009 anlässlich der Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Emissionsangaben vor falschen Angaben der Hersteller – 

Seit zehn Jahren ignorieren Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesverkehrsministerium die Forderung der DUH nach unabhängigen behördlichen Nachmessungen und Aufdeckung betrügerischer Abschalteinrichtungen auch bei den Spritverbrauchsangaben – Trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und eines von der DUH erwirkten Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin setzt das Bundesverkehrsministerium seine konspirative Kooperation zur Vertuschung des CO2-Betrugs bei VW fort – DUH wird im Rahmen der Untersuchungen seines Emissions-Kontroll-Instituts in 2018 verstärkt nach Betrugssoftware in der Motorsteuerung suchen.

Nicht nur bei der Angabe der Stickoxid (NOx)-Emissionen, sondern auch bei der Ermittlung von Spritverbrauch und damit der CO2-Emissionen von Pkw wird von vielen Autoherstellern betrogen. Während die Abweichung zwischen amtlichen Verbrauchsangaben zum Realverbrauch vor 17 Jahren ganze neun Prozent betrug, liegt diese im Durchschnitt bei mittlerweile 42 Prozent. Und dies bei gleichgebliebenen Prüfvorschriften. Durch die immer dreistere Spritlüge entgingen dem Bundesfinanzministerium seit Umstellung der Kfz-Steuer auf die CO2-Emissionsangaben im Jahr 2009 über zehn Milliarden Euro Kfz-Steuer.

Allein für 2017 rechnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Steuer-Mindereinnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Die letzten drei Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt weigerten sich, die nach einer EU-Verordnung zwingend vorgesehenen behördlichen Nachprüfungen anzuordnen. Damit nicht genug: Trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und eines von der DUH erwirkten Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 2 K 236.16) setzt das Bundesverkehrsministerium seine konspirative Kooperation zur Vertuschung des CO2-Betrugs bei VW fort. Anstatt die knapp eine Million geschädigten Autohalter ehrlich zu informieren und die den Behörden vorliegenden VW-Dokumente – wie vom VG Berlin im Dezember 2017 in einer Klage der DUH gegen das BMVI angeordnet – zu veröffentlichen, ist das Ministerium in Berufung gegangen.

Die DUH fordert den neuen Bundesverkehrsminister Andreas Franz Scheuer auf, die seit zehn Jahren bestehende Kumpanei mit notorischen Gesetzesbrechern endlich einzustellen und die Kontroll-Verweigerung seiner Vorgänger zu beenden. Die Bundesregierung ist laut EU-Recht verpflichtet, die CO2-Emissionsangaben der Hersteller zu kontrollieren, festgestellten Betrug zu veröffentlichen und die von der EU vorgeschriebenen „angemessenen und abschreckenden“ Geldstrafen anzuordnen.
Dass es auch anders geht, beweisen die USA, wo die mit der DUH kooperierende Verbraucher-schutz¬organisation „Consumer Watchdog“ vor zehn Jahren einen Betrug bei den Falschangaben hunderttausender Kia-/Hyundai-Modelle aufdeckte und fortan behördliche Kontrollen der Spritverbrauchs- und damit der CO2-Angaben durchsetzte. Heute beträgt die Differenz zwischen Norm- zu Realverbrauch in den USA dank stichprobenhafter Kontrollen der Umweltbehörde EPA nur drei Prozent.

„Die behördliche Nichtkontrolle führt in Deutschland dazu, dass die Automobilhersteller ihre Innovationskraft auf Softwaremanipulationen und immer dreistere Falschangaben bei den Emissionen verlegen und darauf verzichten, wirklich wirksame Spritspartechnik zu verbauen. Es ist ein Skandal, wenn das Bundesverkehrsministerium trotz Kenntnis dieses Betruges am Klimaschutz und am Geldbeutel des Autohalters aktiv wegschaut und damit Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe in Kauf nimmt. Wir fordern den neuen Verkehrsminister Scheuer auf, mit dieser Kumpanei zu brechen und unabhängige behördliche Kontrollen einzuführen. Dies schließt auch Transparenz ein: Alle gefundenen Abschalteinrichtungen – zu NOx ebenso wie zu CO2 – müssen veröffentlicht und Verstöße wirkungsvoll sanktioniert werden. Scheuer muss dem Betrug der Autokonzerne endlich ein Ende bereiten – nicht nur beim Stickoxid, sondern auch beim Spritverbrauch und damit klimaschädlichem CO2“, sagt Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH.

Deutschland ist aktuell weit davon entfernt, die international sowie national verbindlichen Klimaschutzziele zu erreichen. Im Verkehrssektor steigen die CO2-Emissionen seit 1990 sogar an, statt wie insgesamt als Ziel vorgesehen um 40 Prozent zu sinken. Die Nichtkontrolle führt wie bei den NOx-Betrügereien auch bei CO2 zu einer fatalen Fehlsteuerung. Seit zehn Jahren sind die realen CO2-Emissionen der Neufahrzeuge deutlich langsamer gesunken als die Herstellerangaben. Grund dafür ist auch die verstärkte Werbung für Stadtgeländewagen und Kleinlaster. Von 2010 bis 2017 hat sich die Zahl an neuzugelassenen SUVs und Geländewagen mehr als verdoppelt.

„Den gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Flottengrenzwert von 95 g/km bis 2021 nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Realität einzuhalten, wird nur durch konsequente Kontrollen gelingen. Wir erwarten von Scheuer, sich dabei von den Plänen seines Vorgängers zu verabschieden, diese Kontrollen ausgerechnet vom Staat an eine von den Autokonzernen finanzierte Prüfinstitution auszulagern“, so Metz weiter.

„Die Wahrheit liegt auf der Straße, nicht im Labor“, betont Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsberater. „Die Hersteller nutzen ‚halblegale und illegale‘ Umgehungsmaßnahmen, um die CO2-Werte im Prüflabor zu ‚schönen‘. Um diese Praxis zu beenden, müssen die CO2-Werte, ebenso wie die Schadstoffemissionen, auf der Straße ermittelt werden.“ Noch immer sind die CO2-Werte aus dem VW-Untersuchungsbericht von 2016 nicht veröffentlicht. „Diese Daten müssen endlich auf den Tisch“, fordert Friedrich.

Die Autohersteller sorgen mit den falschen Spritangaben nicht nur dafür, dass der CO2-Flottengrenzwert auf dem Papier eingehalten wird – sie verschaffen sich auch enorme Wettbewerbsvorteile: Durch niedrig angegebene Verbrauchswerte erscheint das Neufahrzeug attraktiver, sowohl was die Tankkosten als auch die Kfz-Steuer angeht. Nicht umsonst boomen derzeit Spritschlucker in Deutschland.

Eine am 10. März 2018 veröffentlichte Studie des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Grünen im Europaparlament zu Steuerausfällen in Europa aufgrund falscher CO2-Angaben („Loss of revenues in passenger car taxation due to incorrect CO2 values in 11 EU states“) bestätigt die Warnungen der DUH seit 2009: Die Ergebnisse verdeutlichen, wie viel Geld den europäischen Staaten durch falsche Angaben bei der Kfz-Zulassung entgeht. Der Verlust in den Jahren von 2010 bis 2016 wird auf insgesamt mindestens 46 Milliarden Euro beziffert.

„Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesregierung seit Umstellung der Kfz-Steuer auf ungeprüfte CO2-Angaben der Neuwagenhersteller alle Hinweise auf Steuerbetrug ignoriert und die erste entsprechende Untersuchung aus dem Europaparlament kommt. Wir brauchen ein Ende des Steuerbetruges. Ehrliche CO2-Angaben führen zu emissionsärmeren Fahrzeugen – das ist gut für den Verbraucher, die saubere Stadt und schließlich für den Klimaschutz“, so Metz weiter.

Hintergrund:

Erstmals im Herbst 2007 wies die DUH im Rahmen einer Pressekonferenz zur Eröffnung der IAA detailliert auf den Betrug bei falschen Emissionsangaben der Hersteller hin und forderte behördliche Kontrollen. In den Folgejahren dokumentierte die DUH die zunehmenden Abweichungen bei den CO2-Angaben der Neufahrzeuge, wies auf die immer dreisteren Betrügereien beim Zustandekommen hin und führte Emissionsmessungen an bestimmten Fahrzeugen durch. Die von der DUH von den Herstellern geforderten unabhängigen Kontrollen der CO2-Angaben werden bis heute vom Kraftfahrt-Bundesamt verweigert.

Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben ein. Die derzeitige Kampagne „Get Real – Für ehrliche Spritangaben!“ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert. 

Deutsche Umwelthilfe | Übersicht Steuer-Mindereinnahmen durch CO2-Betrug von 2009-2017Deutsche Umwelthilfe | Tabelle mit Entwicklung Real- zu NormverbräuchenDeutsche Umwelthilfe | Tabelle mit Abweichung Real- zu Normverbräuchen
Quelle

Deutsche Umwelthilfe 2018

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