BREXIT muss auch EURATOM-EXIT sein
Am 27. Juni 2016 hatte Hans-Josef Fell mit einem Beitrag bei EurActiv den Anstoß zu der Diskussion gegeben, dass der Ausstieg Großbritanniens aus der EU (BREXIT) gleichbeutend sein müsse mit einem Ausstieg Großbritanniens auch aus dem europäischen Atomvertrag EURATOM (EURATOMEXIT).
Es kann ja wohl nicht sein, dass Großbritannien zwar aus dem EU-Vertrag von Lissabon aussteigt, aus dem zweiten europäischen Vertrag EURATOM aber nicht. Ein solcher BREXIT wäre wohl nur ein halber BREXIT.
Inzwischen wurde darüber vielfach diskutiert, auch in den großen Medien. So hat kürzlich auch die Financial Times über diese Zusammenhänge berichtet
Die Financial Times beleuchtete insbesondere die Kernfusionsforschung in Großbritannien, die nur über die Finanzmittel von EURATOM möglich ist. Die Mitgliedschaft in EURATOM ist die Voraussetzung für das britische Kernfusionsforschungs-Experiment JET (Joint European Torus). Im Culham Center im Süden von Oxfordshire sind 350 Wissenschaftler in das JET-Projekt involviert. Sie sollen das Potenzial der Fusionsenergie erforschen. EURATOM ist Mitglied in einem Kernfusionsforschungsverbund von fast 40 Staaten. JET ist das Vorläuferprojekt für das in Frankreich angesiedelte Milliardengrab ITER, ein jüngeres Kernfusionsforschungsprojekt, das nur Geld verschlingt aber keine Ergebnisse liefert.
Anders als bei den bereits über 50 Jahren in Betrieb befindlichen Atomspaltungsreaktoren, deren Energie mit Kernspaltung von schweren Atomkernen wie Uran gewonnen wird, wird bei der Kernfusion von leichten Atomkernen wie Wasserstoff Energie frei. Seit über 70 Jahren forscht die Weltgemeinschaft mit hunderten Milliarden Dollar völlig erfolglos an der Energiequelle Kernfusion. Auch bis 2050 wird kein funktionierender kommerzieller Betrieb eines Kernfusionsreaktors erwartet.
Auch Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass es für Großbritannien keine Rosinenpickerei beim BREXIT geben könne, was nur bedeuten kann, dass die für Großbritannien hoch lukrative Kernfusionsforschung, finanziert aus EU-Mitteln über EURATOM, beendet werden müsste. Die Folgen für England wären laut Financial Times gravierend.
Sollte die Forschungsstation JET tatsächlich geschlossen werden, fielen 3.000 Kubikmeter radioaktiver Abfall an. In Culhams JET Experimenten wird Tritium verwendet, ein radioaktives Wasserstoff Isotop. Die Säuberung einer Kontamination mit Tritium dauert etwa ein Jahrhundert. Das Plasma an den Wänden ist aus Beryllium, einem toxischen Metall. Die Entsorgung des Abfalls würde schätzungsweise 289 Millionen Pfund kosten (ca. 353 Mio €). In der EU sind durch EURATOM-Mittel insgesamt fast 1,1Mrd € Stilllegungskosten gebunden. Brüssel möchte, dass Großbritannien auch nach seinem Austritt für seinen Teil aufkommt.
Am Tag nach dem britischen Votum für den EU-Austritt sagte Tony Donné, der Programmmanager des europäischen Forschungsprogrammes EUROfusion: „Unser britisches Mitglied [Culham] ist ein starker Unterstützer des europäischen Fusionsprogrammes. Wir arbeiten hart daran, die Arbeit auch nach 2018 fortsetzen zu können. Ob und wie das möglich ist, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden.“ Auch der Leiter des JET setzt sich dafür ein, die Mitgliedschaft in EURATOM und EUROfusion aufrecht zu erhalten. Möglicherweise durch eine Sondermitgliedschaft, wie sie die Schweiz genießt.
Damit wird klar, dass es in Großbritannien starke Kräfte geben wird, nur einen halben BREXIT zu vollziehen, also bei EURATOM Mitglied zu bleiben. Kanzlerin Merkel muss hier hart bleiben, denn eine Rosinenpickerei soll es ja nicht geben. Es wäre unerträglich, wenn die Steuerzahler des Atomausstiegslands Deutschland auch noch über EURATOM Milliardenbeträge mitfinanzieren, um in Großbritannien Forschung an Atomfusion bei JET und „Sicherheits“-Forschungen für den neuen Atomreaktor Hinkley Point zu finanzieren, der letztlich doch nur der Aufrüstung der britischen Atomwaffen dient.
Quelle
Hans-Josef Fell 2016 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG