‹ Zurück zur Übersicht

© Depositphotos.com | cbies | Daran, dass die schwarz-rote Koalition den Klimaschutz so gravierend zurücktreten lässt, werden aber weder die Kanzlerkür noch die Bildung der neuen Bundesregierung scheitern.

Schwarz-rote Koalition lässt den Klimaschutz zurücktreten

Klimaschutz ist nicht länger ein Instrument, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Er nicht einmal mehr eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche erfasst. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD tröpfelt das Klima nur noch zwischen den Worten und Zeilen. Von Jörg Staude, David Zauner

Im Sondierungspapier und in der Vorlage der Klima-Energie-Arbeitsgruppe hatte es sich schon abgezeichnet, am Mittwoch wird es endgültig klar: Klimaschutz hat jetzt hinter Wirtschaft und Wachstum zurückzutreten und wird durch Technikeuphorie ersetzt.

Bevor am Nachmittag die vier Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD den über 140 Seiten starken Koalitionsvertrag im Paul-Löbe-Haus des Bundestages vorstellen, sind nach und nach Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen an die Öffentlichkeit getröpfelt. Das Auswärtige Amt soll der Union und nicht wie üblich dem kleinen Koalitionspartner zufallen. Im Gegenzug darf die künftige Kanzlerhoffnung der SPD, Boris Pistorius, weiter an der Spitze des Verteidigungsministeriums stehen.

Das Bürgergeld solle weitestgehend auf das Hartz-IV-System zurückgedreht und die Mietpreisbremse vorerst nur für zwei Jahre verlängert werden, tröpfelt es weiter. Unternehmen sowie Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen könnten sich über Steuererleichterungen freuen. Auch werde ein neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung geschaffen.

Es tröpfelt und tröpfelt, nur bei den Themen Klima und Energiewende bleiben aufmerksame Beobachter:innen auf dem Trockenen sitzen.

Bei der offiziellen Präsentation schafft es CDU-Chef Friedrich Merz nur bis zum Stichwort Energie. Die Gaspreisumlage werde abgeschafft und die Stromsteuer aufs europäische Mindestniveau verringert, auch Netzentgelte würden sinken, zählt Merz die – bereits bekannten – Punkte auf, auf die man sich geeinigt hat.

Klingbeil lässt Bagger arbeiten und schafft Faxgeräte ab

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil krempelt als nächster bildlich die Ärmel hoch. „Die Bagger müssen arbeiten und die Faxgeräte entsorgt werden“, malt er die Zukunft in Deutschland aus.

CSU-Chef Markus Söder steigert sich in eine wahre – er gebraucht das Wort tatsächlich – „Technikattacke“ hinein und zählt seine Lieblingsvisionen auf: Gigafactorys, Fusionsreaktor, Hyperloop und ein Super-Hightech-Ministerium.

Mit letzterem meint Söder offenbar das neue Digitalministerium. Wer mit Hyperloop nichts anfangen kann: Das ist eine luftleere Röhre, durch die Menschen in Kapseln mit mehreren hundert Stundenkilometern durchgeschleust werden. Ein Alptraum für jede Umweltbilanz.

Möglicherweise muss Söder auch das Scheitern der AKW-Wiederanfahrpläne verkraften. Einer der wenigen Lichtblicke im Vertrag. Dafür lässt es sich der CSU-Chef nicht nehmen, die Erfüllung zweier anderer zentraler Wahlversprechen zu verkünden: Das Bürgergeld und das Heizungsgesetz würden abgeschafft und durch „effizientere Systeme“ ersetzt.

Das mit dem Abschaffen steht beim Heizungsgesetz auch so im Koalitionsvertrag, allerdings gefolgt von dem Satz: „Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher.“ In Wahrheit wird das Heizungsgesetz, rechtlich eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), also ein weiteres Mal novelliert.

Kein Pro-Kopf-Klimageld, aber viel Geld für E‑Autos

Der Vierten im Bunde, der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, bleibt es bei der Präsentation des Koalitionsvertrags vorbehalten, das Wort Klima zu erwähnen. Man werde massiv in Klimaschutz investieren, damit die Gesellschaft 2045 klimaneutral werden kann, sagte sie.

Wirklich Neues zur Klimapolitik kann auch Esken nicht verkünden. Der fertige Koalitionsvertrag wiederholt größtenteils, was schon im Arbeitspapier der Klima-Energie-Arbeitsgruppe steht. So soll der Bau von 20.000 Megawatt neuer Gaskraftwerke an alten Standorten angereizt werden, das Mehrangebot soll auch für sinkende Strompreise gut sein.

Weitere wiederkehrende Stichworte sind: Industriestrompreis, schnelle Verabschiedung eines Gesetzespakets zur CO2-Abscheidung und ‑Speicherung (CCS), vor allem für schwer vermeidbare Emissionen der Industrie – und für Gaskraftwerke.

Ein Pro-Kopf-Klimageld kommt im Vertrag nicht vor. CO2-Kosten sollen an Haushalte und Wirtschaft zurückfließen durch eine pauschale Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in Klimaneutralität. Wenn also jemand das eigene Haus wärmesaniert und dafür Förderung bekommt, ist das für Schwarz-Rot eine Art Klimageld.

Viel Raum nehmen im schwarz-roten Koalitionsvertrag Kaufanreize für E‑Mobilität ein. Geplant sind die steuerliche Begünstigung von E‑Dienstwagen, Sonderabschreibungen für E‑Fahrzeuge, eine Kfz-Steuerbefreiung für E‑Autos bis 2035 und ein Social-Leasing-Programm für E‑Autos aus Mitteln des EU-Klimasozialfonds. Gefördert werden sollen aber auch wieder klimapolitisch unwirksame Plug-in-Hybride.

Klima- und Transformationsfonds als finanzpolitischer Steinbruch

Richtig fatal wird es im Koalitionsvertrag für den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Der Fonds wird zum finanzpolitischen Steinbruch. So soll künftig auch die Elektrifizierung und Digitalisierung der Bahn aus dem KTF bezahlt werden.

Hier können Sie den Bericht weiterlesen >>

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude und David Zauner) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren