Die Klima-Kanzlerin als Totalausfall
Angela Merkel will erst einmal reden, das war die Botschaft, mit der sich die Kanzlerin an die Vertreter von 35 Staaten beim diesjährigen 10. Petersberger Klimadialog wandte. Von Klaus Oberzig
Bei der Zusammenkunft, die vom 12. bis 14. Mai in Berlin stattfand, wurde auf Ministerebene die Weltklimakonferenz in Santiago de Chile (COP 25) im Dezember 2019 vorbereitet. Dabei wird es um konkrete Maßnahmen bei der Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015 gehen. Als eines der wichtigsten Themen in Berlin galt die CO2-Bepreisung. Die Konferenzteilnehmer wollen sich unter anderem mit dem Modell der Schweiz befassen, die bereits seit 2008 eine CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe erhebt und ihren Bürgern einen Teil der Einnahmen über die Krankenkassenbeiträge zurückerstattet.
Von Seiten der deutschen Gastgeber gab es dazu nichts wirklich Erhellendes. Die Kanzlerin vermied es, eindeutig Stellung zur Klimapolitik zu beziehen. Man wolle einen Weg finden, um „Deutschland bis 2050 klimaneutral“ zu machen. Wie, konnte sie nicht erklären. Dafür gab sie luftiges Gerede von sich. „Es geht um Klimaneutralität. Das heißt, es muss nicht sichergestellt werden, dass es überhaupt keine CO2-Emissionen mehr gibt. Sondern man muss, wenn es noch CO2-Emissionen gibt, alternative Mechanismen finden, wie man diese speichern oder kompensieren kann.“ Genau das will die Kanzlerin jetzt angeblich mit dem Klimakabinett aus Vertretern von Verkehr, Bau, Landwirtschaft, Umwelt und Industrie angehen, das eigens dafür eingerichtet worden sei. „Und wenn wir dafür eine vernünftige Antwort finden, dann können wir uns der Initiative der neun EU-Mitgliedsstaaten anschließen“, sagte Merkel mit Blick auf Präsident Macrons Initiative.
Mit dem „Kraftakt“ des Kohleausstiegs sei man auf dem richtigen Weg. Jetzt müssten die anderen Sektoren nachlegen, die bisher ihre Klimaziele verfehlt hätten. Das gelte vor allem für Verkehr und den Wärmebereich – Merkel sagt das, als ob sie damit nichts zu tun gehabt hätte. Ob ein CO2-Preis der richtige Weg sei, müsse jetzt geprüft werden, legt sich die Kanzlerin nicht fest. Ihre Umweltministerin Svenja Schulze präsentiert sich hingegen als ehrgeizige Gastgeberin und forderte eine Steuer auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Mit welchem Konzept konnte sie allerdings auch nicht genau erklären. Aber sie ist sich sicher, wir „stehen am Beginn einer neuen Phase der Klimapolitik“. Die Konferenz sei ein Erfolg und man sei in der Vorbereitung von COP 25 gut vorangekommen.
Die ausweichende Haltung von Kanzlerin Merkel ist vor dem Hintergrund ihrer Energie- und Klimapolitik beredt. So mag es zwar ein Zufall sein, aber fast genau auf den Tag vor neun Jahren am 10. Mai 2010 hatte die damalige Merkel-Koalition einen Förderstopp für umweltfreundliche Solar-Heizungen angeordnet. Und der vom damaligen Bundesfinanzminister Schäuble durchgesetzte Förderstopp für wirtschaftlich dimensionierte, heizungsunterstützende Sonnenkollektoranlagen im Neubau von Einfamilienhäusern gilt bis heute. Dabei hatte der Bund noch im Jahr 2007 ein Marktanreizprogramm für den Wärmemarkt (MAP) aufgelegt, das genau diesem Ziel dienen sollte. Doch Bundesfinanzminister Schäuble blockierte die 115 Millionen, die für 2010 noch zur Verfügung standen, weil er sie angeblich für die Sanierung seines Haushalts einsetzen wollte.
Ausgerechnet beim ersten Petersberger Klimadialog, der vom 2. bis 4 Mai 2010 zum einzigen Mal in Bonn stattfand, musste der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor ausländischem Publikum erklären, warum die Bundesregierung ein Herzstück ihres Klimaprogramms aufgab. „Ich bin steuerlich, klimapolitisch und konjunkturell vom MAP überzeugt, aber der Bundesfinanzminister hat sich meiner Haltung nicht angeschlossen“, musste er einräumen. Röttgen mag das peinlich gewesen sein. Jedenfalls waren seine Tage als Umweltminister gezählt. Auch andere warnten damals davor, dass die Koalition ihre eigenen Klimaziele gefährde. „Wir können die Klimaschutzziele ohne einen massiven Ausbau des Heizens mit Erneuerbaren Energien nicht erreichen“, so Stefan Kohler, damals Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena).
Danach orientierten sich alle Merkel-Koalitionen an der Energieeffizienz-Theorie, mit der man vorgab, im Wärmebereich doch noch die Klimaziele erreichen zu können. Heute weiß man, dass diese Politik von 2010 bis heute ein klimapolitisches Desaster geworden ist. Und so lassen sich auch alle zehn Petersberger Klimadialoge einordnen. Obwohl sie alle in Deutschland stattfanden, war die deutsche Klimapolitik und Kanzlerin Merkel alles andere als vorantreibend. Bestenfalls wurden Lippenbekenntnisse zum Besten gegeben, denen keine Taten folgten. Der diesjährige Petersberger Klimadialog erzeugte den üblichen medialen Rummel, bot ansonsten aber nichts Neues: Fake as usual.
- Das Bundesumweltministerium zum Petersberger Klimadialog 2019
- Klima: Falsches Signal, Der Spiegel, 10.Mai 2010
Quelle
Der Bericht wurde von
der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie
e.V. (Klaus Oberzig) 2019 verfasst
– der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden!
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