Habecks Strategie: Zement als Türöffner fürs CO₂-Speichern
Klimaneutralität ist ohne CO2-Speicherung nicht zu haben – das gilt nach Ansicht des Wirtschaftsministers nicht nur für Zweige mit unvermeidbaren Emissionen, sondern auch für weitere wie Gaskraftwerke. Grüne, SPD und Umweltverbände widersprechen.
Wer klimapolitisch begründen will, warum sich beim besten Willen nicht alles CO2 vermeiden lässt, nimmt als Beispiel die Zementindustrie. Diese ist in Deutschland aktuell für jährlich rund 20 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich.
Ein großer Teil entsteht dabei durch das Brennen des Kalksteins. Kalziumkarbonat (CaCO3) wird bei mehreren hundert Grad in seine Bestandteile Branntkalk (CaO) und CO2 zerlegt. Das CO2 gelangt bisher mit den Ofenabgasen in die Atmosphäre.
Im Fall Zement kommt auch das Umweltbundesamt zu dem Ergebnis, es sei nicht möglich, die sogenannten rohstoffbedingten Emissionen vollständig zu vermeiden. Deren Freisetzung könne derzeit nur durch Abscheidung des CO2 verhindert werden.
Gleichzeitig warnt die Behörde, dass die CCS-Technologie, also CO2-Abscheidung und ‑Speicherung, die Verbreitung klimafreundlicherer Materialien und Technologien im Bausektor erschweren würde. Wenn Deutschland aber weiter Zement als Baustoff nutzen und bis 2045 klimaneutral werden will, führt an CCS kein Weg vorbei.
Keineswegs zufällig stand deswegen der Chef des Baustoffkonzerns Heidelberg Materials, Dominik von Achten, am Montag an der Seite von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), als dieser neue Eckpunkte der Bundesregierung zur CO2-Abscheidung sowie den Referentenentwurf eines Kohlenstoffspeichergesetzes vorstellte.
„Ohne CO2-Speicherung ist der 1,5-Grad-Pfad nicht erreichbar“
Heidelberg Materials hieß bis Herbst 2022 Heidelberg Cement. Vorstandschef von Achten kennt sich klimapolitisch aus. Ohne CCS gerade für die unvermeidbaren Emissionen werde man nicht auf einen 1,5-Grad-Pfad kommen, sagte von Achten, nicht ohne klimakorrekt zu betonen: Bevor man auf die Speicherung oder auch Nutzung von CO2 zurückgreife, gelte es alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Weltweit wolle die Zementindustrie bis 2030 ihre Emissionen um zehn Millionen Tonnen senken, so der Konzernchef. Das gehe aber nur, wenn auch in Deutschland CCS möglich werde.
Das von Habeck vorgelegte Speichergesetz öffnet dabei vor allem den Weg, das CO2 künftig in Pipelines von den Emittenten zu den Speicherstätten zu transportieren. Das ist in der Bundesrepublik bisher nicht erlaubt.
Bis 2029 will der Heidelberger Baustoffkonzern als Pilotprojekt sein Zementwerk Geseke bei Paderborn mit einer CO2-Abscheidung ausstatten. Das Treibhausgas soll dann per Bahn an die Küste nach Wilhelmshaven gebracht und von dort nach Norwegen verschifft werden. Die Skandinavier lagern schon seit einigen Jahrzehnten CO2 in alte Erdgaslager ein und bieten dies unter dem Projektnamen „Northern Lights“ künftig europaweit an.
Neben dem „Export“ von CO2 soll das Kohlenstoffspeichergesetz auch die unterirdische Einlagerung in Offshore-Speicherstätten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beziehungsweise unter dem Festlandsockel ermöglichen. Das deutsche Festland soll aber für die CO2-Speicherung tabu bleiben.
Heidelberg Materials selbst nutzt bereits in einem norwegischen Zementwerk die Möglichkeit zum CO2-Einlagern. Für das Unternehmen rechnet sich das zumindest auf längere Sicht, weil es für gespeichertes CO2 keine der künftig knapper und teurer werdenden Emissionszertifikate kaufen muss. Als energieintensive Industrie ist die Zementbranche zur Teilnahme am europäischen Emissionshandel verpflichtet.
- Hier können Sie den Bericht weiterlesen
- klimareporter: Carbon-Management-Strategie – Unterirdische Strategie | Wirtschaftsminister Habeck will die CO2-Endlagerung salonfähig machen, aber er geht dabei zu weit. CCS auch für fossile Gaskraftwerke zu erlauben, würde die Glaubwürdigkeit der Grünen schwer beschädigen. Ein Kommentar von Joachim Wille
- Nina Scheer: CO2-Vermeidung muss Vorrang haben – kein CCS bei Energiegewinnung
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! (Bild: Martin Kraft/Wikimedia Commons, CC by‑sa 3.0)