Nord Stream 2: Putin hat gewonnen, der Klimaschutz verloren
Die USA haben ihre harte Linie gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 aufgegeben. Polen und die Ukraine als Transitländer verlieren im Machtpoker. Riesige Mengen Erdgas werden über viele Jahre nach Deutschland strömen, ein Fiasko für den Klimaschutz.
27.07.2021 – Die Gaspipeline, die Erdgas aus Russland über die Ostsee direkt nach Deutschland transportieren soll, hat harte Kritiker in den USA. Die dortige Gaslobby will große Mengen Flüssiggas in die EU exportieren – billiges Erdgas aus Russland ist unliebsame Konkurrenz. Zudem stärkt die Pipeline die geopolitische Machtposition Russlands. Ex-US-Präsident Trump verhängte Sanktionen gegen die am Bau beteiligten Firmen. Die Bundesregierung versuchte die Wogen zu glätten und bot sogar an, mit Steuermitteln den Bau von Flüssigerdgasterminals in deutschen Hafenstädten zu unterstützen – um Sanktionen zu vermeiden.
Jetzt hat das Tauziehen der Supermächte ein vorläufiges Ende. Präsident Biden hat gegenüber Bundeskanzlerin Merkel letzte Woche die harte Konfrontationslinie aufgegeben. Er sagte zu, dauerhaft auf Sanktionen gegen das Projekt zu verzichten. Deutschland will im Gegenzug die Folgen für die Ukraine mit finanzieller Unterstützung abmildern und sich für Sanktionen gegen Russland einsetzen, falls Russland die Gasleitung als politisches Druckmittel einsetzt.
Was Merkel nicht geschafft hat, soll die künftige Regierung wuppen
Die zukünftige Bundesregierung soll dafür Sorge tragen, dass die Ukraine auch weiterhin nach Auslaufen der bestehenden Verträge als Transitland für Erdgas im Geschäft bleibt und daraus für den Staatshaushalt wichtige Einnahmen erzielt. Damit hinterlässt Merkel ihrer Nachfolgerin oder ihrem Nachfolger eine nahezu unlösbare außenpolitische Aufgabe, denn Putin lässt sich nicht so einfach aus Berlin beeinflussen. Die Ukraine und Polen lehnen die Pipeline ab – und damit auch den Kompromiss zwischen den USA und Deutschland.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, hatte die Übereinkunft zwischen Deutschland und den USA kritisiert. „Diese gemeinsame Erklärung ist keine Lösung – insbesondere nicht für die Sicherheit der Ukraine“, sagte Baerbock der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie halte die Pipeline für falsch, sowohl aus klimapolitischen als auch aus geopolitischen Gründen.
Bremsklotz für den Klimaschutz
Über die Pipeline sollen jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland strömen. Weil das Megaprojekt Milliarden Investitionen verschlungen hat, werden die Betreiber alles dafür tun, die geplanten Einnahmen auch zu realisieren – sprich Erdgas zu fördern und zu liefern. Neben der politischen Schwächung der Ukraine liegt darin die wirkliche Dramatik. Dem Klimaschutz wird ein gewaltiger Bremsklotz verpasst.
Die Gaslobby hat in Deutschland indes ganze Arbeit geleistet. Gas wird von vielen Politikern als „notwendige und saubere Brückentechnologie“ auf dem Weg in die Klimaneutralität angesehen – dabei wird genau mit der Schaffung solcher Infrastrukturen der Grundstein dafür gelegt, dass Investitionen in Alternativen weiterhin ausgebremst werden.
Zuletzt verbuchte die Erdgaslobby beim Ringen um die Wasserstoffgewinnung Erfolge. Ein Großteil des heute verfügbaren Wasserstoffs wird mit Gas hergestellt, und das soll nach dem Willen der Erdgaslobby auch so bleiben. Die Herstellung von Wasserstoff mit Erdgas wird als notwendig erachtet, womöglich subventioniert werden. Doch nicht nur bei der Verbrennung von Gas entstehen Emissionen, auch bei dessen Förderung und Transport. Erdgas hat eine erhebliche Klimawirkung, wie unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung unter Berufung auf Klimaforscher beschreibt. Bei Förderung und Transport entweichen große Mengen Methan, ein hochwirksames Klimagas.
Nord Stream 2 bleibt weiter umstritten
Doch Umweltschützer kämpfen weiter gegen Nord Stream 2. Erst im Mai hatte der NABU einen Baustopp aus Naturschutzgründen erreicht. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) setzt ihren juristischen Kampf gegen das Projekt fort. Im letzten Jahr ließ sie die Betriebsgenehmigungen juristisch prüfen. Jetzt hat sie die landeseigene „Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern“ im Visier. Medienwirksam von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) aus der Taufe gehoben, soll die Stiftung beispielsweise Baumaterialien für den Weiterbau einkaufen und so Firmen vor den inzwischen nicht mehr bestehenden Sanktionen schützen. Die DUH argumentiert, dass die Stiftung dem Gemeinwohl schade und deshalb das Stiftungsrecht verletze – sie hätte gar nicht gegründet werden dürfen.
Deutschland und Europa brauchen nicht mehr Gas, sondern ein klares Ausstiegsszenario. Denn wenn Erdgas mittelfristig in großen Mengen preisgünstig verfügbar bleibt, wird die Industrie ihre Produktion weiter mit diesem Rohstoff optimieren und keine Investitionen in nachhaltige Lösungen anschieben. Petra Franke
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (Petra Franke) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 30 / 2021 | „Power for Future – Die Zukunft der Energieerzeugung“ | Jetzt lesen | Download | (Foto: BoH auf Wikimedia / CC BY-SA 3.0)