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Praxisbeispiel für Energieautarkie in mittelständischen Betrieben

Laut dem IHK-Energiewende-Barometer 2012 wollen immer mehr Betriebe ihr eigener Stromlieferant sein: Jedes dritte Unternehmen setzt sich derzeit mit den Möglichkeiten auseinander, seinen eigenen Strom zu erzeugen. Dies ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern rechnet sich auch betriebswirtschaftlich durch Kosteneinsparungen. Zudem wird auch das ökologische Bewusstsein der mündigen Verbraucher immer ausgeprägter, man achtet immer stärker darauf, was wie und wo produziert wird. Es bildet sich ein immer größeres Bewusstsein – und damit ein immer größerer Markt – für nachhaltig erzeugte Produkte. Dadurch besitzt das, was sinnvoll für die Gesellschaft und die Umwelt ist, auch einen wirtschaftlichen Nutzen für die Unternehmen. Unabhängigkeit und Marketing, Ökologie und Ökonomie gehen hier Hand in Hand.

AGITANO, das Wirtschaftsforum für den Mittelstand, hat die Gelegenheit genutzt und ein Interview mit Hans-Peter Wilfer geführt, dem Gründer und Geschäftsführer der Instrumentenmanufaktur Framus & Warwick mit Sitz in Markneukirchen im sächsischen Vogtland. Der mittelständische Betrieb ist ein Praxisbeispiel dafür, wie Unternehmen zu 100% energieautark werden können.

Schönen guten Tag Herr Wilfer. Bevor wir näher auf das Thema 100% Energieautarkie in mittelständischen Betrieben eingehen und das Unternehmen Framus & Warwick als Praxisbeispiel aufführen, stellen Sie sich und das Unternehmen doch bitte kurz vor. Welche Größe hat der Betrieb? Was stellen Sie her?

Wir bauen E-Gitarren und E-Bässe, oder um ganz genau zu sein: 60 Mitarbeiter hier in Markneukirchen bauen hochwertige E-Gitarren und E-Bässe. Das ist der Markt, auf dem wir uns bewegen. Der ist naturgemäß nicht so groß wie der Massenmarkt für Gitarren und Bässe, aber den könnten wir von hier aus auch gar nicht bedienen. Den dominieren großindustriell hergestellte Instrumente aus Fernost. Die verkaufen sich über den Preis, und da können wir beim besten Willen nicht mithalten. Wollen wir auch nicht. Wir wollen den Kunden einen Mehrwert bieten, damit sie zu unseren Instrumenten greifen.

Und wir versuchen das eben vor allem mit handwerklicher Perfektion, mit Handarbeit also, mit Innovation, mit modernen Produktionsmaschinen. Wobei wir festgestellt haben, dass dieses Standbein allein nicht reicht. Da kippen Sie um. Seit ein paar Jahren produzieren wir deshalb auch einzelne Produktreihen in Asien. In die dann aber wiederum so viel Markneukirchner Knowhow und Arbeit fließt, dass sie sich deutlich unterscheiden von dem, was üblicherweise von dort kommt. Also, wenn Sie so wollen, wir machen alles von oberer Mittelklasse bis zu Einzelanfertigungen, absolutem Luxus.

Was war der Auslöser für Warwick, auf 100% Erneuerbare Energien und die eigene Energieautarkie umzustellen?

Den einen Wendepunkt, das eine Schlüsselerlebnis hat es nicht gegeben. Ich habe ja 1982 angefangen, in einer Bruchbude in Franken. Also zwei Jahre, nachdem die Grünen sich gegründet hatten. Ab 1983 saßen die dann im Bundestag, gewählt von Leuten, die damals schon ein ökologisches Bewusstein hatten. Ich hatte das damals nicht. Aber diese ganzen Ideen – saubere Flüsse, saubere Luft, Ressourcenschonung, später dann der Klimawandel -, das sickerte natürlich auch in meinen Kopf. Und als wir dann in den 1990er Jahren hierher ins Vogtland umgezogen sind, da fingen wir dann an, zum Beispiel mit Wärmedämmung. Man schluckt dann zwar erst einmal, wenn man die Rechnung für so eine Investition sieht, aber ich weiß eben auch, langfristig rechnet sich das auch.

Die Umwelt freut sich, und der Unternehmer freut sich gleich mit. Und irgendwann haben Sie dann eben Solarzellen auf dem Dach, ein paar Windräder hinterm Haus, Sie heizen mit Erdwärme und Ihrem Holzabfall und mit der Abluft aus den Maschinen, und im Herbst dieses Jahres haben Sie dann ihr eigenes Blockheizkraftwerk. Dann stehen Sie da und freuen sich. Ich habe Kinder, meine Mitarbeiter haben Kinder, das ist alles langfristig gedacht. Wären wir eine Aktiengesellschaft, die ihre Quartalsabrechnungen machen muss und Dividende zahlen, dann ginge das wohl nicht. Aber wir sind nun mal ein Familienunternehmen.

Und eines dürfen Sie auch nicht vergessen: Wir sind hier in einer ziemlich abgelegenen Gegend. Und wenn Sie dann sehen, dass der Stromnetzausbau kaum vorankommt, dass der ganze Strukturwandel bei der Energiewende vorne und hinten hakt, dann werden Sie nachdenklich. Werden wir in Zukunft sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, Netzstrom haben? Also ich zweifele daran.

Wer hat diese Entscheidung getroffen? Wurde Sie im Management vereinbart und dann von der Belegschaft getragen? Oder wurde sie aus den Reihen der Mitarbeiter vorgetragen und dann das Management von der Idee überzeugt?

