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© pixabay.com | jlujuro | Weltweit brennen die Wälder, wir erleben immer neuen Hitzerekorde, zuletzt in Skandinavien und Kanada, Überschwemmungen nehmen zu. Um den Klimawandel zu verlangsamen, müssen in den kommenden 10 Jahren so viele Emissionen reduziert werden wie in den vergangenen 30.

EU-Klimapaket: anspruchsvollste Klimagesetze weltweit

Bundesregierung verwässert Ziele bis zuletzt. Die EU hat heute (14. Juni) das anspruchsvollste Klimapaket weltweit vorgestellt.

Um die neuen Ziele des Europäisches Klimagesetzes für 2030 konkret umzusetzen, schlägt die EU-Kommission ein nie dagewesenes Reformpaket vor. Alle wichtigen EU-Gesetze zum Klimaschutz – vom EU-Emissionshandelssystems über erneuerbare Energien und Energieeffizienz bis zu CO2-Grenzwerte für Autos und Energiesteuern – werden an das Klimagesetz angepasst. Damit geht Europa einen weiteren großen Schritt beim Klimaschutz. Das heutige Paket ist (noch) nicht perfekt, doch vor kurzem war es noch fast undenkbar, dass solche Reformen überhaupt kommen könnten. Eine starke grüne Europawahl, konstanter Druck aus der Zivilgesellschaft und eine in weiten Teilen ambitionierte EU-Kommission machen dies möglich. Europa legt damit harte Gesetze vor, die es in Deutschland immer noch nicht gibt. 

Die Bundesregierung hätte ein ambitioniertes Klimaschutzpaket für die zukünftigen Generationen beschließen müssen. Doch stattdessen gibt es heute keinen deutschen Unterbau für die europäischen Pläne. 

Unser Planet signalisiert uns fast täglich: es ist zu viel! 

Weltweit brennen die Wälder, wir erleben immer neuen Hitzerekorde, zuletzt in Skandinavien und Kanada, Überschwemmungen nehmen zu. Um den Klimawandel zu verlangsamen, müssen in den kommenden 10 Jahren so viele Emissionen reduziert werden wie in den vergangenen 30. Das heutige Klimapaket entscheidet, ob Europa der Weg zur Klimaneutralität und zum neuen Klimaziel 2030 gelingt. Denn das Europäische Klimagesetz hat uns nicht auf den Pariser 1,5-Grad Pfad gebracht. Zu stark war der Widerstand der nationalen Regierungen. Auch die heutigen Vorschläge für die Klimaregeln für Autos, Energieeffizienz von Gebäuden und den entscheidenden CO2-Preis sind nicht auf Pariser Kurs. Denn die EU-Kommission setzt das 52,8% Emissionsziel (inklusive Rechentricks sind es netto 55%) des Klimagesetzes um. Für den 1,5 Grad-Pfad von Paris brauchen wir aber -65% Emissionen bis 2030 gegenüber 1990. Wir werden deshalb konkrete Änderungen vorschlagen, um jedes einzelne Gesetz fit für Paris zu machen.  Damit wir die Transformation von Industrie, Verkehr, Gebäuden, erneuerbarer Energie und vielem mehr schaffen. Europas Industrie ist heute Vorreiterin. Doch wollen wir auch in weiterhin Zukunftstechnologien hier entwickeln und produzieren, müssen wir uns besser aufstellen. Der Klimaschutz ist eine große ökonomische Chance für unsere Wirtschaft, die wir nutzen müssen um wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Das Verbrenner-Aus kommt 2035 – gegen den Widerstand der Bundesregierung 

Um die EU-Klimaziele zu erreichen, muss der Straßenverkehr endlich seinen gerechten Anteil übernehmen. Es müssen weniger Autos auf unseren Straßen fahren und diese müssen emissionsfrei sein. Die EU-Kommission schlägt deshalb heute vor, dass ab 2035 keine neuen Verbrenner-Autos in Europa verkauft werden dürfen. Wir Grüne werden uns in den anstehenden Verhandlungen für emissionsfreie Autos ab 2030 einsetzen, denn nur so kommen wir auf den 1,5-Grad Pfad. Obwohl viele große Autohersteller bereits angekündigt haben, in Zukunft in Europa keine Verbrenner mehr verkaufen zu wollen, war diese Entscheidung eine der am härtesten umkämpften Maßnahmen des Klimapakets. Die Bundesregierung hatte für lebensverlängernde Maßnahmen für Benzin und Diesel bis 2040 gestritten, obwohl unter anderem Opel (2028), Ford (2030), Volvo (2030), Audi (2033), VW (2035) und General Motors (2035) diese Autos schon lange davor in Europa gar nicht mehr verkaufen wollen. 

Grüner Erfolg: Kerosin wird endlich besteuert

Heute zahlen Fluggesellschaften keine Steuern auf Kerosin, anders als andere Industriezweige und private Verbraucher*innen, die für jeden Liter Benzin und Diesel steuern zahlen. Dieses klimaschädliche Privileg wird nun schrittweise abgeschafft. Der Vorschlag zur Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie sieht vor, dass zwischen 2023 und 2033 schrittweise höhere Steuern auf Kerosin erhoben werden. So wird dieser mächtige Sektor endlich ähnlich besteuert wie private Autofahrer*innen. Dafür haben wir Grüne lange gestritten!    

