DUH: Klimaklagen in fünf weiteren Bundesländern
Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Landesregierungen von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Keines der Bundesländer hat bisher ein Landesklimaschutzgesetz, das dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Grundgesetz genügt. Landesregierungen sind verpflichtet, Klima mit verbindlicher Gesetzgebung und umfassenden Maßnahmen zu schützen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reicht gemeinsam mit Kindern und jungen Erwachsenen neue Klimaklagen gegen fünf weitere Landesregierungen ein. Die Beteiligten fordern die Verabschiedung von Landesklimaschutzgesetzen, die dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Grundgesetz entsprechen. Die vor dem Bundesverfassungsgericht eingereichten Beschwerden richten sich gegen die Landesregierungen von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Keines der Länder hat bisher ein Landesklimaschutzgesetz. Bereits Anfang Juli hat die DUH mit Kindern und jungen Erwachsenen Verfassungsbeschwerden gegen Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen eingereicht.
Remo Klinger, der die Verfahren juristisch leitet: „Klimaschutz ist nicht nur Bundes-, sondern auch Landessache. Nicht nur die Bundesregierung ist verpflichtet, das Klima mit verbindlicher Gesetzgebung und umfassenden Maßnahmen zu schützen, sondern auch die Landesregierungen. Trotzdem sieht es bei allen Ländern, gegen die wir heute Verfassungsbeschwerde einreichen, beim Klimaschutz noch schlechter aus als auf Bundesebene. Diese Landesregierungen tun schlichtweg zu wenig.“
Hessen:
In Hessen gibt es drei teilweise minderjährige Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer. Sowohl das in Abstimmung befindliche Hessische Klimaschutzgesetz als auch der 2017 vom Kabinett beschlossene Klimaschutzplan sind ungeeignet, um die verfassungsrechtlichen Pflichten zum Klimaschutz zu erfüllen. Es fehlen die verbindlichen Jahresziele zur Einhaltung des verbleibenden CO2-Budgets.
Alena Hochstadt, Beschwerdeführerin aus Hessen: „Ich habe Angst, dass uns Fluten, Stürme, Dürren und andere von der Klimakatastrophe verstärkte Naturkatastrophen treffen werden. Ich habe Angst, dass die Landesregierung unsere Zukunft verspielt. Deshalb reiche ich Verfassungsbeschwerde ein gegen die hessische Landesregierung: Ich erwarte, dass auch mein Bundesland einen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens leistet und endlich ein Klimaschutzgesetz beschließt!“
Mecklenburg-Vorpommern:
In Mecklenburg-Vorpommern gehen fünf junge Erwachsene und Kinder juristisch gegen die Landesregierung vor. Es gibt kein Landesklimaschutzgesetz in Mecklenburg-Vorpommern, es soll auch keines geben. Ein Gesetzesentwurf vom Januar 2021 scheiterte. Der Aktionsplan Klimaschutz enthält keine relevanten Zielstellungen und ist ohne demokratische Mitwirkung des Landesparlaments zustande gekommen.
Hannes Damm, Beschwerdeführer aus Mecklenburg-Vorpommern: „Seit meiner Geburt hat sich der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr verringert und es gibt keinen Plan, wie die Landesregierung das Klima-Limit aus dem Paris-Abkommen einhalten möchte. Die Landesregierung verschließt die Augen vor der Klimakatastrophe. Ich selbst bin gerade Vater geworden und will die Klimakrise für die Zukunft meiner Familie aufhalten.“
Saarland:
Im Saarland reichen eine Jugendliche und ein junger Erwachsener Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Im Saarland gibt es kein verbindliches Klimaschutzgesetz und es soll auch keines geben.
Leonie Frank, Beschwerdeführerin aus dem Saarland: „Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass die kommenden Generationen eine Chance auf ein einigermaßen angenehmes Leben bekommen. Die Zeit läuft uns davon: Wir müssen jetzt schnellstmöglich handeln, um die schlimmsten Klimafolgen abzumildern. Auch die Landesregierung im Saarland muss ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Maßnahmen beschließen. Deshalb ziehe ich vor das Bundesverfassungsgericht.“
Sachsen:
Drei Kinder und junge Erwachsene reichen in Sachsen Verfassungsbeschwerde gegen die Landesregierung ein. Auch hier gibt es kein Landesklimaschutzgesetz, ein Entwurf scheiterte im Dezember 2020. Das „Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2021“ enthält weder relevante Zielstellungen noch besteht Rechtsschutz für die Beschwerdeführenden, mit dem sie zum Erhalt ihrer Freiheitsrechte auf Nachbesserung drängen könnten.
Tristan Runge, Beschwerdeführer aus Sachsen: „Durch die Klimakatastrophe wächst die soziale Ungleichheit in Deutschland und der Welt. Mir ist absolut unbegreiflich, wieso Sachsen keine Pläne für sozial-gerechten Klimaschutz vorzeigen kann. Mein Bundesland lenkt mich und alle künftigen Generationen in eine Katastrophe. Großdemonstrationen und die Wünsche der jungen Generation sind wohl nicht ausreichend, um die Regierenden zum Handeln zu bringen. Deshalb ziehe ich vor das Bundesverfassungsgericht.“
Sachsen-Anhalt:
In Sachsen-Anhalt reichen drei Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wegen eines fehlenden Landesklimaschutzgesetzes Verfassungsbeschwerde ein. Es existiert lediglich ein Klima- und Energiekonzept, das allerdings keine relevanten Zielstellungen enthält.
Luca Salis, Beschwerdeführer aus Sachsen-Anhalt: „Die menschengemachte Klimakrise wirkt sich bereits jetzt extrem auf uns Menschen, unsere Existenz und Freiheit aus. Das wird künftig noch deutlich heftiger. Für mich hat der neue Bericht des Weltklimarats IPCC erneut bestätigt, dass die in hohem Maße unzureichende Klimapolitik in Sachsen-Anhalt eine Gefahr für das Leben und die Freiheit vieler Millionen Menschen inklusive mir selbst darstellt.“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wir erwarten gerade auch von Bundesländern, die nicht einmal ein Landesklimaschutzgesetz haben, besondere Anstrengungen bei kurzfristig wirksamen Maßnahmen: Die Länge von Fahrradwegen muss durch sogenannte Pop-up-Verfahren verdoppelt werden, neue Straßenbauvorhaben gestoppt und ein Tempolimit von 80 km/h außerorts und 30 km/h innerorts eingeführt werden. Die für den Klimaschutz dringend benötige Verkehrswende kann durch bundesweit gültige 365-Euro-Jahrestickets für den Nahverkehr und eine funktionierende Anbindung der ländlichen Räume gelingen.“
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Bei den meisten Landesregierungen ist offenbar die Dringlichkeit der Klimakrise noch nicht angekommen. Ansonsten würden sich beispielsweise Sachsen und Sachsen-Anhalt für einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung einsetzen oder Mecklenburg-Vorpommern gegen den Bau der fossilen Megapipeline Nord Stream 2. In allen von uns beklagten Bundesländern wird außerdem das Potenzial der erneuerbaren Energien nicht ausreichend ausgeschöpft.“
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Die Bundesländer müssen mehr investieren in die Sanierung ihrer öffentlichen Gebäude. Schulen und Kindergärten sind teilweise in einem maroden Zustand – darunter leiden Kinder und Jugendliche jetzt und in Zukunft durch die Folgen der Klimakrise. Diese Verfassungsbeschwerden müssen ein Weckruf für die betroffenen Bundesländer sein, endlich eine Sanierungsoffensive für Gebäude zu starten.“
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