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Solarfeind Nr. 1

Wie Norbert Röttgen die Photovoltaik abschaffen will.

Herr Röttgen, treten Sie zurück!

Sehr geehrter Herr Minister Röttgen, die Bürger in Deutschland wollen die erneuerbaren Energien – das ist gesellschaftlicher Konsens. Dafür, dass Solaranlagen, Windkraftwerke und Co. gebaut werden, sind Sie als Umweltminister verantwortlich. Ihre Regierung hat noch kürzlich ambitionierte Ziele nach Brüssel gemeldet.

Doch der Entwurf zur x-ten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, den Sie nun gemeinsam mit Ihrem Ministerkollegen Rösler vorgelegt haben, will nicht den Zubau erneuerbarer Energien ermöglichen, sondern verhindern. Und vor allem – aber nicht nur – den Bau neuer Solarkraftwerke.

Sie machen daraus gar kein Geheimnis: „Mit unserem Vorschlag zur Photovoltaikförderung wollen wir die Zubaumenge und die Kosten wirksam begrenzen“, haben Sie am 23. Februar erklärt, als die geplanten Änderungen vorgestellt wurden.

Herr Röttgen, für wie dumm halten Sie die Leute?

Die von Ihnen stets angeführten hohen Kosten für Solarstrom gehen auf längst gebaute Kraftwerke zurück und können nicht reduziert werden – wodurch auch immer. Der Bau neuer Solaranlagen aber wird von Jahr zu Jahr billiger. In Ihrer Gesetzesvorlage steht sogar ausdrücklich, dass eine Kilowattstunde Solarstrom in vier Jahren nur noch 6,75 Cent kosten soll. Damit wird dieser Solarstrom billiger als der Strom aus neuen Kohlekraftwerken.

Schon in diesem Jahr soll Solarstrom aus Megawattanlagen nur noch mit 13,50 Cent je Kilowattstunde vergütet werden – das ist günstiger als Strom aus Offshore-Windkraftwerken oder Biomasseanlagen.

Aber schaffen Sie jetzt auch Kohlekraftwerke ab, weil sie zu teuer sind? Wollen Sie den Ausbau von Wind- und Biogaskraftwerken ausbremsen?

Sie wollen, dass künftig nur noch 0,9 bis 1,9 Gigawatt neuer Solaranlagen pro Jahr installiert werden. Sie nennen das einen „vernünftigen Rahmen“. Als Umweltminister aber sollten Sie sich freuen, dass Solarstrom immer billiger wird und es immer mehr Solaranlagen gibt! Stattdessen verweisen Sie auf die angeblich durch Solarenergie gefährdete Netzstabilität. Belege dafür liefern Sie nicht.

Stattdessen – und das ist eine der größeren Absurditäten in Ihren Ideen – legen Sie ein Gesetz vor, dass den Bau von Photovoltaikanlagen künftig auf sonnige Regionen konzentrieren wird. Das aber führt tatsächlich zu eigentlich vermeidbarem Netzausbau.

Was Sie nicht sagen: Die 1,9 Gigawatt sind so wenig, dass Solarstrom in Deutschland nie eine relevante Rolle bei der Energieversorgung spielen wird.

„Warum RWE und Eon aufatmen“ kommentiert die Wirtschaftspresse Ihre Pläne. Auch die Börsenanalysten haben schnell begriffen, wer da gerade ein Geschenk erhält. Die Aktien aller großen Stromkonzerne machten noch am Tag der Veröffentlichung Ihres Entwurfes einen Freudensprung.

Die Kurse der Solaraktien hingegen werden weiter einbrechen. Denn die Analysten haben bislang vor allem die geplante Vergütungsabsenkung eingepreist, um die geht es aber im Kern gar nicht – auch wenn sich viele Reaktionen aus der Solarbranche vor allem mit der Frage beschäftigen, ob die von Ihnen verkündeten Vergütungssätze denn angemessen sind.

Worum es wirklich geht, steht in Paragraf 64 Ihrer sogenannten Formulierungshilfe für den Bundestag: Dieser Passus enthält die Ermächtigungsgrundlage dafür, dass Sie gemeinsam mit Ihrem neuen Kumpel Rösler künftig mit der Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien machen können, was Sie wollen.

Ohne Parlamentarier, ohne Mitbestimmung der Bundesländer – und vor allem: ohne Vorwarnung. Eine Verordnungsermächtigung, mit der Sie die Vergütung über Nacht auf null senken könnten. Genauso könnten Sie darüber bestimmen, welcher Anteil des produzierten Stroms überhaupt noch vergütet wird.

Und um den Fass den Boden auszuschlagen: Diese Regelung soll nicht nur für Solarstrom gelten, sondern für alle erneuerbaren Energien.

Man wird sehen, was das Bundesverfassungsgericht zu einer solchen Entmachtung der Legislative sagt. Allein Ihr Versuch zeigt jedoch, wie ernst Sie es mit der Deckelung des Solarzubaus meinen – und wie wenig Sie mit parlamentarischer Demokratie und der Gewaltenteilung am Hut haben. Stattdessen entlarvt Sie Ihr Gesetzesvorschlag als U-Boot in der Regierung und Wegbereiter der konventionellen Energiewirtschaft. Mit Ihrer Verantwortung als Bundesumweltminister ist dieses Verhalten unvereinbar.

Deshalb: Räumen Sie Ihren Platz für jemanden, der sich wirklich für den Schutz der Umwelt einsetzt.

Der Offene Brief an den Minister können können Sie hier downloaden

Quelle

PHOTON | Editorial | Nr. 3 /2012Anne Kreutzmann, Christoph Podewils, Jochen Siemer, Philippe Welter, Matthias B. Krause, Ines Rutschmann, Stefan Korn, Andreas Beneking.

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