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pixabay.com | Benita5 | Das Kohlekraftwerk in Grevenbroich - RWE | Die Kohlekraftwerke des Energiekonzerns RWE sind von den Abschaltplänen der Kohlekommission besonders betroffen.

© pixabay.com | Benita5 | Das Kohlekraftwerk in Grevenbroich – RWE | Die Kohlekraftwerke des Energiekonzerns RWE sind von den Abschaltplänen der Kohlekommission besonders betroffen.

Das sind die Vor- und Nachteile des Kohlekompromiss

Der Kompromiss der Kohlekommission ist historisch, aber für den Klimaschutz auch ausreichend? Die beteiligten Umweltverbände tun sich mit dem Erfolg sichtlich schwer und hadern mit dem Ausstiegsdatum. Dennoch enthält das Dokument viel Positives.

„Besser schlechten Klimaschutz als gar keinen Klimaschutz“, das ist das eher düstere Fazit von Kai Niebert. Der Professor für Nachhaltigkeit, Vorsitzender des Umweltschutz-Dachverbands DNR und Mitglied der Kohlekommission sagte nach dem 21-Stunden-Marathon, der Kompromiss grenze an ein Wunder. Die Kohlekommission tagte bis zum Morgen, noch in der Nacht standen die Zeichen wohl mehrmals auf Abbruch und Vertagung.

Am Ende stimmten Wirtschaftsvertreter, Gewerkschaften, Wissenschaftler und Umweltverbände dem über 300 Seiten langen Abschlussbericht zu. Bundesregierung und Bundesländer hatten mehrfach dazwischengefunkt und letztlich ihr Okay gegeben. Einzig Hannelore Wodtke, Verteterin der Lausitzer Bürgerinitiativen, stimmte dagegen. Sie hatte auf einen schnellen Ausstieg im Osten gehofft.

Was ist also positiv am Kohlekompromiss?

  • Der Anfang ist geschafft: Auch Kohlekonzerne, Gewerkschaften und Industrie haben endlich begriffen, dass Klimaschutz nur ohne Kohle funktioniert. Es ist ein Wendepunkt in der deutschen Energiepolitik und ein Meilenstein für die Energiewende.
  • Der Hambacher Wald ist gerettet: Zwar steht im Kommissionsbericht der Erhalt sei „wünschenswert“, dennoch haben alle Seiten einen Verzicht auf die Rodung akzeptiert. Zudem dürften die bedrohten Dörfer in NRW erhalten bleiben.
  • Der gesellschaftliche Konflikt wird befriedet: Nicht nur die Bewahrung des Waldes ist ein wichtiges Zeichen. Auch der späte Kohleausstieg in Ostdeutschland ab 2025 und die vielen Milliarden an Strukturhilfe sichern den abgehängten Regionen, besonders in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier, den Weg in eine prosperierende Zukunft.
  • Der Kohleausstieg beginnt rasant: Bis Ende 2022 sollen 12,5 Gigawatt an Kohlekapazitäten abgeschaltet werden. Fast 5 Gigawatt an Braunkohlekraftwerken und 7,7 Gigawatt Steinkohlemeiler. Die 2,3 Gigawatt umfassende Netzreserve soll „weitgehend“ von Steinkohle auf Erdgas umgestellt werden.
  • Mehrere Überprüfungen sind vorgesehen: In den Jahren 2023, 2026 und 2029 erfolgt eine Bewertung der Fortschritte. Umweltverbände drängen darauf, 2023 weitere Abschaltungen einzuleiten. Denn für den Zeitraum ab 2022 bis 2030 bleibt der Abschlussbericht vage. 2032 wird geprüft, ob ein Ausstieg energiewirtschaftlich bereits 2035 möglich ist.

Welche Enttäuschungen enthält der Abschlussbericht?

