Auf Jesu Spuren
Eine Wanderung durch Israel und Palästina
Zwischen Jordan, Jericho und Jerusalem
Wandern, wo Jesus von Nazareth wandelte: Nils Straatmann reist mit einem alten Schulfreund den Lebensweg des historischen Jesus nach – vom vermeintlichen Geburtsort Bethlehem, den heute eine riesige Mauer dominiert, durch den Golan bis zum Hermon, auf dem im Winter der Skitourismus boomt.
Mit unstillbarer Neugier erkundet der junge Theologe, was von den Ideen des einstigen Erlösers im Heiligen Land geblieben ist. Trifft in einem Beduinen-Camp auf Harry Potter, fährt mit einem der letzten Fischer auf den See Genezareth und wird bei einem palästinensischen Barbier als Spion verdächtigt.
Dabei nähert er sich fundiert und ebenso skeptisch wie selbstironisch den drei Weltreligionen an. Räumt mit Vorurteilen und weitverbreitetem Halbwissen auf. Und erfährt bei seinen Begegnungen, dass die Fähigkeit zur Nächstenliebe eine der größten menschlichen Stärken ist.
Leseprobe – Prolog
8. Juli 2016, Zgheib-Militärbasis, Sidon, Libanon
Mehrere Rollen NATO-Draht schirmen die Straße vom restlichen Verkehr ab. Ein Panzer steht in der Einfahrt, das Rohr direkt auf uns gerichtet. Ein Typ in Uniform sitzt am Geschützturm und raucht eine Zigarette. Hinter ihm an einer Schranke stehen weitere Soldaten. Von ihren Schultern hängen Gewehre.
»Was wollt ihr hier?«, fragt einer von ihnen auf Englisch.
»Wir brauchen eine Genehmigung, um in den Süden des Landes zu kommen«, antworte ich so naiv wie möglich. »Uns wurde gesagt, wir sollen uns an euch wenden.«
»Wer hat das gesagt?«
»Freunde. Im Hostel.«
Der Soldat winkt uns zu einem weiß getünchten Empfangshäuschen, wo ein schlecht gelaunter Beamter hinter einem abgewetzten Schreibtisch unsere Pässe kontrolliert.
»Telefone?«, fragt er barsch. »Abgeben!«
Wir ziehen unsere Handys aus der Tasche und händigen ihm damit unsere einzige Sicherheit aus. Sein Blick fällt auf unsere Flipflops.
»Was sind denn das für Schuhe? Das sind keine Schuhe! Habt ihr andere dabei?«
Ich schüttle den Kopf.
»Ich mag eure Schuhe nicht. Die werden Probleme bereiten. Besorgt euch andere Schuhe!«
»Wir haben kei…«
»Dann haut ab!«
Ich blicke zu Sören, er blickt zurück. 12 000 Kilometer, Hamburg–Tel Aviv–Hamburg und dann zurück in den Nahen Osten. Wochen voller Recherchen, je ein zweiter Reisepass, ein kompletter Gepäckwechsel, und das alles, nur um jetzt von einem mies gelaunten Typen mit schlecht gestutztem Schnurrbart wegen unserer Flipflops abgewiesen zu werden. Danke, Jesus! Hätten sich die Torwachen in Jerusalem wegen deiner Sandalen so angestellt, hätte sich deine Botschaft nie verbreiten können.
»Gibt es wirklich keine Möglichkeit, mit diesen Schuhen …«, setze ich an, doch der Beamte grätscht dazwischen: »Hört zu: Entweder ihr steht hier jetzt noch eine Weile rum, und ich lasse euch von den Jungs da draußen abführen oder ihr besorgt euch von irgendwoher vernünftige Schuhe und kommt morgen wieder!«
Wir treten auf der Stelle. Morgen wollen wir uns bereits auf dem Weg in die Berge befinden. Kurz überdenke ich unsere Möglichkeiten. Dann schultere ich meinen Jutebeutel und mache mich schleunigst auf den Rückweg nach Beirut.
Knapp drei Stunden später bin ich wieder da. In der Hand trage ich meine Nikes und Sörens schwere Wanderstiefel, die auf beinahe 400 Kilometern in ehrlichem Männerschweiß durchgewalkt wurden. Sören, der im Schatten einer Pinie gewartet hat, hebt den Blick. Seit das Display seiner Kamera kaputt ist, sieht er beim Sichten der Aufnahmen immer so aus, als würde er sehr konzentriert seine Füße fotografieren.
»Der Geruch Ihrer Schuhe hat Ihr Kommen bereits angekündigt, Sir«, begrüßt er mich. »Shall we?«
Ich nicke.
Diesmal bereitet uns der Beamte keine Probleme. Wir geben unsere Handys und Jutebeutel ab, dann werden wir ins Lager geleitet. Militärfahrzeuge und aufgeschichtete Sandsäcke. Überwachungskameras, derbe Jungs mit Maschinengewehren. Ein hagerer Kerl in Flipflops führt uns hinter das Hauptgebäude zu einem schlecht klimatisierten Container, in dem wir erwartet werden.
Wir sitzen auf einem mit schwarzem Kunstleder überzogenen Drahtgestell. Zwei Schreibtische, Furnierholz, darüber ein sich träge drehender Ventilator, der den Muff von zu oft geatmeter Luft im Raum verteilt. Vor uns ein Mann, dessen aufgesetztes Lächeln nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er in seiner Freizeit wahrscheinlich gerne Menschen frisst.
»Pässe?«, blafft er, während sein Kollege im hoffnungslosen Versuch, eine Fliege zu erschlagen, eine zusammengerollte Zeitschrift durch die Luft schwingt.
»Deutsche, ja?« Er wirft uns einen misstrauischen Blick zu. »Und ihr wollt in den Süden? Was habt ihr da vor?«
Jetzt bloß nichts über Israel sagen, denke ich. So, wie es uns eingebläut wurde: Kein Wort über Israel und Palästina. Leseprobe weiter