Ich habe die Entscheidungen getroffen. Und na klar stoßen Sie da auf Skepsis. Nicht nur, aber eben auch. Vor allem, wenn Sie auf dem Weltmarkt unterwegs sind, der ist ja nicht unbedingt so besonders gut berechenbar. Die Instrumente werden ja erstmal nicht billiger, wenn Sie investieren. Oder zumindest werden die Margen nicht größer. Aber irgendwann schlug das um. Ein kleines Beispiel: Gerade erst kam von den Mitarbeitern der Vorschlag, die Arbeitszeiten zu verschieben. Also später anzufangen und später aufzuhören, damit das Tageslicht so gut es geht ausgenutzt wird, um Strom für Kunstlicht zu sparen. Und seit April machen wir das so.

Was waren die größten Bedenken und wie wurden diese ausgeräumt?

Es geht eigentlich immer um die Akzeptanz bei den Kunden. Werden die Kunden das verstehen? Die Konkurrenz, alle anderen, die machen das ja auch nicht, heißt es dann. Und dann sage ich: Wir sind nicht alle anderen. Wir sind hier in Markneukirchen, einem Herz des deutschen Instrumentenbaus. Und warum ist Markneukirchen dieses Herz? Weil es hier in den letzten Jahrhunderten eine Handvoll Leute gegeben hat, die eben nicht alles so gemacht haben wie die Altvorderen. Weil sie der Kundschaft etwas Neues geboten haben. Man muss die Menschen bei ihrer Ehre packen, bei ihrer Instrumentenbauerehre. Denn die haben sie, und sie haben auch ihren Stolz. Sie sind stolz darauf, wenn Framus und Warwick auf den Bühnen von U2 und Metallica und David Bowie gespielt werden. Auf diesen Bühnen landet man nicht, wenn man alles macht wie immer.

Wieviel Strom benötigt Ihr Produktionsstandort durchschnittlich und wie sieht der von Ihnen angepeilte Energiemix aus?

Die Zahlen gehen kontinuierlich nach unten. Im letzten Jahr brauchten wir eine Leistung von ungefähr 280 Kilowatt im Schnitt. Aber weil wir im Moment ein komplett neues Energiemanagementsystem installieren, neue Klimaanlagen auf Erdwärmebasis einbauen, unsere Holzabfallheizung austauschen gegen eine mit höherem Wirkungsgrad, werden wir wohl in Kürze bei 220 oder 200 Kilowatt landen, vielleicht sogar darunter.

Ungefähr drei Viertel davon decken wir dann mit dem Blockheizkraftwerk ab. Der Rest ist Sonnenenergie. Die Windräder fallen leider kaum ins Gewicht, die sind zu klein. Aber perspektivisch denken wir daran, ein neues zu bauen, das etwas größer ist.

Sie haben im Vorfeld angemerkt, dass bei der Stromproduktion die Schwelle des Eigenbedarfs des Betriebes, also 100% ihres Stromverbrauchs, nicht überschritten werden darf, ansonsten gehen Fördergelder verloren. Können Sie die Anforderung und Konsequenzen bitte kurz schildern?

Es gehen keine Fördergelder verloren, sondern man verliert sich selber in den Regeln des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Ganz grob gesagt, ist es für uns nach der jetzigen Rechtslage einfach wirtschaftlicher, nur den Strom zu produzieren, den wir auch selbst verbrauchen können.

Wie sieht es mit der Förderung aus? Haben Sie für dieses ambitionierte Vorhaben neben zinsgünstigen Förderkrediten auch Zuschüsse erhalten? Wenn ja, wie viel Prozent Ihrer Investitionen hat dies grob gedeckt?

Um bei dem zu bleiben, was wir gerade machen, also dem Bau des Blockheizkraftwerks, der neuen Kälteanlage, dem Energiemanagementsystem: Da haben wir den Fluch der guten Tat. Wir waren ja vorher schon recht energieeffizient, und mit den ganzen Upgrades fallen wir nun durch die gängigen Förderraster. Aber wir freuen uns, dass eine Förderung dennoch möglich war. Sie entspricht etwa drei, vier Prozent der Gesamtinvestitionssumme.

Wie schwierig war es denn, den Förderdschungel zu durchblicken, um alle relevanten Möglichkeiten auszuschöpfen? Hatten Sie hierbei Unterstützung und Beratung? Von wem?

Total schwierig war es, aber nicht nur, was die Fördergesetze angeht, auch in die technischen Dinge mussten wir uns erstmal reinfuchsen. Learning by doing, quasi. Bei den Handwerksbetrieben, mit denen wir hier zusammenarbeiten, war es ähnlich. Die kommen ja alle aus der Gegend, und etliche der Sachen, die wir haben wollten, gab es hier vorher noch nicht. Aber mittlerweile haben wir auch längst Berater, auch in Sachen Energie. Zum Beispiel ein Ingenieurbüro hier in Markneukirchen.

Wann werden sich die gesamten Investitionen amortisiert haben?

Wer weiß das schon? Wer kennt die Strompreise von morgen? Ich jedenfalls gehe davon aus, dass Strom nicht billiger werden wird. Und wer garantiert, dass er hier hinter den sieben Bergen nicht eines Tages doch immer mal wieder ausfällt? Das passiert ja jetzt schon. Aber wenn ich ganz konservativ rechne, dann komme ich auf eine Amortisationszeit von zehn Jahren.

Herr Wilfer, vielen Dank für dieses interessante Gespräch und die Einblicke in die Umsetzung der Energieautarkie in produzierenden Unternehmen!

Quelle

Das Interview führte Marc BrümmerRedaktionsleiter von AGITANO, dem Wirtschaftsforum für den Mittelstand 2013

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