  • Für den Klimaschutz ist das zu wenig: Deutschlands Klimaziel für 2020 wird Berechnungen zufolge wohl erst 2025 erreicht, das Klimaziel 2030 dagegen eingehalten. Das war eine der Vorbedingungen der Kommission. Allerdings wird das 1,5Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens mit dem Kompromiss nicht erreicht. Der renommierte Klimaforscher und Kommissionsmitglied Hans Joachim Schellnhuber bezeichnet den Kompromiss daher in dieser Hinsicht als „sicher nicht ausreichend“.
  • Es bleiben viele Unabwägbarkeiten: Der Plan ist teils vage, für den Zeitraum von 2023 bis 2030 konnten die Umweltverbände keinen konkreten Abschaltplan für Kohlekraftwerke durchsetzen. Es wird in den nächsten Jahren noch zahlreiche Diskussionen über den richtigen Weg geben.
  • Kohlekonzerne werden wohl mit Milliarden entschädigt: Die Kommission empfiehlt eine einvernehmliche Lösung mit den Kraftwerksbetreibern. Zwar könnten die meisten Kohlemeiler wohl per Gesetz ohne Entschädigung stillgelegt werden, die Kommission setzt dagegen auf Freiwilligkeit gegen Geld.
  • Die Bundesregierung muss die Empfehlungen in Gesetze gießen: Zwar haben die Kanzlerin, ihre Minister und die Bundesländer immer wieder in die Arbeit der Kohlekommission hineingefunkt und die Eckdaten abgenickt. Einen Automatismus zur Übernahme des Ausstiegsplans gibt es aber nicht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte an, die Regierung werde die Ergebnisse „sorgfältig und konstruktiv prüfen“.

Bundesregierung muss Rahmenbedingungen schaffen

Die Kommission gibt der Bundesregierung neben dem Kohleausstieg weitere Hausaufgaben mit: An der Zielmarke von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 muss festgehalten und eine Reform des Abgabensystems im Energiebereich auf die Tagesordnung gesetzt werden. Gerade in diesen beiden Punkten wird die Bundesregierung mächtig zulegen müssen. Zuletzt konnte man den Eindruck gewinnen, Altmaier und seine Kabinettskollegen würden mit Ausnahme von Umweltministerin Svenja Schulze alles dafür tun, den Ökostromausbau zu schwächen und den Reformstau weiter vor sich herzuschieben.

Dabei sind gerade die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen wichtig, damit nicht nur die Kohlekraftwerke schließen können, sondern die gesamte Energiewende eine stärkere Dynamik entfaltet. Folgerichtig fordert die Kohlekommission die Prüfung einer „CO2-Bepreisung mit Lenkungswirkung auch in den Sektoren außerhalb des Europäischen Emissionshandels“. Werden klimaschädliche Technologien in allen Bereichen, also auch im Verkehr, der Industrie und im Wärmebereich teurer, setzen sich klimafreundliche durch. Einen sozialverträglichen Vorschlag für eine CO2-Steuer hatten bereits Ende November zwei Top-Regierungsberater vorgelegt.

Für die Umweltverbände bedeutet der Kompromiss Fluch und Segen

Für die in der Kohlekommission beteiligten Umweltverbände, die Dachorganisation DNR, der BUND und Greenpeace, ist der Kompromiss Fluch und Segen zugleich. Sie betonen zwar, dass die Einigung wichtig sei, um den jahrelangen Stillstand in Klima- und Energiefragen endlich zu beenden. Sie alle haben dem Abschlussbericht zugestimmt. Zufrieden sind sie dennoch nicht und das besonders, weil der Kompromiss für den Klimaschutz, insbesondere für das 1,5-Grad-Ziel, nicht ausreicht.

Mehr war einfach nicht zu erreichen, heißt es. Dennoch heben sie insbesondere den schnellen Einstieg in den Ausstieg hervor. „Die Umweltverbände haben durchgesetzt, dass in den kommenden drei Jahren ein Drittel der Kohlekraftwerke abgeschaltet wird“, betont Kommissionsmitglied Martin Kaiser von Greenpeace. Wir werden weiter Druck machen, versichern die Umweltverbände. Sie hoffen, dass die Energiewende mit dem Kohlekompromiss eine sich verstärkende Dynamik entwickelt und der letzte Kohlemeiler deutlich vor 2038 vom Netz geht.

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (cw) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht
ohne Genehmigung
 weiterverbreitet
werden! | energiezukunft |
Heft 25 / Herbst 2018 | „Baustelle Energiewende – Was jetzt zu tun
ist“ | Jetzt lesen | Download

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