Die EU-Kommission schlägt eine grundlegende Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie vor, um die Besteuerung von Energieerzeugnissen an die Energie- und Klimapolitik der EU anzupassen. Veraltete Ausnahmen und ermäßigte Steuersätze sollen abgeschafft werden. Heute gibt es zum Beispiel Ausnahmen für gewerblich genutzten Diesel. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird um Energieprodukte oder -verwendungen erweitert die zuvor der Energiebesteuerung der EU entgangen waren wie mineralogische Prozesse, der innereuropäischen Luftverkehr und der Seeverkehr. Die Mitgliedstaaten werden weniger Spielraum haben, niedrigere Steuersätze festzulegen

Zweiter Emissionshandel belastet ärmere Haushalte 

Die Reform des europäischen Emissionshandelssystem ist ein Kernstück des sozial gerechten Klimaschutzes in Europa. Doch nun sollen in einem neuen zweiten Handelssystem auch die sensiblen Bereiche Verkehr und Wohnen in das europäische Emissionshandelssystem einbezogen werden ohne vollständigen sozialen Ausgleich der zusätzlichen Kosten. Das würde zu ungerechten Belastung der Bürger*innen gerade in ländlichen Gegenden führen. Denn während private Verbraucher*innen durch einen CO2-Preis finanziell direkt betroffen wären, sollen gleichzeitig kostenlose Emissionszertifikate weiter an Industrieunternehmen verteilt werden. Die EU-Kommission schlägt zwar einen Sozialfonds vor, doch dieser wird die systematische Ungleichheit nicht beheben. Denn nur ein Teil der Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen an die Verbraucher*innen zurückfließen. Wir Grüne setzen uns ein für die vollständige Rückgabe der Einnahmen pro Kopf durch ein Energiegeld. Damit wird Klimaschutz sozial gerecht. 

Energieeffizienz und erneuerbare Energien werden unzureichend gestärkt

Die klimafreundlichste Energie ist die, die wir nicht benötigen. Deshalb werden die Energieeffizienzziele für die Mitgliedstaaten erhöht. Laut Vorschlag der EU-Kommission wird die jährliche Energieeinsparverpflichtung der Mitgliedstaaten fast verdoppelt. Der öffentliche Sektor muss in Zukunft jedes Jahr 3 % seiner Gebäude renovieren. Auch die Ziele für die Erneuerbaren werden erhöht. Bis 2030 will die EU-Kommission 40% der Energie in der EU aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Doch das ist nicht genug für Paris. Wir Grüne werden uns für ambitioniertere Ziele einsetzen, die uns ermöglichen, das Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Eine zu 100% erneuerbare Wirtschaft bis 2040 ist nicht nur technisch und wirtschaftlich möglich, sondern vor allem unverzichtbar, um einen 1,5°C-kompatiblen Pfad beizubehalten. Wir werden uns auch klar gegen das Fällen von Bäumen zur Energienutzung einsetzen. Es darf nicht als erneuerbare Energie gerechnet werden. 

Kampf um Abschwächungen im vollen Gange

Auch wenn die Wissenschaft und unser gesunder Menschenverstand uns immer wieder erklären, dass wir sofort umsteuern müssen, geht das Ambitionsniveau oft in die falsche Richtung. Schon während die EU-Kommission das Gesetzespaket vorbereitete, wurde am Ast gesägt auf dem wir sitzen. Aus vielen Richtungen werden die Stimmen der Verwässerung lauter. Die nationalen Regierungen übten erheblichen Druck auf die EU-Kommission aus, die diesem jedoch in weiten Teilen stand hielt. Die Bundesregierung hat bis zuletzt für eine Abschwächung des heutigen Pakets gekämpft und für die Autoindustrie Lobbyarbeit gemacht. Dabei war sie teilweise erfolgreich: Die CO2-Grenzwerte für Autos werden bis 2030 nur um 55% gesenkt im Vergleich zu heute. Ursprünglich hatte die EU-Kommission -60% vorschlagen wollen. 

Verhandlungen in Europaparlament und Rat beginnen – Wir setzen uns für sozial gerechte Wende für Paris ein 

Bei dem heutigen Paket geht es nicht nur ums Klima, sondern um einen grundlegenden Umbau unserer Gesellschaft und unseres Umgangs mit der Natur. Für die europäische Industrie bedeutet Klimaneutralität eine große ökonomische Chance. Wir wollen unsere Industrie zum Klima-Champion machen. Die heutigen Vorschläge der EU-Kommission sind noch nicht beschlossene Sache. Sie müssen erst von Europaparlament und dem Rat der Mitgliedstaaten verhandelt und angenommen werden. In diesen Verhandlungen gibt es die Möglichkeit, an den entscheidenden Stellen nachzubessern – oder zu verwässern. Wir Grüne werden uns mit aller Kraft für ambitionierten Klimaschutz einsetzen. Damit Europa eine sozial gerechte Wende für Bürger*innen, Unternehmen, Industrie und Mobilität gelingt. Und wir die Versprechen des Pariser Klimaabkommens und des europäischen Green Deal für Umwelt und Menschen einlösen, Innovationen fördern und zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern. Ob die Vorschläge der EU-Kommission verbessert und verwässert werden, wir auch von der Bundestagswahl im September abhängen. Denn die neue Bundesregierung wird im Rat der Mitgliedstaaten entscheidend an der Ausgestaltung der Gesetze beteiligt sein. Die Bundestagswahl wird also mehr denn je zur Klimawahl! 

Quelle

Sven Giegold, MdEP 2021

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