Licht und Schatten im neuen Koalitionsvertrag
Germanwatch lobt zeitgemäßes Sicherheitsverständnis und Unterstützung von Klimazielen, sieht aber auch hoch problematische Schwächungen und Unsicherheiten.
Licht und Schatten sieht die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch im heute vorgelegten Koalitionsvertrag. Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch, kommentiert: “Es ist gut, dass der Vertrag zügig erarbeitet worden ist. Angesichts der Angriffe der US-Regierung brauchen wir eine voll handlungsfähige Bundesregierung in Bezug auf die Verteidigung von Völkerrecht und Menschenrechten sowie den Erhalt von Sicherheit und ökologischen Lebensgrundlagen. Es ist zudem ein wichtiges Signal, dass sich bei den künftigen Koalitionspartnern die Einsicht durchgesetzt hat: Sicherheit wird nicht allein militärisch und mit Blick auf die Ukraine gewährleistet, sondern auch durch internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Hunger, Pandemien und die Klimakrise.”
Ausreichend Mittel für Entwicklungsfinanzierung entscheidend
Besonders begrüßenswert ist nach Ansicht von Germanwatch das Festhalten an einem eigenständigen Entwicklungsministerium, das sich für die Rechte und Bedürfnisse besonders verletzlicher Gruppen einsetzt. Bals: “Die angekündigte Bereitschaft, Deutschlands fairen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung zu leisten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Klimakrise zählt zu den größten sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Eine gezielte Unterstützung von Partnerländern im Globalen Süden ist Ausdruck notwendiger globaler Verantwortung – und zugleich im direkten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interesse Deutschlands. Kritisch sehen wir hingegen die geplante Absenkung der ODA-Quote. Zwar bleibt der Koalitionsvertrag eine konkrete Zielmarke schuldig, doch die angekündigte Reduktion widerspricht dem Anspruch, internationale Kooperation und Krisenbewältigung zu stärken. Jedenfalls ist jede Absenkung unter 0,7 Prozent des BIP nicht angemessen und führt zu Kürzungen im Vergleich zum Status-quo. Das wäre vor dem Hintergrund der geopolitischen Herausforderungen und dem Wegfall der USA in der internationalen Entwicklungsfinanzierung eine Kapitulation vor Trump.”
Unsachliche Kommunikation zum Lieferkettengesetz
Als hoch problematisch stuft Germanwatch die angekündigte teilweise Aussetzung von Sanktionen bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz ein. Cornelia Heydenreich, Leiterin des Bereichs Unternehmensverantwortung bei Germanwatch: “Eine Aussetzung von Sanktionen wäre ein rechtlich fragwürdiger Schritt, der die Achtung der Menschenrechte in den Partnerländern der Handelsnation Deutschland gefährden würde. Wer allerdings jetzt den Eindruck erweckt, das Lieferkettengesetz würde komplett abgeschafft, argumentiert unsachlich. So sorgt man nur für zusätzliche Verunsicherung bei deutschen Unternehmen. Schließlich bekennt sich die neue Koalition zu ihrer Verpflichtung, die europäische Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht zu überführen.”
Beim Klimaschutz droht Abschwächung durch Hintertür
Beim Klimaschutz in Deutschland und der EU werden die Klimaziele weiterhin unterstützt, aber es droht eine Abschwächung durch die Hintertür, nämlich über die Möglichkeit, nun bis zu 3 Prozent des EU-2040-Klimaziels durch internationale Zertifikate zu erfüllen. Durch die komplette Abschaffung der jüngsten Novelle des sogenannten Heizungsgesetzes und der angedeuteten Neuformulierung drohen nach Ansicht von Germanwatch erhebliche Abschwächungen und Preissteigerungen im neuen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude. Zentral ist, dass die unterschiedlich besetzten Ministerien der neuen Regierung zur sozial verträglichen und kosteneffizienten Erreichung der Klimaziele besser zusammenarbeiten als in der letzten Legislatur. Zudem sollten sie den Klimaschutz angemessen kommunizieren und zur Gemeinschaftsaufgabe und -chance machen.