„2030 kohlefrei“: Neues Kohleausstiegsszenario könnte Hambacher Wald retten
Bei einem verstärkten Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie Gaskraftwerken könnten die Kraftwerke Niederaußem und Neurath gedrosselt und früher abgeschaltet werden. RWE müsste somit im Tagebau Hambach deutlich weniger Braunkohle abbauen.
Für die Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters ist klar: „Die sauberen Alternativen zur schmutzigen Kohle sind längst da, jetzt muss die Regierung auch den politischen Mut aufbringen. Der wachsende friedliche Protest um den Hambacher Wald zeigt, dass viele Menschen endlich wirksame Schritte von der Politik erwarten.“ Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) im Auftrag von Greenpeace unterstützt diese Forderung mit Zahlen und belegt, dass ein Kohleausstieg bis 2030 möglich ist, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Auch die Klimaziele für 2020 würden so noch erreicht.
Nach diesem Szenario könnten Kraftwerksblöcke im rheinländischen Niederaußem und Neurath deutlich früher gedrosselt und abgeschaltet werden. Damit wäre die Rodung des Hambacher Waldes überflüssig, da RWE die Braunkohle unter dem Wald dann nicht mehr für die Aufrechterhaltung des Betriebes der beiden Kraftwerke benötigt.
(Quelle: Thomas Römer /OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0). Laut aktuellem Plan soll der Tagebau Hambach noch bis 2040 in Betrieb bleiben und weitere Ortschaften sowie den Hambacher Wald schlucken.
7,1 GW Braunkohleverstromung könnten bis 2020 problemlos vom Netz gehen – Bis Ende 2019 gehen bereits 7 Kraftwerksblöcke vom Netz
Am Wochenende wurden bereits zwei Kraftwerksblöcke in Niederaußem aus den Jahren 1970 und ´71 in die Reservebereitschaft überführt und sollen in 4 Jahren endgültig stillgelegt werden. Bis Ende 2019 sollen auch alle 4 Kraftwerksblöcke in Frimmersdorf und 1 Kraftwerksblock in Neurath abgeschaltet werden. Bislang gingen vom Hambacher Tagebau aus 40 Millionen Tonnen Braunkohle jährlich über die Hambachbahn in die genannten Kraftwerke.
Und dass in Zukunft noch deutlich weniger Braunkohle gefördert werden muss als geplant, zeigen die Berechnungen des Fraunhofer Instituts. Sollte die Politik die Sonderausschreibungen für Erneuerbare Energien zeitnah umsetzen, könnten schon bis 2020 Braunkohlekraftwerke mit einer installierten Kapazität von bis zu 7,1 Gigawatt ohne Probleme abgeschaltet werden. Das Institut bezieht sich dabei auf Größenordnungen, die das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der Bundesnetzagentur in einem inoffiziellen Vermerk als unkritisch für die Versorgungssicherheit eingestuft hatte.
Bis 2020 könnten noch zusätzlich 6 Kraftwerksblöcke vom Netz gehen
Dadurch könnten in Niederaußem neben den 2 nun abgeschalteten Kraftwerksblöcken noch zusätzlich 3 weitere Blöcke aus den Jahren 1965 bis 1974 abgeschaltet werden, die aufgrund ihres Alters als besonders klimaschädlich gelten. Und auch in Neurath könnten, neben dem bereits geplanten, noch drei weitere Kraftwerksblöcke aus den Jahren 1972 bis ´76 zum Erliegen kommen, ohne dass in Nordrhein-Westfalen das Licht ausgehen würde.
Deutlich weniger Braunkohle aus dem Hambacher Tagebau nötig – Die Kraftwerke Niederaußem und Neurath würden bis 2030 nur noch 250 bis 280 Millionen Tonnen Braunkohle benötigen.
Der Tagebau Hambach würde dann gemeinsam mit dem Tagebau Garzweiler nur noch 3 Kraftwerksblöcke in Neurath und 2 in Niederaußem mit Braunkohle zur Stromproduktion beliefern. Ein geringer Teil der Kohle geht zwar noch zusätzlich in die Fernwärmeproduktion und in Kohleveredelungsbetriebe, doch der Braunkohleabbau in den Tagebauen Hambach und Garzweiler könnte zeitnah drastisch heruntergefahren werden.
Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts würden die Kraftwerke Niederaußem und Neurath bis 2030 nur noch 250 bis 280 Millionen Tonnen Braunkohle benötigen, bis diese dann komplett abgeschaltet werden.
Denn laut den Forschern sei es möglich, die verbliebenen Kohlekraftwerkskapazitäten in Deutschland ab 2020 sukzessive zu drosseln, um dann 2030 komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen. Dafür müssten aber neben dem erheblichen Ausbau Erneuerbarer Energieanlagen in einem europäischen Verbundsystem und einem steigenden Preis für CO2-Emissionen auch Gaskraftwerke verstärkt zum Einsatz kommen, um flexibel auf mögliche Dunkelflauten der Sonnen- und Windkraft zu reagieren.
Zeitnah müsste ein Großteil dieser Gaskraftwerke zwar noch mit fossilem Erdgas betrieben werden, doch das hat im Vergleich zur Kohleverstromung weniger Treibhausgasemissionen zur Folge. Auch könnte in Zukunft verstärkt synthetisch hergestelltes Ersatzgas zum Einsatz kommen. Dies wird – im sogenannten Power-to-Gas Verfahren – aus Strom und Wasser mithilfe der Elektrolyse hergestellt.
- Foto rechts: Kimba Reimer / flickr.com, CC BY 2.0
- (Grafik Text: Thomas Römer /OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht
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werden! | energiezukunft | Heft 24 / Sommer 2018 | „20 Jahre liberalisierter
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